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Politik

Arbeitgeber stützen Merkels Flüchtlingspolitik

Ralf Bosen | Rupert Wiederwald
14. Dezember 2018

Die Integration von Flüchtlingen auf dem Arbeitsmarkt läuft nach Arbeitgeber-Angaben besser als erwartet. Hat Merkel mit ihrem kritisierten Satz "Wir schaffen das" Recht behalten?

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Deutschland Abdulraham Alabsi aus Syrien | Auszubildender bei Heraeus
Bild: picture-alliance/dpa/D. Kögel

Es ist der 31. August 2015: Deutschland schwitzt bei Sommertemperaturen von teilweise mehr als dreißig Grad. Mindestens ebenso erhitzt sind die Gemüter der Bundesbürger. Die Flüchtlingsfrage bestimmt die emotional geführten Diskussionen in Politik, Familien und an den Stammtischen. Wenige Tage zuvor hatte das Bundesinnenministerium angekündigt, dass in laufendem Jahr mit 800.000 Hilfesuchenden zu rechnen sei. Bundeskanzlerin Merkel muss reagieren. Und so referiert sie vor den Hauptstadt-Journalisten in der Bundespressekonferenz über die gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen der deutschen Flüchtlingspolitik.

Schließlich sagt sie den Satz, der wie kaum ein anderer mit ihrer Kanzlerschaft verbunden wird: "Wir schaffen das." Doch diese drei Worte, die Deutschland aufmuntern sollen, spalten das Land. Merkels Anhänger jubeln; ihre Kritiker schimpfen lauthals. Sie werfen ihr vor, keinen Plan zu haben, wie Deutschland das genau schaffen soll. Viele Deutsche, auch CDU-Wähler, wenden sich von Merkel ab, während die rechtspopulistische AfD Stimmengewinne feiert. Jetzt, nach etwas mehr als drei Jahren, bekommt die politisch angeschlagene Kanzlerin wichtigen Rückenwind.

400.000 Flüchtlinge in Arbeit

Denn entgegen allen Unkenrufen funktioniert die Integration von Flüchtlingen auf dem Arbeitsmarkt besser als angenommen. Der Präsident der Deutschen Arbeitgeber, Ingo Kramer, erklärte der Augsburger Allgemeinen Zeitung, von mehr als einer Million Menschen, die vor allem seit 2015 nach Deutschland gekommen seien, "haben heute bald 400.000 einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz." Die meisten jungen Migranten könnten nach einem Jahr Unterricht so gut Deutsch, dass sie dem Berufsschulunterricht folgen könnten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel vor der Bundespressekonferenz Berlin 31 08 2015
Angela Merkel versucht mit ihrem Satz "Wir schaffen das" die Deutschen für ihre Flüchtlingspolitik zu motivierenBild: Imago/photothek/T. Imo

Die Mehrzahl der erwerbstätigen Flüchtlinge sind nach den Worten Kramers sozialversicherungspflichtig beschäftigt und damit integriert. "Viele Migranten sind eine Stütze der deutschen Wirtschaft geworden", führt der Arbeitgeberpräsident aus und fordert dann, dass Deutschland keine Angst vor Zuwanderung haben dürfe, sondern "die Menschen, die zu uns kommen und hier arbeiten, als Bereicherung sehen" müsse. Bundeskanzlerin Merkel habe mit ihrem Satz "Wir schaffen das" Recht behalten, urteilt Kramer.

Heftige Kritik der AfD

Das sieht die rechtspopulistische AfD erwartungsgemäß ganz anders. "Ich staune, in welcher Parallelwelt der Arbeitgeberpräsident lebt", sagt Alexander Gauland der DW. Die Kritik des Fraktionschefs der stärksten Oppositionskraft im Bundestag fällt großkalibrig aus. Die führenden Wirtschaftsfunktionäre seien selten dort zu Hause, wo den Menschen der Schuh drücke, führt Gauland aus. Kramer lese wahrscheinlich nichts von Messerattacken und Vergewaltigungen. Das finde bei ihm nicht statt. "Aber nur, wenn man das alles ausblendet, was man wahrscheinlich als Arbeitgeberpräsident kann, dann kann man zu so einem unsinnigen Ergebnis kommen", schimpft Gauland.

