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Reise

Arabische Touristen in der Schweiz

1. August 2017

Die Schweiz steht bei muslimischen Reisenden hoch im Kurs trotz Minarettverbot und Burka-Debatte. Hotelerie und Gastronomie haben sich auf die Wünsche und Gewohnheiten ihrer Gäste eingestellt.

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Schweiz Bern - See
Bild: picture-alliance/prisma/C. Sonderegger

"Halal Barbecue Cruise" steht auf einem Info-Schild an Bord des Schiffs, das muslimische Gäste zur abendlichen Grillausfahrt auf den Brienzersee einlädt. Praktisch alle Plätze sind ausgebucht. Im Bauch des Schiffs kann der Gast sich mit üppiger orientalischer Kulinarik nach den Regeln des Korans verköstigen. Freudig machen Frauen mit Burka oder Kopftuch Selfies von sich und dem tiefblauen See, während Männer an ihren Wasserpfeifen ziehen.

Schweiz Bern - Tourismus
Innenstadt von InterlakenBild: picture-alliance/prisma/C. Sonderegger

Nur wenige Orte in der Schweiz haben sich dem muslimischen Tourismus so verschrieben wie das zwischen Brienzer- und Thunersee liegende Interlaken im Herzen der Schweiz. Eine ganze "Halal-Wertschöpfungskette" hat sich hier etabliert. Aber auch andere Orte holen auf, wie zum Beispiel Luzern am Vierwaldstätter See. Viele der Touristen, die hier am Seequai Richtung Lido flanieren, kommen aus arabischen Ländern. Meist sind sie in großen Gruppen unterwegs.

Schweiz - Verschleierungsverbot
Touristinnen auf Shopping-TourBild: picture-alliance/KEYSTONE/P. Klaunzer

Die wohlhabenden Familien fallen auf: Arabische Männer mit weitgeschnittenen, cremefarbenen Hosen begleiten ihre meist tief verschleierten Frauen zu Geschäften oder teuren Restaurants. Etliche Hotels wie das "Palace" bereiten Speisen "halal", nach islamischen Speisevorschriften, zu. Auch im "Palace" freut man sich darüber, dass die Zahl arabischer Gäste seit 2000 um fast 400 Prozent gestiegen ist. Die durch den starken Franken gebeutelte Schweizer Tourismusindustrie kann diese Einnahmen gut gebrauchen.

Marokko Frau mit Niqab
Eine Frau mit NiqabBild: picture alliance/dpa/N. Seliverstova/Sputnik

Vorurteile und Verunsicherung

Nicht jeder Schweizer jedoch kann sich so leicht mit dem Anblick vollverschleierter Musliminnen anfreunden. Die Schlagzeilen über islamistischen Terror in Frankreich und Deutschland haben auch in der Schweiz Spuren hinterlassen. Im Internet fallen über Burka- oder Niqab-Trägerinnen schon mal abschätzige Worte wie "Briefkästen" und "Kohlensäcke". Bei einer Burka sind die Augen durch eine Art Stoffgitter zusätzlich verhüllt.

Schweiz - Verschleierungsverbot im Kanton Tessin in der Schweiz
Bild: picture-alliance/dpa/S. Di Nolfi

Mit der Frage konfrontiert, ob sie Ressentiments seitens der Schweizer schon einmal verspürt hat, antwortet eine Niqab-Trägerin vor dem "Palace": "No, Swiss people are very friendly." Doch die Frau aus Dubai hat aus ihrem Umfeld gehört, dass durchaus vereinzelte arabische Gäste seit dem Burka-Verbot im Kanton Tessin verunsichert seien und sie weiß auch, dass in der Schweiz ein Votum über ein landesweites Verschleierungsverbot abgehalten werden soll.

