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Angriffe auf Kunstwerke: Was sind die Folgen?

Philipp Jedicke mit dpa und AFP
25. Oktober 2022

Klimaaktivistinnen und -aktivisten haben mehrere Kunstwerke attackiert. Mit ihren Aktionen möchten sie Politiker dazu bringen, mehr gegen den Klimawandel zu tun. Die Museen erhöhen nun ihre Sicherheitsvorkehrungen.

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Eine Aktivistin und ein Aktivist knien vor einem Gemälde von Claude Monet, von dem Kartoffelbrei tropft
Die Aktion der Klima-Protestgruppe in PotsdamBild: Last Generation/ABACA/picture alliance

Tomatensuppe auf einem Meisterwerk von Vincent van Gogh? Bob Geldof versteht das. Der irische Rocksänger und Live Aid-Initiator, selbst sein Leben lang Aktivist, sagte in einem Interview mit dem Sender Radio Times nach dem Tomatensuppen-Wurf zweier Klima-Aktivistinnen auf das berühmte Gemälde "Sonnenblumen" von Vincent van Gogh in London: "Die Klimaaktivistinnen haben zu 1000 Prozent Recht. Und ich unterstütze sie zu 1000 Prozent."

Das Gemälde selbst wurde bei der Attacke nämlich nicht beschädigt, lediglich sein Rahmen. Den Frauen wird deshalb Sachbeschädigung vorgeworfen. Es sei "clever" gewesen, das Bild in dem Wissen zu bewerfen, dass es mit einer Glasscheibe geschützt ist, so Geldof. Reine Zerstörung würde nichts bringen. Aber so sei die Attacke auf das Bild lediglich lästig gewesen, und "lästig ist gut". Abschließend ordnete der Sänger vergleichbare Aktionen von Klima-Protestgruppen wie folgt ein: "Sie bringen niemanden um. Der Klimawandel schon."

Ganz anders sieht die Sachlage der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). "Ich finde es nicht gut, wenn man Kulturgüter attackiert", sagte Ottmar Edenhofer am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur in Potsdam. "Das widerspricht dem, was man eigentlich will: Wir wollen den Planeten bewahren. Und zur Bewahrung gehört auch die Kultur und unser kulturelles Erbe." Und er fügte hinzu: "Man sollte nicht mit solchen widersprüchlichen Aktionen unterminieren, wofür man einstehen will." Ambitionierter Klimaschutz müsse sich im demokratischen Prozessen durchsetzen und bewähren. "Wir müssen dafür kämpfen und arbeiten, das ist kein Selbstläufer."

Ähnliche Aktion in Deutschland

In der National Gallery in London waren es zwei Aktivistinnen der Organisation "Just Stop Oil", die am 14. Oktober den van Gogh mit dem Doseninhalt bewarfen. Sie stellten dabei die Frage: "Was ist mehr wert, Kunst oder Leben?" Kurz darauf bewarfen ein Aktivist und eine Aktivistin der Klimaschutz-Protestgruppe "Letzte Generation" ein Gemälde des französischen Impressionisten Claude Monet im Potsdamer Museum Barberini mit Kartoffelbrei. Auch der Monet lag geschützt hinter einer Glasscheibe, der historische Rahmen des Bildes wurde jedoch stark beschädigt und muss restauriert werden. Die Polizei ermittelt laut einer Sprecherin gegen zwei Beschuldigte wegen Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch.

Die Attacke löste große Empörung in der Kunstwelt aus. Der Deutsche Museumsbund (DMB) ließ mitteilen: "Wir werden von den Klimaaktivisten instrumentalisiert, um Aufmerksamkeit zu erregen - auf Kosten des Kulturguts." Der Museumsgründer und Kunstmäzen Hasso Plattner, dessen Stiftung das Museum Barberini betreibt, betonte in einem Interview mit den "Potsdamer Neuesten Nachrichten" die Gefahr, dass es in Zukunft "schwerer bis unmöglich" werde, für Ausstellungen im Museum Barberini Leihgeber zu finden.

Taschenkontrollen und Glasscheiben

Die erste Reaktion des Museums, neben der Kontaktierung der Leihgeber der aktuellen Ausstellung, war die Erhöhung der Sicherheitsmaßnahmen. So wurden schon am Tag nach der Attacke Taschen kontrolliert. "Der Übergriff auf ein Werk der Sammlung Hasso Plattner ebenso wie vorangegangene Attacken auf Kunstwerke, unter anderem in der National Gallery in London, haben gezeigt, dass die hohen internationalen Sicherheitsstandards zum Schutz der Kunstwerke bei aktivistischen Übergriffen nicht ausreichen und angepasst werden müssen", teilte Barberini-Direktorin Ortrud Westheider am Montagabend mit.

Zwei junge Frauen knien vor einem Gemälde mit Sonnenblumen, von dem Tomatensaft tropft
Die Aktivistinnen von "Just Stop Oil" in der National GalleryBild: Just Stop Oil/PA/dpa/picture alliance

Auch andere Museen reagieren auf die Attacken. Eine Sprecherin der Stadt Köln teilte der DW auf Anfrage mit: "Die Museen der Stadt Köln sind durch die Anschläge gewarnt und werden mit besonderer Aufmerksamkeit darauf reagieren." Das Kölner Museum Ludwig schrieb: "Eine 100-prozentige Sicherheit gibt es nicht, aber wir werden auch weiterhin Kunstwerke für wichtige Ausstellungen ausleihen und gehen davon aus, dass uns ebenfalls Leihgaben zur Verfügung gestellt werden." Der Sicherheitsexperte des DMB und der Hasso Plattner-Stiftung, Remigiusz Plath, empfiehlt, wertvolle Kunstwerke in Glas einzufassen und den Einsatz von mehr Personal. Doch große Formate hinter Glas seien gar nicht möglich. Da könne höchstens eine Glasscheibe vor das Gemälde gehängt werden. "Und diese Maßnahmen kosten ebenso wie mehr Personal viel Geld - und das können sich nicht alle Museen leisten", so Platz. Hundertprozentige Sicherheit habe man nur dann, wenn sich das Werk im Keller im Depot befinde.

Die Wahl der Waffen

Warum werden in den letzten Monaten ausgerechnet immer wieder Kunstwerke zum Ziel von Klima-Protestorganisationen? Auf der Website der Gruppe "Letzte Generation" ordnet Aimée von Baalen, Sprecherin der Organisation, die Attacke auf das Gemälde von Monet wie folgt ein: "Monet liebte die Natur und hielt ihre einzigartige und fragile Schönheit in seinen Werken fest. Wie kann es sein, dass so viele mehr Angst davor haben, dass eines dieser Abbilder der Wirklichkeit Schaden nimmt, als vor der Zerstörung unserer Welt selbst, deren Zauber Monet so sehr bewunderte?" Und sie fügt hinzu: "Zur Bewunderung der Kunst wird keine Zeit mehr sein, wenn wir uns um Nahrung und Wasser bekriegen!"

Bereits Ende August hatten sich zwei junge Frauen in der Berliner Gemäldegalerie am Rahmen des Gemäldes "Ruhe auf der Flucht nach Ägypten" von Lucas Cranach dem Älteren festgeklebt und hielten dabei ein Plakat der Initiative vor sich. Ähnliche Aktionen von Klimaschutz-Aktivistinnen und -aktivisten hat es zuvor auch im Frankfurter Städel und in der Dresdner Gemäldegalerie gegeben. Die Gruppe "Letzte Generation" machte vorher vor allem mit Blockaden von Autobahnen und Kreuzungen von sich reden.