Deutschland BDA Deutscher Arbeitgebertag in Berlin
Arbeitgeber-Präsident Kramer sieht Flüchtlinge als Bereicherung für den ArbeitsmarktBild: Getty Images/AFP/T. Schwarz

Die Erfolge betont dagegen Peter Weiß, der für die CDU im Ausschuss für Arbeit und Soziales sitzt. Leider werde in der Öffentlichkeit nur darüber berichtet, "welche Flüchtlinge uns Ärger bereiten und die wir loswerden wollen. Und nicht über die Erfolge." Dazu zähle, dass knapp 400.000 Flüchtlinge Arbeit gefunden hätten, obwohl sie "kaum bis gar kein Deutsch gekonnt haben" und die keine klassische deutsche Berufsqualifikation hätten, betont Weiß gegenüber der DW.

Bereicherung für Deutschland

Ähnlich äußert sich sein Parteikollege, der Innenpolitik-Experte Mathias Middelberg. Allerdings müsse man auch ehrlich sagen, dass die Bilanz zwei Seiten habe, sagt er einschränkend. "Wir haben noch sehr viele Menschen, die in Arbeitslosigkeit sind, die Hartz-IV-Bezieher sind. Da werden wir weiter hart daran arbeiten müssen." Die SPD-Expertin für Arbeit und Soziales, Katja Mast, sieht eine wichtige Botschaft darin, "dass alle Menschen die hier Leben und Arbeiten eine Bereicherung für uns sind." Diejenigen, die Hilfe dabei brauchten in Arbeit zu kommen, bekämen sie. "Ganz gleich ob sie Migrationshintergrund haben oder keinen", hebt Mast hervor.

Deutschland, Berlin - Bundestag - Alexander Gauland, Fraktionsvorsitzender der AfD, bei der Generaldebatte im Deutschen Bundestag
AfD-Chef Gauland kritisiert den Arbeitgeberpräsidenten scharfBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Das weitgehend positive Resümee in der Politik und des Arbeitgeberpräsidenten zur Arbeitsmarkt-Integration steht im Einklang mit Angaben der Bundesagentur für Arbeit. Bereits vor rund vier Monaten hatte sie eine Trendwende angedeutet. Ende August teilte sie mit, dass immer mehr Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen würden. BA-Präsident Detlef Scheele sprach in seiner positiven Zwischenbilanz von Erwartungen, die übertroffen worden seien.

Keine Schwarzmalerei für Arbeitsmarkt

Demnach hatten im vergangenen Mai mehr als 300.000 Menschen aus den acht Hauptherkunftsländern einen Job - und damit rund 100.000 mehr als im Vorjahresmonat. Zu den Hauptherkunftsländern gehören Syrien, Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan und Somalia. Die Flüchtlingssituation auf dem Arbeitsmarkt gebe keine Veranlassung, schwarz zu malen, betonte Scheele. Auch in Bezug auf die Ausbildungszahlen machte er Hoffnung. Knapp 30.000 junge Flüchtlinge haben laut BA inzwischen eine Lehre angefangen. Seit Anfang Oktober 2017 haben sich rund 35.000 als Bewerber um einen Ausbildungsplatz bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet.

Infografik Zuwachs an Beschäftigten aus den Krisenländern DE

Die weitgehende Unterstützung aus Wirtschaft und Politik wird Balsam für die Politiker-Seele von Bundeskanzlerin Merkel sein. Ausruhen wird sie sich angesichts der anhaltend angespannten politischen Lage aber nicht können. Schließlich muss sich der positive Trend für Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt erstmal festigen.

Ralf Bosen, Redakteur
Ralf Bosen Autor und Redakteur