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"Mr. Right und Lady Perfect"

Laura Döing
14. Februar 2017

Der Valentinstag könnte so romantisch sein - wenn es den passenden Partner zum Anschmachten gäbe. Das Buch "Mr. Right und Lady Perfect" rollt die Geschichte der Partnersuche auf und stellt fest: Früher war es einfacher.

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Filmstill: Stolz Und Vorurteil
Jane Austens Vorstellung einer perfekten Beziehung: eine Filmszene aus "Stolz und Vorurteil" von 1940Bild: picture-alliance/United Archives/IFTN

DW: Ihr Buch "Mr. Right und Lady Perfect. Von alten Jungfern, neuen Singles und der großen Liebe" ist ein Streifzug durch Kulturgeschichte der Partnersuche. Wann war es denn schwerer, den perfekten Partner zu finden - jetzt oder im 19. Jahrhundert?

Annegret Braun: Die Erwartungen sind in jedem Fall sehr gestiegen. Man hat sich früher mit dem Partner begnügt, den die Eltern vorgeschlagen haben und hat versucht, das positiv zu sehen. Es war die Aufgabe der Eltern, den Passenden zu finden. Für diejenigen, die verheiratet werden sollten, war es im 19. Jahrhundert einfacher, weil sie einen Partner zugewiesen bekamen. 

Mir fällt als Beispiel die Schriftstellerin Henriette Herz ein, die als Teenager den fast doppelt so alten Arzt und Schriftsteller Marcus Herz heiraten sollte. Er sehe nicht besonders gut aus, aber er gelte als sehr intellektuell, schrieb sie. Sie hat ihn sich also ein bisschen "schöngedacht". Weiter sagte sie, sie hätte ihn sich, inspiriert durch die vielen Romane, die sie gelesen habe, schön ausgemalt. Und dann freute sie sich, dass sie überhaupt heiratet - dann bekäme sie mehr Taschengeld und noch einige Vorteile und könne bestimmen, was sie esse. Von daher waren die Erwartungen an den Mann nicht so groß wie heute. Man hat sich gefreut, dass man heiratet, denn es gab für eine bürgerliche Frau nichts Schlimmeres, als ledig zu bleiben. 

Im 19. Jahrhundert galten ledige Frauen als unvollkommene Wesen. Hat sich daran etwas geändert?

Bei bürgerlichen Töchtern hat einfach etwas gefehlt, wenn sie nicht verheiratet waren. Nach allgemeiner Auffassung erfüllten sie dann einfach nicht ihre Lebensaufgabe, und so haben sie es auch selbst empfunden. Auf dem Land war es völlig normal, dass man ledig war. Die ärmere Bevölkerung konnte einfach nicht heiraten. Es gab sehr viele unverheiratete Dienstmägde und Knechte, die aber trotzdem Liebesbeziehungen hatten. Deswegen gab es auf dem Land auch viele uneheliche Kinder. Heutzutage hat ein Single natürlich sehr viel mehr Freiheiten. Ich finde es wichtig, dass man das Singledasein nicht als defizitär empfindet. Jeder Mensch ist eine Persönlichkeit - und wird nicht erst eine Persönlichkeit, wenn er einen Partner hat.

Dr. Annegret Braun
Dr. Annegret BraunBild: Privat

Ihr Buch ist gespickt mit Partnersuchenden und ihren Geschichten. Wo haben Sie überall recherchiert?

Vor allem habe ich im deutschen Tagebucharchiv in Emmendingen bei Freiburg recherchiert. Was mich da schon sehr berührt hat, war das Authentische. Ich stieß auf eine Frau, die um 1920 Tagebuch schrieb. Sie war wohl sehr anziehend, sie hatte viele Verehrer, aber auch oft Pech mit ihnen. Sie wurde von ihnen betrogen, sie haben mit ihr Schluss gemacht. Sie hat darauf selbst angefangen, mit Männern zu spielen, die sie enttäuscht haben. Und wenn man in dem Tagebuch über ihre Enttäuschung liest - das ist mir schon sehr nahe gegangen.

Seit 2014 steigt die Zahl der Eheschließungen in Deutschland wieder. Die aktuellsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes besagen, dass 2015 rund 400.000 Mal "Ja" gesagt wurde. Was macht die Hochzeit heute noch attraktiv?

