Auf Beethovens Spuren in Wien
35 Jahre lang lebte Ludwig van Beethoven in Österreichs Hauptstadt – bis zu seinem Tod. Dort komponierte er geniale Werke, die seine Zeitgenossen zugleich faszinierten und verstörten, ganz besonders die Nachbarn.
Ludwig van Beethoven wurde am 17. Dezember 1770 in Bonn getauft. Sein genaues Geburtsdatum ist nicht verzeichnet, wahrscheinlich ein oder zwei Tage eher. Nach Wien reiste er das erste Mal im Alter von 17 Jahren, kehrte aber nach nur wenigen Monaten zurück, weil seine Mutter, an an jemandem/etwas hängen eine sehr enge Beziehung zu jemandem/etwas haben; jemand/etwas sehr mögen der er sehr hing an jemandem/etwas hängen eine sehr enge Beziehung zu jemandem/etwas haben; jemand/etwas sehr mögen , im Sterben lag. 1792 brach er wieder nach Wien auf und diesmal blieb er dort – bis zu seinem Tod am 26. März 1827. Doch warum verließ der junge Beethoven seine Heimatstadt, in der er erste Erfolge feierte und Freunde hatte? Eine Erklärung hat Simon K. Posch vom Haus der Musik in der österreichischen Hauptstadt. Dort ist eine ganze Etage den Meistern der Wiener Klassik Wiener Klassik (f., nur Singular) eine besondere musikalische Stilrichtung (etwa von 1780 bis 1827), die sich u. a. durch singbare Melodien, Sinfonien und Konzerte auszeichnete gewidmet:
„Für Beethoven war[en] natürlich auch ein Haydn und natürlich auch [ein] Mozart Vorbilder. Und für ihn war, nachdem er auch erkannt hat, wie groß diese Komponisten waren, Wien sicherlich ein Ort, den er sich ausgesucht hat.“
Wien war im 18. Jahrhundert ein musikalisches Zentrum, in dem bedeutende Musiker und Komponisten wie Wolfgang Amadeus Mozart, Joseph Haydn und Antonio Salieri wirkten. In Bonn residierte damals als Kurfürst Kurfürst, -en (m.) eine frühere Bezeichnung für eine adlige Person, die im Mittelalter den König wählen durfte und Erzbischof von Köln der österreichische Erzherzog Maximilian Franz, Sohn von Kaiserin Maria Theresia. Er war ein großer Musikliebhaber und Mäzen Mäzen, -e/Mäzenin, -nen eine vermögende Person, die andere Personen (z. B. Künstler, Sportler) oder einen bestimmten Bereich (z. B. Kunst, Sport) finanziell unterstützt und fördert , hatte schon früh das Talent des jungen Beethoven erkannt und schickte ihn deshalb zur Ausbildung zu Mozart, den er persönlich kannte. Ein paar Jahre später ging es für den Nachwuchskomponisten wieder nach Wien, dieses Mal mit einem Stipendium und zur Ausbildung bei Haydn - Mozart lebte nicht mehr. Der Plan war eigentlich, dass Beethoven wieder nach Bonn zurückkehren und dort – wie der Großvater – Kapellmeister Kapellmeister, -/Kapellmeisterin, -nen der musikalische Leiter/die musikalische Leiterin eines Orchesters oder Chors am kurfürstlichen Hof werden sollte. Doch die politischen Verhältnisse hatten sich geändert. Die Franzosen hatten das Rheinland besetzt, den Kurfürsten vertrieben und die Hofkapelle aufgelöst. Und so blieb Beethoven in Wien.