Reiseunternehmerin setzt auf Dialog

Julie Paterson kennt die arabischen Gepflogenheiten bestens. Sie wohnt jeweils sechs Monate im Jahr in Ägypten und bietet als Reiseleiterin Frauen-Reisen an. Den Sommer über lebt sie in Interlaken. Sie hat eine viel beachtete Webseite für arabische Gäste lanciert. Dort gibt esInformationen für arabische Touristen, wie man als Muslim im Berner Oberland Ferien machen kann.

Die Unternehmerin appelliert an "Toleranz, Offenheit und Bereitschaft, mit arabischen Gästen ins Gespräch zu kommen". Sie selbst habe durchwegs positive Erfahrungen mit den Gästen gemacht. Julie Paterson: "Araber sind ein sehr geselliges Volk."

Hotels gehen auf die Wünsche ihrer Gäste ein

In den meisten großen Hotels der Schweiz hat man jedoch schon längst erkannt: Mit dem Auftischen von Halal-Speisen ist es nicht getan. Die Hotelangestellten müssen sich mit der Lebensart arabischer Gäste vertraut machen. Hotels wie das "Swissotel Zürich" arbeiteten deshalb für ihre Angestellten einen "Muslime-Knigge" aus.

Schweiz - Verschleierungsverbot
In vielen Restaurants werden Halal-Speisen angebotenBild: picture-alliance/KEYSTONE/P. Klaunzer

In hauseigenen Trainings lernen die Angestellten, dass ihre Gäste geschlechtergetrennte Schwimmbäder und Wellness-Bereiche wünschen. Oder dass Araber gerne einen Teekocher im Zimmer haben. Die Angestellten erfahren im Kurs auch, dass man Musliminnen nicht lange in die Augen sehen sollte und sie es nicht mögen, von Fremden berührt zu werden. Das gut geschulte Personal vermeidet es zudem, während des Ramadan vor arabischen Gästen zu rauchen oder Alkohol zu trinken.

In den Zimmern des "Swissotel Zürich" stehen überdies arabische Fernsehsender und arabische Zeitungen zur Verfügung. Die Mitarbeiter an der Rezeption können gläubigen Gästen auch den Weg zu umliegenden Moscheen weisen.

Auch Hotels wie das "Baur au Lac", das "Park Hyatt Zürich" oder das "Radisson Blu" am Flughafen Zürich bieten heute eine breite Palette von islamkompatiblen Dienstleistungen an. Meist liegen sie an der Rezeption als Broschüre mit dem Titel "Gäste aus den Golfstaaten", die vom Unternehmerverband der Schweizer Hotellerie "Hotelleriesuisse" gemeinsam mit Schweiz Tourismus herausgegeben wurde.

Schweiz Luzern - See
Luzern am VierwaldstätterseeBild: picture-alliance/prisma/E. Stephan

Droht der Schweiz ein Imageverlust durch ein landesweites Burka-Verbot?

Welche Auswirkungen hätte ein landesweites Burka- und Niqab-Verbot für den Schweizer Tourismus? Karin Sieber, Medienbeauftragte von "Hotelleriesuisse", sagt, ihr Verband lehne ein schweizweites Verhüllungsverbot ab, "da der Imageverlust mit einem Rückgang von Besuchern aus einem der wichtigsten Wachstumsmärkte für den Tourismus einhergeht."

Bisher ist die Vollverschleierung nur im Kanton Tessin verboten. Seit 1. Juli 2016 müssen Burka- und Niqab-Trägerinnen dort 100 Franken Strafe zahlen und ihren Schleier ablegen. Als Höchststrafe, vor allem für Wiederholungstäterinnen, können bis zu 10.000 Franken fällig werden.

Schweiz - Verschleierungsverbot
Im Tessin ist das Tragen von Niqab und Burka nicht erlaubtBild: picture-alliance/dpa/KEYSTONE/P. Gianinazzi

Bis zum 15. September 2017 müssen die Befürworter eines nationalen Verschleierungsverbotes 100.000 Unterschriften gesammelt haben, damit zu dieser Frage ein Volksentscheid abgehalten werden kann.

is/ks (kna)