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Ausschreitungen nach Tötung von Israelis

27. Februar 2023

Nach der Tötung zweier israelischer Siedler ist es im Westjordanland zu schweren Konfrontationen gekommen. Sie überschatteten erste israelisch-palästinensische Gespräche seit Jahren über vertrauensbildende Maßnahmen.

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Israelische Soldaten auf Patrouille in der Region Huwara im Westjordanland
Israelische Soldaten auf Patrouille in der Region Huwara im Westjordanland Bild: Ilia Yefimovich/dpa

Nach einem tödlichen Anschlag auf zwei Israelis im nördlichen Westjordanland ist es in dem vom Israel besetzten Palästinensergebiet am Sonntag zu schweren Ausschreitungen israelischer Siedler gekommen. Ein 37 Jahre alter Palästinenser wurde nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums durch Schüsse tödlich verletzt. Es ist noch unklar, ob diese von Siedlern oder israelischen Soldaten abgegeben worden waren. Mindestens 100 Palästinenser wurden nach Angaben von Sanitätern verletzt, als israelische Siedler in Huwara und Ortschaften in der Umgebung zahlreiche Häuser, Läden und Autos von Palästinensern in Brand setzten.

Netanjahu: "Gesetz nicht selbst in die Hand nehmen"

Zuvor waren bei einem Anschlag in Huwara, das südlich von Nablus liegt, zwei Siedler im Alter von 20 und 22 Jahren erschossen worden. Sie stammten aus der nahegelegenen israelischen Siedlung Har Bracha. Die Suche nach dem palästinensischen Tatverdächtigen läuft noch. Angesichts der gefährlichen Eskalation der Lage teilte die israelische Armee mit, sie werde ihre Truppen im Westjordanland um zwei weitere Bataillone verstärken.

Im Westjordanland eskaliert die Gewalt

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu rief seine Landsleute am Sonntagabend dazu auf, "das Gesetz nicht selbst in die Hand zu nehmen, selbst wenn das Blut kocht." Der israelische Präsident Isaac Herzog verurteilte das Vorgehen der gewalttätigen israelischen Siedler scharf. "Das Gesetz in die eigenen Hände zu nehmen, zu randalieren und Gewaltakte gegen Unschuldige zu begehen - das ist nicht unsere Art", sagte er.

Deutschland und Frankreich nennen Gewaltakte inakzeptabel

Die anhaltende Gewalt im von Israel besetzten Westjordanland und die jüngsten Ausschreitungen israelischer Siedler im palästinensischen Huwara sorgen international für Kritik und Sorge. Die deutsche Bundesregierung verurteilte die Tötung der Israelis, forderte aber auch eine Aufarbeitung des "völlig inakzeptablen" Racheakts jüdischer Siedler. Nichts könne "solche Terrorakte" rechtfertigen, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin. Auch Frankreich verurteilte die Tötung zweier Israelis. "Die Gewalt gegen palästinensische Zivilisten ist inakzeptabel", hieß es zugleich in einer Erklärung des Außenministeriums. "Israel sollte gegen die Gewalt der Siedler vorgehen und die Verantwortlichen vor Gericht stellen", forderte der britische Botschafter in Israel, Neil Wigan, am Montag auf Twitter.

Treffen in Akaba auch unter US-Beteiligung

Zuvor hatten Israelis und Palästinenser bei einem Treffen in der jordanischen Hafenstadt Akaba vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart. An den mutmaßlich ersten direkten Gesprächen dieser Art zwischen beiden Seiten seit Jahren nahmen auch Regierungsvertreter der USA, Jordaniens und Ägyptens teil. Ein weiteres Treffen wurde für kommenden Monat im ägyptischen Scharm el Scheich angesetzt.

Palästinenser im Gazastreifen demonstrieren gegen die Zusammenkunft in Akaba in Jordanien
Palästinenser im Gazastreifen demonstrieren gegen die Zusammenkunft in Akaba in Jordanien Bild: Ahmed Zakot/imago images

Israelis und Palästinenser wollten "einseitige Maßnahmen" für drei bis sechs Monate aussetzen, hieß es ohne Nennung weiterer Details in einer gemeinsamen Erklärung. Israel verpflichtete sich demnach, vier Monate lang keine Diskussionen über den Bau neuer Siedlungen im Westjordanland zu führen und sechs Monate lang keine neuen Siedlungsaußenposten zu genehmigen.

Widersprüche in israelischen Erklärungen

Netanjahu ließ dagegen verlauten, Israel habe sich zu keinem Baustopp verpflichtet. Der Ausbau und die Legalisierung von israelischen Siedlungen im Westjordanland sollten wie geplant weitergehen. Auch Finanzminister Bezalel Smotrich, der unter anderem den Siedlungsbau kontrolliert, twitterte: "Der Ausbau und die Entwicklung des Siedlungsprojekts werden nicht für einen einzigen Tag eingefroren." Die israelische Armee werde außerdem ohne jede Einschränkung im gesamten Westjordanland gegen Terror vorgehen, betonte er.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Finanzminister Bezalel Smotrich vor wenigen Tagen in Jerusalem
Israels Ministerpräsident Netanjahu und Finanzminister Smotrich vor wenigen Tagen in JerusalemBild: Ronen Zvulun/Pool Reuters/AP/dpa

Eine Erklärung für den offensichtlichen Widerspruch zwischen den Erklärungen der Regierungspolitiker und der israelischen Verhandlungsdelegation in Akaba wurde nicht abgegeben.

Lage seit Antritt der rechts-religiösen Regierung noch angespannter 

Die Sicherheitslage in Israel und den Palästinensergebieten ist bereits seit langem extrem angespannt. Seit dem Amtsantritt der rechts-religiösen Regierung Netanjahus vor zwei Monaten hat sie sich aber noch einmal deutlich zugespitzt. Erst am Donnerstag waren bei einem israelischen Militäreinsatz in Nablus elf Palästinenser getötet und mehr als 100 verletzt worden.

Seit Beginn des Jahres wurden zwölf Israelis und eine Ukrainerin bei palästinensischen Anschlägen getötet. Im gleichen Zeitraum starben 63 Palästinenser - sie wurden etwa bei Konfrontationen mit der israelischen Armee oder nach eigenen Anschlägen erschossen.

Das israelische Kabinett billigte am Sonntag einen Gesetzesentwurf, der die Todesstrafe für Terroristen vorsieht. Der umstrittene Vorstoß muss noch mehrere Lesungen im Parlament passieren, bevor er in Kraft treten kann. Mit einer ersten Abstimmung wird am Mittwoch gerechnet.

sti/AR/gh/qu/as (afp, dpa, rtr, kna)