Ganze 60 Mal zog er dort von einer Bleibe in die nächste um. Eine seiner Wohnungen – in der Probusgasse 6 – beherbergt heute das Beethoven Museum. Eine andere im Pasqualatihaus in der Mölker Bastei-Straße hat er sogar mehrfach bewohnt. Das Haus gehörte Johann Baptist Freiherr von Pasqualati, einem von Beethovens Gönnern Gönner, -/Gönnerin, -nen eine reiche Person, die andere Menschen mit Geld unterstützt und fördert , der ihm immer die Treue hielt. Auch wenn Beethoven mal wieder ausgezogen war, vermietete er die Wohnung nicht weiter, sondern hielt sie ihm frei. Laut dem Wiener Musiker und Musikvermittler Christian Buchner hatte Beethovens rastloses rastlos so, dass jemand unruhig ist, sich keine Pause gönnt Umherziehen seine Gründe:
„Er war, muss man sagen, kein bequemer Mieter. Das heißt, er hat im Zuge der Schwerhörigkeit immer lauter natürlich komponieren und auf das Klavier einschlagen müssen. Er hat gegen die Wand geklopft, den Takt geschlagen, laut gesungen. Und er hat eine lustige Angewohnheit gehabt: Sobald er vom Komponieren erhitzt war, nimmt er einen Kübel Wasser und schüttet sich den über den Kopf. Das ist auch mit den heutigen Fußböden problematisch. Damals waren die Fußböden aber mit viel mehr Spalten, das heißt, das ganze Wasser rinnt hinunter, und die nächsten Nachbarn freuen sich über Schimmelflecken an der Wand.“
Beethovens Gehörleiden, das bis zur völligen Taubheit Taubheit (f., nur Singular) die Tatsache, dass man nicht mehr hören kann führte, machte sich ab 1800 immer stärker bemerkbar. Er hörte immer schlechter, wurde schwerhörig. Um Töne und Takte, ein in gleiche Einheiten eingeteilter rhythmischer musikalischer Ablauf, zu hören, behalf er sich, indem er fest auf die Tasten haute, auf sie einschlug, oder sein Ohr nah an die Wand hielt und mit den Fingern den Takt klopfte. Über so viel Lärm freute sich natürlich kein Nachbar, ebenso wenig über Schimmel, Pilze, die durch Feuchtigkeit entstehen. Dass Ludwig van Beethoven kein angenehmer, bequemer, Mieter war, sprach sich mit der Zeit herum. Er hatte immer wieder Probleme, Quartiere zu finden – trotz seines zunehmenden Bekanntheitsgrades.
Beethoven litt sehr unter dem langsamen Gehörverlust, hoffte 1802 im Kurort Heiligenstadt vor den Toren Wiens auf Heilung. Dort entstand auch das berühmte „Heiligenstädter Testament“. In diesem Brief beschreibt der Komponist seinen Brüdern seine verzweifelte Lage, seine Ängste vor Taubheit und Isolation. Er hegte Selbstmordgedanken, machte aber weiter, wollte, wie er schrieb, die Menschen weiter an seiner Musik teilhaben lassen.
Seine ersten großen Erfolge feierte Beethoven unter anderem im Palais des Fürsten Joseph von Lobkowitz, einer seiner wichtigsten Förderer in Wien. In dem Palais, in dem jetzt das Theatermuseum untergebracht ist, wurde Beethovens dritte Sinfonie, die Eroica, zum ersten Mal aufgeführt. Das kann durch historische Belege nachgewiesen werden, sagt Thomas Trabitsch vom Theatermuseum:
„1804 ist hier eine Oper von Salieri aufgeführt worden, und anschließend an die Oper haben zwei Proben stattgefunden: die Eroica und dann das Tripelkonzert. Das kann man belegen anhand von Rechnungen, weil man da plötzlich sieht, also die Besetzung zu dieser Salieri-Oper. Und dann stand plötzlich noch drinnen, ein drittes Horn wird benötigt. Und es gibt aber nur eine Sinfonie Beethovens, wo ein drittes Horn drin ist. So konnte man darauf schließen.“
