Auch Genies schauen Glotze: Picasso sah fern!
Das blieb nicht ohne Folgen für seine Malerei. Welche Sendungen Picasso besonders mochte, ob das Fernsehen seine Werke "kontaminierte", das erzählt eine Ausstellung im Picasso-Museum in Münster.
Wie das Fernsehen ins Wohnzimmer von Picasso kam
Seine Frau Jacqueline soll 1962 das TV-Gerät ins Haus gebracht haben. Damit es sie zerstreue, wenn der Meister beschäftigt ist. Anfangs habe er nicht viel für das Fernsehen übrig gehabt. Es dauerte eine Weile, ehe der große Maler für das neue Medium entflammte.
Inspiration durch die Röhre
Das Fernsehen löst einen wahren Schaffensfuror aus: innerhalb von nur sieben Monaten kreiert Picasso 347 Radierungen und Grafiken. Die Werke der sogenannten "Suite 347" sind meistens wie das Fernsehbild im 4:3-Format, in schwarz-weiß, manchmal auch umgekehrt in weiß-schwarz, sozusagen als Zeichen dafür, dass Picasso das spiegelte, was er sah.
Picassos TV-Konsum
… hat die Kuratorin Laurence Madeline, Direktorin des MAH in Genf, akribisch analysiert. Sie ist in die Archive des französischen Fernsehens hinabgetaucht, um zu recherchieren, welche TV-Sendungen zu welchen Werken passen. So kommen Picassos Fernsehgewohnheiten ans Licht: zum Beispiel die Affinität zu Sandalenfilmen.
Zappen mit Picasso
So ist der Blick auf die Bilder ein Blick durchs Schlüsselloch in Picassos Wohnzimmer: Ja, was schaut er denn? Zum Beispiel Musketiere und Mantel- und Degenfilme. Und Catchen. Enkelsohn Bernard Ruiz-Picasso muss mucksmäuschenstill sein, wenn sonntags um vier "Catch à quatre" läuft.
Und immer wieder Akrobaten
Das französische Fernsehen zeigte regelmäßig eine Zirkus-Sendung. Schon in seiner frühen Schaffensperiode malt Picasso Zirkus-Motive. Damals ist der Zirkus ein trister Ort, die Artisten fristen ein armseliges Dasein. Jetzt ist der Zirkus ein heiterer Ort.
Der Betrachter als Voyeur
Picasso bildet das Fernsehbild nicht 1:1 ab, sondern lässt sich von dem neuen Medium inspirieren. Die Zirkusmotive zeigen immer wieder Augen. Denn für den Künstler ist der Zirkus nicht nur ein Ort der Spektakel und Sensationen, sondern auch ein Ort, der voyeuristische Triebe bedient.
Interview mit Picasso
Anläßlich seines 85. Geburtstags gibt Picasso 1966 sein erstes und einziges Interview. Darin erzählt er: Sein erstes TV-Erlebnis sei die Hochzeit von Prinzessin Margaret 1960 gewesen. Er habe sich extra ein Fernsehgerät geliehen, um diese erste, vom Fernsehen übertragene königliche Vermählung verfolgen zu können.
De Gaulle als Witzfigur
Das Fernsehen erlaubt, die Ereignisse vom Frühjahr 1968 hautnah mitzuverfolgen: Frankreich befindet sich im Ausnahmezustand. Auf die Studentenunruhen folgt ein wochenlanger Generalstreik. Demonstranten fordern den Rücktritt de Gaulles. Was Picasso von ihm hält? Nicht viel.
Mit einem Augenzwinkern
Brigitte Baer war eine profunde Picasso-Expertin und kannte den Meister persönlich. Ihr zufolge sollte man die Werke der "Suite 347" bloß nicht bierernst nehmen. Von Baer stammt die Aussage: "Es sollte ein Banner über der Tür zu Ausstellung hängen mit der Aufschrift: Schlecht gelaunte Menschen müssen draußen bleiben."