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Nur eine kleine Verschnaufpause

1. September 2015

Bedingt durch die Sommerpause stieg im August die Zahl der Arbeitslosen. Allerdings ist der Wert immer noch so niedrig wie seit fast einem Vierteljahrhundert nicht mehr. Unternehmen könnten von Flüchtlingen profitieren.

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Arbeitsmarkt Deutschland
Bild: picture-alliance/dpa/Jan Woitas

Der Jobmarkt in Deutschland hält sich auch in den traditionell schwächeren Sommermonaten gut. Die Zahl der Arbeitslosen stieg zwar im August um 23.000 auf 2,796 Millionen. Dies waren nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) allerdings 106.000 weniger als vor einem Jahr. Zudem war es der niedrigste August-Wert seit 1991. Die Arbeitslosenquote stieg minimal auf 6,4 von 6,3 Prozent.

"Hauptursache ist die anhaltende Sommerpause", erklärte die BA. Vor allem junge Menschen beendeten ihre betriebliche oder schulische Ausbildung und suchten anschließend eine Stelle. "Der Arbeitsmarkt entwickelt sich weiterhin günstig", sagte BA-Chef Frank-Jürgen Weise am Dienstag in Nürnberg. Das Beschäftigungswachstum setzte sich fort.

Klammert man die jahreszeitlichen Schwankungen aus, fiel die Zahl der Arbeitslosen im August. Saisonbereinigt gab es 7.000 weniger Erwerbslose als im Juli. Banken-Volkswirte hatten nur einen Rückgang um 2.000 erwartet.

Eine Chance für Flüchtlinge

Die wachsende Zahl von Asylbewerbern sieht KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner als Chance für den deutschen Arbeitsmarkt. "Angesichts der demografischen Entwicklung kann die deutsche Wirtschaft jede zugewanderte Fachkraft gut gebrauchen." Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles forderte, die anhaltende Nachfrage der Wirtschaft nach Personal zu nutzen, "um auch den rechtmäßig zu uns kommenden Flüchtlingen eine Chance auf ein besseres Leben in Deutschland zu eröffnen". Ziel müsse sein, diese Menschen in eine "ordentliche Arbeit" zu vermitteln. Dies sei für die BA eine große Aufgabe, die man aber meistern werde.

Betriebe, die Migranten aufnehmen, sollten nach Worten von Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer massiv unterstützt werden. "Die Beschäftigung von Flüchtlingen ist kein Selbstläufer, sondern auch für engagierte Unternehmen eine extrem schwierige Aufgabe."

Vorrangprüfung könnte ausgesetzt werden

Nahles rechnet für 2016 mit Mehrkosten in Milliardenhöhe durch Hilfen für Flüchtlinge. Nötig seien unter anderem soziale Leistungen, Sprachkurse und Hilfen zur Aufnahme einer Arbeit, sagte die SPD-Politikerin. "Für all diese Maßnahmen zusammen ergibt sich im Jahr 2016 ein zusätzlicher Mittelbedarf in der Bandbreite von 1,8 bis zu 3,3 Milliarden Euro."

Asylbewerber sollen nach einem Vorschlag der Bundesagentur für Arbeit künftig auch ohne die sogenannte Vorrangprüfung in Deutschland arbeiten dürfen. Die Regelung, die bisher Deutsche und EU-Bürger bei der Vergabe von Jobs gegenüber Asylsuchenden bevorzugt, solle für zwei Jahre ausgesetzt werden, schlug BA-Chef Frank-Jürgen Weise am Dienstag in Nürnberg vor. Einen entsprechenden Vorstoß habe er am Montag mit dem Bundesinnenministerium erörtert.

