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Politik

"Ich werde mich nicht einschüchtern lassen!"

Dirke Köpp
20. Januar 2020

Bei einer Demonstration von Rechtsextremen in Athen ist der freie DW-Korrespondent Thomas Jacobi von Neonazis angegriffen und verletzt worden. Im Interview schildert Jacobi die Geschehnisse.

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DW Journalist Thomas Jacobi nach der Prügelattacke in Athen
Thomas Jacobi, freier Korrespondent der DW in Athen, nach dem Angriff am SonntagBild: AFP/L. Gouliamaki

DW: Wie geht es Ihnen nach dem Angriff auf Sie am Sonntag (19.01.2020) auf der Demonstration von Neonazis in Athen?

Thomas Jacobi: Ich habe ein blaues Auge, eine verschrammte Nase und auch immer noch Kopfschmerzen. Aber ansonsten bin ich auf dem Wege der Besserung. Ich habe Anzeige erstattet und war bei einem Gerichtsmediziner, der alle Verletzungen dokumentiert hat. Die neue Regierung will wohl zeigen, dass sie den Fall ernst nimmt. Das wäre schön!

Was ist genau passiert?

Meine Kollegin Angélique Kourounis und ich als Co-Autor haben vor einigen Jahren den Dokumentarfilm "Goldene Morgenröte, eine persönliche Angelegenheit" gedreht, über die griechische Neonazi-Partei Chrysi Avg, auf Deutsch eben Goldene Morgenröte. Seit drei Jahren arbeiten wir an der Fortsetzung: "Goldene Morgenröte: Was nun?". Es war die erste Demo von Rechtsextremen nach der Forderung der Staatsanwältin, die Politiker, die in den Mord an dem Rappers Pavlos Fyssos verwickelt sind, freizusprechen.

[Der Rapper Pavlos Fyssos war 2013 von einem Anhänger der Goldenen Morgenröte vor einer Bar erstochen worden. Außer Parteichef Michaloliakos stehen noch fast 70 weitere Angeklagte vor Gericht, denen neben der Ermordung des Rappers noch andere Gewalttaten und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zur Last gelegt werden. Anm. d. Red.]

Am Sonntag wollten die Rechtsextremen zum ersten Mal seit dieser Forderung der Staatsanwältin wieder demonstrieren. Und da wollte ich mir ein Bild machen. Ich hatte auch gedacht, dass ich mit so viel Polizei vor Ort meine Arbeit machen könnte.

Es war eine relativ kleine Demonstration…

Ja, das ist die gute Nachricht. Während früher Tausende zu diesen Demos kamen, waren es gestern nur rund 200 bis 300 Personen. Aber die schlechte Nachricht ist, dass sie sich weiterhin so stark fühlen, dass sie Menschen angreifen, deren Anwesenheit ihnen nicht genehm ist.

Griechenland Athen Demonstration von Rechten gegen Migrationspolitik
Rechtsextreme demonstrieren in Athen gegen die Migrationspolitik (19.1.)Bild: Getty Images/AFP/L. Gouliamaki

Sie werfen der Polizei vor, nicht eingegriffen zu haben als Sie angegriffen wurden.

Journalisten-Kollegen sind, als ich angegriffen wurde, sofort zu Polizisten hingerannt, damit diese zur Hilfe kommen. Sie haben aber nur geantwortet, dass sie nicht gut genug ausgerüstet seien und haben statt dessen die Sicherheitspolizei gerufen.

Die aber auch nicht gleich kam…

Nein. So blieb den Angreifern Zeit, mich ordentlich zu verprügeln und meinen Rucksack zu durchwühlen. Sie haben meine drei Handys zertrümmert und mir auch mein Aufnahmegerät weggenommen. Aber meine Kamera konnte ich retten. Ich habe mich daran festgeklammert, so gut es ging. Da sind auch die Gesichter der Täter drauf! Ich hatte kurz zuvor noch gefilmt und beim Filmen gemerkt, dass eine Gruppe von circa zehn jungen Männern Blickkontakt zu mir gesucht hat. Als sie dann näher kamen, dachte ich: Oh, jetzt wird's brenzlig. Aber da war es schon zu spät. Sie standen schon vor mir und fragten: Bist du Thomas Jacobi? Da habe ich "ja" gesagt. Sie haben mir klipp und klar gesagt, dass sie mich angreifen, weil sie mich als den wiedererkannt haben, der für die Dokumentation gefilmt hat.

Und die Polizei?

Dass ich am Ende abhauen konnte, habe ich Kollegen zu verdanken, nicht der Polizei. Ein Kollege hat versucht, die Polizei zu mobilisieren, der andere hat versucht, sich halb über mich zu legen, um mich zu beschützen. Und zwei junge Journalistinnen waren auch sehr couragiert. Die Polizei habe ich dann selbst noch mal angesprochen. Aber bevor sie geantwortet haben, haben sie mich erst noch zwei Ecken weiter gezogen, weil sie selbst Angst hatten. "Da waren so viele Leute, da konnten wir nichts tun", haben sie mir gesagt.

Sie konnten Ihre Kamera retten. Die Arbeiten für den zweiten Dokumentarfilm, "Goldene Morgenröte: Was nun?", gehen also weiter?

Ich werde mich nicht einschüchtern lassen! Wir arbeiten seit drei Jahren an der neuen Doku, und es ist wichtig, dass sie gezeigt wird. Es ist auch wichtig, dass man zeigt, dass man präsent ist. Und ich bin ja nicht derjenige, der im Unrecht ist, weil ich auf die Demonstration gegangen bin. Im Unrecht sind die, die mich angegriffen haben!