August Sander: Das "Antlitz der Zeit"
Hinschauen, beobachten: August Sander sah bei seinen Fotografien immer den Menschen hinter Berufskleidung und sozialem Status. Ob Fabrikbesitzer oder einfacher Bauer - vor seiner Kamera hatten alle ihre eigene Würde.
Landarbeiter
Sein ganzes Berufsleben als Fotograf war es August Sander wichtig, seinem Gegenüber auf Augenhöhe zu begegnen. Er fotografierte die Menschen lieber in ihrem Lebensumfeld oder in der Natur, statt in der steifen Künstlichkeit eines Fotografen-Ateliers. Er versuchte das Typische, die Persönlichkeit abzubilden, auch bei einfachen Leuten. Hier Bauern auf Sardinien (1927).
Fußballverein (um 1920)
Seine technische Meisterschaft und vor allem die malerische Komposition seiner Gruppenfotos machten seine Fotoarbeiten fast schon zu Gemälden. Er wollte ursprünglich selbst Maler werden und hatte zahlreiche Kopien alter Meister aus eigener Hand in seinem Wohnhaus hängen. Berühmt wurde er als "Lichtbildner" standesbewußter Zeitgenossen, die stolz in die Kamera blicken.
Die Familie in der Generation (1912)
Geboren und aufgewachsen ist Sander im Westerwald, in dem kleinen Dorf Herdorf, unweit der Industriestadt Siegen. Schon als 16-Jähriger arbeitet er als Haldenjunge im nahegelegenen Bergwerk. Von einem Onkel bekommt er Geld für seine erste Fotoausrüstung. Als ausgebildeter Fotograf kehrt er immer wieder in die raue Landschaft zurück, um Arbeiter und Bauern abzulichten: Bauernfamilie, um 1912.
Familie Sander (1905)
In Linz an der Donau richtete August Sander sein erstes Fotogeschäft ein. Er begann seine Arbeitsweise nach der aufkommenden Kunstfotografie auszurichten: Malerische Motive, Naturbetrachtungen, Stilleben waren in Mode gekommen. 1906 ließ er "Atelier für bildmäßige Portrait- und Landschaftsphotographie in natürlichen Farben" auf seinen Briefkopf drucken. Sander (links) mit Familie (1905)
Zirkusartisten (1926)
Mit seinem sachlichen Blick auf die "Menschen des 20. Jahrhunderts" hat Sander auch eine Enzyklopädie seiner Zeit fotografiert. Und damit ein Jahrhundertwerk geschaffen. Er suchte die Lebenslinien in den Gesichtern, in denen sich die Härte des Lebens genauso wie das Luxusleben einer bürgerlichen Existenz wiederfanden. Auch Landstreicher oder wie hier "Zirkusartisten" waren für ihn wichtige Motive.
Im Luftschutzkeller (1942)
1910 gab Sander sein Geschäft in Linz auf und siedelte mit seiner Familie nach Köln um. Als Auftragsfotograf war er in allen Gesellschaftsschichten unterwegs: Er fotografierte Fußball- und Gesangsvereine genauso, wie Fabrikbesitzer, Künstler und Studenten. Bis in die letzten Kriegsjahre arbeitete er in seinem Kölner Labor und Atelier an der Sammlung von Portrait-Arbeiten für sein Mappenwerk.
Werkstudenten (1926)
August Sanders Arbeiten spiegeln auch den Umbruch und Bewusstseinswandel nach dem Ersten Weltkrieg wieder: Die Moderne der wilden 1920er Jahre mit ihren Bubikopf-Frisuren, Charleston und dem ausschweifenden Gesellschaftsleben prägen auch seine Portraits dieser Zeit. Künstlerische Geister der Avantgarde, Schriftsteller, Maler und auch politisierte Werkstudenten geben den Ton an.
Haus am Hang (1929)
Nur wenig bekannt sind die industriellen Auftragsarbeiten von Sander. Der Stil der Neuen Sachlichkeit, der Architektur und Design zur kommenden Moderne werden ließ, fand sich auch in seinen Sach-Fotografien wieder: Schrauben, Glühbirnen, Zinkwannen, als Stillleben inszeniert. Oder Innenarchitektur als künstlerischer Entwurf, wie hier ein Wintergarten des Architekten Breuhaus de Groot.
Kölner Stadtwald (1930)
Mit der Akribie des guten Handwerkers widmete sich August Sander, der im gleichen Jahr wie Konrad Adenauer geboren ist, fotografisch seiner Wahlheimat Köln. Straßenszenen, moderne Kinopaläste, Kirchenbauten, Industrieareale und immer wieder die städtischen Grüngürtel, wie hier im Winter, lichtete er als Zeichen ihrer Zeit ab, ebenso wie die Trümmerlandschaften des zerbombten Köln.
Der Meisterfotograf
Berühmt wurde Sander mit seinem umfangreichen Mappenwerk "Menschen des 20. Jahrhunderts", das er schon Mitte der 1920er Jahre konzipierte: Sein Lebenswerk. Eine erste Auswahl an Fotos wurde 1927 im Kölnischen Kunstverein ausgestellt. 100 großformatige Handabzüge aus seinem Meisterlabor, sortiert in sieben gesellschaftliche Gruppen: Der Bauer, Der Handwerker, Die Frau, Die Künstler ...
Ikonen der Fotogeschichte
Über 350 Fotos, Handabzüge (Vintages) aus dem Labor des weltberühmten deutschen Photographen August Sander, sind noch bis zum 03.08.2014 in einer Retrospektive der SK Stiftung in Köln zu sehen: Meisterliches genauso, wie völlig unbekannte Werbefotografien. Sander-Arbeiten hängen mittlerweile in allen großen Museen der Welt: im MOMA in New York und in der Tate Gallery in London.