"Ich erwarte, dass im Laufe des Septembers Rahmenbedingungen für die Beschäftigung von Asylbewerbern geschaffen werden", sagte Weise. Er begründete seinen Vorschlag mit der guten Arbeitsmarktsituation und der Vielzahl offener Stellen. Bei der Vorrangprüfung wird ermittelt, ob sich nicht auch ein geeigneter Kandidat mit deutschem oder EU-Pass für eine Stelle findet, auf die sich ein Asylbewerber bewirbt. Erst nach 15 Monaten Aufenthalt in Deutschland fällt diese Prüfung weg.

Einschätzung der Volkswirte

Bei einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur unter Arbeitsmarktexperten deutscher Großbanken halten die Volkswirte die Lage am deutschen Arbeitsmarkt insgesamt für gut. Ihr Ausblick fällt dagegen etwas skeptischer aus. Die traditionelle Sommerflaute auf dem Arbeitsmarkt hat die Zahl der Arbeitslosen nach ihrer Einschätzung im August auf 2,8 Millionen steigen lassen. Das sind rund 30.000 mehr als im Juli, aber rund 100.000 weniger als im Jahr davor. Die Experten berufen sich dabei auf eigene Berechnungen.

Angesichts der wachsenden Verunsicherung vieler Unternehmen wegen der globalen Krisen, aber auch als Folge des Mindestlohns rechnen Volkswirte für das zweite Halbjahr 2015 mit einer Abschwächung auf dem Arbeitsmarkt. Vergleichsweise gelassen beurteilen die meisten Experten die aktuelle Schwäche der chinesischen Wirtschaft. Trotz der Turbulenzen in China verzeichneten die deutschen Unternehmen kräftige Auftragseingänge aus dem Ausland, betonte Allianz-Volkswirt Rolf Schneider. Der niedrige Euro begünstige deutsche Exporte. Die US-Wirtschaft laufe wieder rund und auch die Exporte in EU-Länder zögen wieder an. Die Finanzmärkte würden wegen China derzeit etwas überreagieren, meinten mehrere Vertreter großer Geldinstitute.

Symbolbild Arbeitsmarkt, Foto: Julian Stratenschulte
Sommer, Sonne, Ferien - viele Betriebe stellen erst nach der Sommerpause wieder ein.Bild: picture-alliance/dpa

Blick nach Europa

Im Euroraum ist die Arbeitslosigkeit auf den niedrigsten Stand seit Februar 2012 gesunken. In den 19 Ländern mit der Gemeinschaftswährung ging die Quote nach den aktuellen Vergleichszahlen von 11,1 Prozent im Juni auf 10,9 Prozent im Juli zurück. Damit blieb sie erstmals seit Februar 2012 unter der Elf-Prozent-Marke. Die Zahl der Menschen ohne Job verringerte sich um 213.000 auf 17,5 Millionen, wie das Europäische Statistikamt Eurostat am Dienstag in Luxemburg mitteilte.

Im Vergleich zum Vorjahresmonat sank die Zahl der Arbeitslosen sogar um rund 1,1 Millionen Menschen. Den höchsten Wert meldete erneut Griechenland mit 25 Prozent. Die dortigen Behörden lieferten allerdings nur die Mai-Zahlen. Nach Griechenland folgt Spanien mit 22,2 Prozent. Die anteilig wenigsten Arbeitslosen verzeichnen Deutschland und Tschechien.

Die Industrie in der Euro-Zone stellt angesichts eines soliden Wachstums so viele neue Mitarbeiter ein wie seit Jahren nicht mehr. "Die Beschäftigung legte im August so zügig zu wie zuletzt vor vier Jahren", sagte Markit-Ökonom Rob Dobson am Dienstag zu der Umfrage seines Instituts unter 3000 Unternehmen. Hauptgrund dafür: Die Geschäfte ziehen trotz wachsender Sorge um den wichtigen Absatzmarkt China an. Der Einkaufsmanagerindex fiel zwar im Vergleich zum Vormonat leicht um 0,1 auf 52,3 Punkte, doch hielt sich das Barometer damit erneut deutlich über der Wachstumsschwelle von 50 Zählern.

iw/wen (dpa, rtr)