In den 1970er und 80er Jahren hat man sich oft relativ nüchtern dazu entschlossen zu heiraten - zum Beispiel, wenn ein Kind unterwegs war. Heute gehen die Erwartungen oft dahin, dass man einen sehr romantischen Heiratsantrag bekommt und möglichst noch einen tollen Ring und dann wird das Ganze noch gepostet. Auch das Brautkleid muss besonders sein, und alte Hochzeitsbräuche werden wieder ausgegraben. Die romantische Vorstellung von Liebe macht Hochzeit attraktiv und auch, dass eine Hochzeit den Anschein hat, verbindlicher zu sein, ist als wenn man nur so zusammen bleibt. Dieser Wunsch nach Verbindlichkeit und Dauerhaftigkeit macht die Hochzeit gerade in unserer heutigen Welt, wo sich alles so schnell ändert, attraktiv.

In Ihrem Buch geht es nicht nur um die Ehe, sondern auch um Affären, das Flirten, Anbandel-Bräuche und das Onlinedating. Im Internet gibt es unzählige Partnerbörsen von "Bayern Flirt" über "Rich meets Beautiful" bis hin zu "Metzgersingles". Was war die Geschichte des Onlinedatings?

Der Buchhalter Lewis Altfest und der IBM-Programmierer Robert Ross entwickelten 1965 in New York einen technischen Automaten für Kompatibilitätstests, kurz: TACT. Die Kunden bezahlten fünf Dollar und bekamen dafür fünf Partnervorschläge. Um den Partner zu finden, der am besten zu ihnen passte, mussten die Kunden vorher einen Fragebogen mit über 100 Multiple-Choice-Fragen ausfüllen. Die Antworten übertrugen die beiden Tüftler in Lochkarten und gaben sie in den Computer, der die fünf Partnervorschläge mit der höchsten Übereinstimmung ausspuckte. Um den Menschen das Kennenlernen zu erleichtern, veranstalteten Lewis Altfest und Robert Ross auch Partys. Heute kommen mittlerweile ein Drittel aller Partnerschaften durch Onlinedating oder das Internet zustande, habe ich gelesen.

Buchcover Mr. Right und Lady Perfect
Eine Zeitreise durch die Kulturgeschichte der PartnersucheBild: wbg-Verlag

Nicht nur beim Onlinedating wird vorsortiert. Bei der Realityshow "Hochzeit auf den ersten Blick" trifft sich das Brautpaar das erste Mal auf dem Standesamt - und ist kurz danach verheiratet. Sie schreiben, dass selbst arrangierte Ehen früher nicht so radikal waren. Sind Sendungen wie diese der verzweifelte Versuch, die heutige Freiheit der Partnerwahl in Deutschland einzugrenzen und sie dadurch einfacher zu machen?

Für eine Show wird natürlich vieles radikaler gemacht, da geht es um den Effekt. Aber was mich wahnsinnig erstaunt, ist, dass es Tausende von Kandidaten gibt, die dort mitmachen möchten. Ich denke nicht, dass die nur ins Fernsehen wollen - es gibt ja noch viele andere Shows. In den Interviews sieht man auch, dass sie von ihren bisherigen Liebesbeziehungen unglaublich enttäuscht sind und dass sie sagen: Auf mein Gefühl war wenig Verlass, jetzt will ich auf die Wissenschaft vertrauen und rationaler an die Partnersuche herangehen. In der Show werden viele Tests gemacht, wer zu wem passt, und es werden auch viele Fragen gestellt, wie frühere Beziehungen verlaufen sind.

Das Problem ist, dass die emotionalen Erwartungen auch bei diesem strukturierten Angang die gleichen bleiben. Denn trotzdem suchen die Kandidaten ja ihren ideale Partner und möchten in ihn verliebt sein.

Annegret Braun (54) ist promovierte Kulturwissenschaftlerin und lehrt Volkskunde/Europäische Ethnologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Neben "Mr. Right und Lady Perfect" hat sie bereits Bücher über den Wandel von Ehe- und Partnerschaftsvorstellungen, über Frauen auf dem Land, wie Frauen Glück erleben und den Frauenfunk des Bayerischen Rundfunks geschrieben. Sie wohnt im Landkreis Dachau in der Nähe von München, wo sie als Leiterin einer Geschichtswerkstatt mit Interessierten die regionale Nachkriegsgeschichte erforscht.

Das Gespräch führte Laura Döing.

"Mr. Right und Lady Perfect. Von alten Jungfern, neuen Singles und der großen Liebe", Lambert Schneider Verlag, 232 Seiten, ISBN: 9783650401953