Die Eroica wie auch das Tripelkonzert, ein Konzert für Klavier, Violine Violine, -n (f.) ein Musikinstrument, das durch das Streichen von Saiten Töne hervorbringt; auch: Geige , Violoncello Violoncello, -s (n., alternativer Plural: -celli) ein Musikinstrument, das durch das Streichen von Saiten Töne hervorbringt und im Sitzen gespielt wird und Orchester, hatte Beethoven dem Fürsten von Lobkowitz gewidmet. Die Uraufführung Uraufführung, -en (f.) die erste Aufführung eines musikalischen Werks oder Theaterstücks vor Publikum fand daher in privatem Rahmen im Juni 1804 statt, die öffentliche fast ein Jahr später. Als Beweis dafür wird die Rechnung für die Orchesterbesetzung gesehen. Denn dort tauchen drei Hörner auf. Diese Metallblasinstrumente gibt es nur in der dritten Sinfonie – eine revolutionäre Neuerung, die die Leute bis dahin nicht kannten, so Thomas Trabitsch:
„Es gibt Zeugnisse. Und die Leute müssen ziemlich erstaunt gewesen sein, weil die Dynamik und Wucht, die grad diese Sinfonie hat, war etwas komplett Neues.“
Das Publikum war nach der ersten Aufführung nicht sonderlich begeistert. Die überwältigende Kraft, Wucht, und Dynamik war etwas, das verstörte, verwirrte. Beethovens eigentlicher Durchbruch in Wien kam laut Stephan Eisel, Bonner Politik- und Musikwissenschaftler und Vorsitzender des Vereins „Bürger für Beethoven“, im Dezember 1813 mit dem Orchesterwerk „Wellingtons Sieg“. Es war eine Anspielung auf den Sieg verbündeter Truppen unter dem Oberbefehl des britischen Feldmarschalls Wellington über die französischen Truppen:
„Das war damals eine sehr populäre Angelegenheit. Und dann bekam er einen immer höheren Bekanntheitsgrad. Seine Musik faszinierte immer mehr, sie verstörte auch, weil er Musik schrieb, die die Leute auch für verstörend hielten. Und er war schon zu Lebzeiten so ’ne Legende geworden, hatte so ’n Mythos geschaffen um sich. Und das kam dann bei der Beerdigung, wo viele Tausend Leute hingegangen sind, zum Ausdruck.“
Am 26. März 1827 starb Ludwig van Beethoven in Wien im Alter von 56 Jahren. Sein Begräbnis auf dem Währinger Friedhof im Nordwesten der Stadt war ein nationales Ereignis, berichtet Touristenführerin Gabriele Saeidi:
„Relativ prunkvoll. Er war damals schon sehr beliebt, und rund 20.000 Leute sollen ihn auf dem letzten Weg begleitet haben.“
Etwa 20.000 Menschen und 200 Kutschen sollen dem feierlichen Leichenzug gefolgt sein, in den Fenstern standen Leute und schauten dem Trauerzug zu. Am Friedhofseingang wurde eine vom Schriftsteller Franz Grillparzer verfasste Grabrede verlesen. 1888 wurden Beethovens Gebeine in ein Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof umgebettet. Laut der Friedhofsverwaltung zählt es dort zu den am meisten besuchten Gräbern.
Auf Beethovens Spuren in Wien
an jemandem/etwas hängen — eine sehr enge Beziehung zu jemandem/etwas haben; jemand/etwas sehr mögen
Wiener Klassik (f., nur Singular) — eine besondere musikalische Stilrichtung (etwa von 1780 bis 1827), die sich u. a. durch singbare Melodien, Sinfonien und Konzerte auszeichnete
Kurfürst, -en (m.) — eine frühere Bezeichnung für eine adlige Person, die im Mittelalter den König wählen durfte
Mäzen, -e/Mäzenin, -nen — eine vermögende Person, die andere Personen (z. B. Künstler, Sportler) oder einen bestimmten Bereich (z. B. Kunst, Sport) finanziell unterstützt und fördert
Kapellmeister, -/Kapellmeisterin, -nen — der musikalische Leiter/die musikalische Leiterin eines Orchesters oder Chors
Gönner, -/Gönnerin, -nen — eine reiche Person, die andere Menschen mit Geld unterstützt und fördert
rastlos — so, dass jemand unruhig ist, sich keine Pause gönnt
Taubheit (f., nur Singular) — die Tatsache, dass man nicht mehr hören kann
Violine, -n (f.) — ein Musikinstrument, das durch das Streichen von Saiten Töne hervorbringt; auch: Geige
Violoncello, -s (n., alternativer Plural: -celli) — ein Musikinstrument, das durch das Streichen von Saiten Töne hervorbringt und im Sitzen gespielt wird
Uraufführung, -en (f.) — die erste Aufführung eines musikalischen Werks oder Theaterstücks vor Publikum