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Für und wider Atomkraft

22. September 2009

Fast wäre die Atomkraft zum großen Wahlkampfthema geworden. Ihre Befürworter fordern, den Ausstieg aus der Kernenergie auszusetzen. Ihre Gegner fordern den Ausstieg und die Lösung der Endlagerfrage.

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Eine junge Frau trägt während einer Demonstration einen "Atomkraft - Nein Danke" Aufkleber auf der Stirn Foto: AP
Bild: AP

Sie sind wieder da, die Sonnenblumen der Anti-Atombewegung der 1980er-Jahre - und mit ihnen die erneute Forderung nach dem endgültigen Ausstieg aus der Kernenergie. Anfang September protestierten in Berlin 50.000 Menschen gegen die Nutzung der Atomkraft und gegen unsichere Endlager für atomaren Müll. Zündstoff bekam diese Demonstration durch eine beispiellose Pannenserie beim Kernkraftwerk Krümmel in Schleswig-Holstein und durch die nach wie vor ungeklärte Entsorgungsfrage für den Atommüll.

Neue Regierung - neue Atompolitik?

Ansicht des Kernkraftwerks Kruemmel des schwedischen Betreibers Vattenfall (Foto: AP)
Das Kernkraftwerk Krümmel in Schleswig-HolsteinBild: AP

Parallel dazu wächst aber auch die Sorge, dass nach der Bundestagswahl eine schwarz-gelbe Regierung den im Jahr 2000 zwischen der rot-grünen Regierung und der Industrie ausgehandelten Atomkonsens aufkündigen und neue Kraftwerke bauen könnte. Bundeskanzlerin Angela Merkel bestritt, dass es solche Pläne gebe. Bei ihrem Auftritt vor der Bundespressekonferenz in Berlin am 18. August sagte sie, sie kenne niemanden in der Union, der sich mit dem Gedanken trage, neue Kernkraftwerke zu bauen. "Solche Gedanken habe ich nicht, kenne ich nicht, will ich nicht, nein."

Längere Laufzeiten für die bestehenden Atommeiler sind jedoch nach einem Regierungswechsel hin zu einer Koalition aus Union und FDP durchaus möglich. Sie halte an der Atomkraft als Brückentechnologie fest, bekräftigte Merkel im Wahlkampf. Das bedeutet: Bis die alternativen Energiequellen den Strombedarf in Deutschland decken können, bleibt die Atomenergie unverzichtbar.

Längere Laufzeiten für Atommeiler

Unterstützung erhält Merkel für diese Position von der Schwesterpartei CSU. Auch der bayerische Umweltminister Markus Söder plädiert für eine Verlängerung der Laufzeiten um acht bis zehn Jahre. Dies bedeute eine Einsparung von einer Milliarde Tonnen Kohlendioxid (CO2) und komme somit auch dem Klima zugute, erklärte Söder in einer Wahlsendung des ZDF.

Diese Rechnung geht nicht auf, konterte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel. Dem Klima helfe letztendlich nur der Umstieg auf regenerative Energien. Für den sauberen Strom aus Wind, Sonne, Wasser und Erdwärme müsse aber Platz im Stromnetz geschaffen werden. Je mehr Atomkraftwerke abgeschaltet würden, desto mehr alternative Kraftwerke könnten entstehen und ihren Strom in die Netze einspeisen. Und in der Auseinandersetzung um Kernenergie gehe es nicht nur um Klimapolitik und Energiepolitik, so Gabriel, sondern auch um Arbeitsplätze. Denn bei den regenerativen Energien könnten Hunderttausende neuer Arbeitsplätze entstehen.

Wohin mit dem Müll?

Gelber Fässer mit dem Zeichen für Radioaktivität stehen neben einem Hinweisschild zur Schachtanlage Asse II in Remlingen bei Wolfenbüttel (Foto: AP)
Schachtanlage Asse II in Remlingen bei WolfenbüttelBild: AP

Hinzu kommt die ungelöste Endlagerfrage. Wohin mit dem Atommüll? Das Gesetz sieht vor, dass die strahlenden Abfälle für eine Million Jahre sicher eingelagert werden müssen. Doch das Endlager Asse, in dem mindestens 28 Kilogramm hochgiftiges Plutonium liegen, droht einzustürzen. In das ehemalige Salzbergwerk dringt Wasser ein. 126.000 Fässer mit radioaktiven und anderen giftigen Abfällen müssten entweder geborgen oder in Beton gegossen werden, um eine Katastrophe zu verhindern.

Auch der Salzstock Gorleben in Niedersachsen, der als Endlager vorgesehen war, scheint plötzlich keine Option mehr zu sein. Denn kürzlich tauchten Dokumente auf, die belegen, dass der Standort in den späten 70er und frühen 80er-Jahren aus politischen Gründen gewählt wurde - gegen den Widerstand von Wissenschaftlern, die auch andere Standorte erkunden wollten. Für Bundesumweltminister Gabriel kommt Gorleben als atomares Endlager nicht mehr in Frage. Der Standort Gorleben sei tot, sagte er kürzlich.

CDU/CSU und FDP dagegen wollen die Erkundung des Salzstocks, die von der rot-grünen Regierung für zehn Jahre ausgesetzt worden war, wieder aufnehmen.

Untersuchungsausschuss gefordert

Ein Bergmann kontrolliert im Bergwerk Asse einen Bohrkopf - die Luft ist voller Salzstaub (Foto: DPA)
In einem Versorgungsgang im Bergwerk Asse IIBild: picture-alliance/ dpa

Die Grünen halten von diesem Vorhaben gar nichts - im Gegenteil. Sie fordern einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der klären soll, unter welchen Umständen die Entscheidung für Gorleben als Endlager gefällt wurde. Auch die Asse und das Atomendlager Morsleben sollen in einem solchen Untersuchungsausschuss zur Sprache kommen.

Spitzenkandidatin Renate Künast fordert darüber hinaus neue Sicherheitsstandards für Atomkraftwerke. Diese müssten im Bundesanzeiger veröffentlicht werden, um ihre Anwendung für die Betreiber der Kraftwerke verbindlich zu machen, sagte sie vor der Bundespressekonferenz. Mit der SPD und Umweltminister Gabriel sei das jedoch nicht möglich.

Die Grünen befürchten, dass eine Regierungsbildung, bei der sie nicht beteiligt sind, den Befürwortern der Atomkraft neuen Auftrieb geben könnte.

Autorin: Bettina Marx

Redaktion: Kay-Alexander Scholz