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Bundeskanzlerin Merkel in der ARD-"Wahlarena"

8. September 2009

Das Vorbild ist das "Townhall Meeting", eine für ihre Schärfe berühmte Diskussionssendung im US-Fernsehen. Die "Wahlarena" der ARD wollte ähnliches, war aber eher ein kuschelweiches Schaulaufen für die Kanzlerin.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel auf einer Veranstaltung (Foto: AP)
Bild: AP

Inhalt

Es gab es keinen roten Faden. Ob "Rente mit 67", "Rücklagen für Beamtenpensionen", "Kreditklemme" oder "Minijobs" - Angela Merkel beantwortete alle Fragen, die die Moderatoren per Handzeichen aufgerufen hatten. Kritische Nachfragen blieben fast immer aus, so dass die Kanzlerin ihre Argumente ausführlich darlegen und den Sachverhalt erklären konnte. Damit war nicht einmal ansatzweise erkennbar, dass sich die "Wahlarena" an das US-Vorbild "Townhall Meeting" mit seinen scharfen Diskussionen anlehnen wollte.

Schlagfertigkeit und Humor

Angela Merkel fühlte sich sichtlich wohl in der Rolle der Erklärerin. Sie nutzte jede Gelegenheit, das steife Sendekonzept etwas aufzulockern. Als die Moderatoren eine sinnlose Quizfrage stellten mit einer ebenso sinnfreien Antwort (CDU-Slogan „Wir haben die Kraft“), konterte die Kanzlerin prompt mit "Danke für die Werbung". Zur Pendlerpauschale konterte sie "Solange ich Politik mache, packe ich die Sache nicht mehr an". Und eine Koalition mit den Linken schloss sie mit Ironie "kategorisch aus".

Technik

Merkel hält sich konsequent an die Strategie: Gesprächspartnern zuhören, sie ernst nehmen, ihnen zustimmen und dann die eigene Meinung auf den Punkt bringen: "Ich versteh’ das total", sagte sie einem Bauunternehmer, der sich fragt, wie seine älteren Mitarbeiter die schwere Arbeit noch stemmen können. Merkel hört zu, zeigt mit Arbeitszeitkonten Lösungsmöglichkeiten auf, lässt aber keinen Zweifel, dass sie die Entscheidung für die Rente mit 67 richtig findet. Dies sei vor dem Hintergrund des demografischen Wandels absolut nötig. "Das ist eine bittere Wahrheit". Das Publikum quittiert die geschickt argumentierenden Kanzlerkandidatin der Union und amtierenden Bundeskanzlerin Merkel mit Szenenapplaus nach jeder Antwort.

Haltungsnote

Die Kanzlerin machte eine gute Figur. Das lag vor allem an ihrem sachlichen und nüchternen Auftreten, das perfekt zum Sendekonzept passte. Gegenüber den biederen und altbackenen Moderatoren wirkte sie zuweilen sogar spritzig.

Der stärkste Moment...

Als ein Zuschauer erneut die Pendlerpauschale ansprach, reagierte die Kanzlerin fast schon entnervt. Sie habe sich soviel Gedanken um die beste Regelung gemacht, doch mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes sei jetzt alles gesagt, "Ende Aus Schluss". Andere Politiker hätten hier aalglatte Antworten gegeben, Merkel reagierte menschlich, und das kam an.

... und der schwächste

Nur einmal kam Angela Merkel in die Defensive. Eine Mutter, die in der Nähe des AKW Krümmel lebt, blieb hartnäckig und hakte mehrmals nach, verwies auf eine "Kinderkrebsstudie", die Anwohnern ein erhöhtes Gesundheitsrisiko bescheinigt, und sprach vom Irrwitz der Endlagerung und von Pannen im Werk. Merkel stellte die Studie in Frage und kam ins Schlingern. "Ich leugne nicht, dass mit der Kernenergie erhebliche Belastungen für die Zukunft verbunden sind". Am Ende konnte sie nur noch feststellen: "Überzeugen können wir uns beide hier jetzt nicht."

Autor: Sascha Baron
Redation: Hartmut Lüning