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Elfenbeinküste ein Jahr nach der Krise

30. November 2011

Laurent Gbagbo, Ex-Präsident der Elfenbeinküste, muss sich vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verantworten. Der Grund: er sei verantwortlich für Mord und Gewalt nach den Wahlen vergangenes Jahr.

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Laurent Gbagbo während seiner Verhaftung im April 2011 Foto:TCI via APTN/AP/dapd
Laurent Gbagbo während seiner Verhaftung im April 2011Bild: dapd

Im November 2010 wollten die Menschen in der Elfenbeinküste nach Jahren des Bürgerkriegs einen neuen Präsidenten wählen. Doch nach der Wahl hatten sie statt eines Präsidenten gleich zwei. Eigentlich schien alles klar: Knapp die Hälfte der ivorischen Bevölkerung hatte für Amtsinhaber Laurent Gbagbo gestimmt. Ein bisschen mehr als die Hälfte aber – nämlich 54 Prozent – wollte den international bekannten Oppositionspolitiker und ehemaligen Funktionär des Internationalen Währungsfonds, Alassane Ouattara, an der Spitze des Staates sehen. Doch Gbagbo wollte seine Niederlage nicht eingestehen. Deshalb rief der Präsident des Verfassungsrates im Dezember den Sieg Laurent Gbagbos aus, trotz des augenfälligen Wahlsieges für Ouattara, und erklärte einen Großteil der Ouattara-Stimmen für ungültig. Alassane Ouattara wollte das wiederum ebenfalls nicht akzeptieren, wurde bedroht und verbarrikadierte sich schließlich in einem Hotel. Etwa 1000 UN-Blauhelmsoldaten mussten ihn zwischenzeitlich dort beschützen.

Es folgten Monate des bewaffneten Machtkampfes zwischen den beiden Präsidenten und ihren Lagern. Monate, in denen Gewalt das ganze Land erschütterte. Tausende Menschen wurden getötet und verletzt, Zehntausende vertrieben. Zwischen den politischen Lagern herrschte blanker Hass. Vor allem im Westen des Landes kam es zu Massakern, es wurden Massengräber gefunden. Die internationale Gemeinschaft intervenierte zwar auf Seiten Ouattaras, konnte den Konflikt aber nicht lösen. Erst im April 2011 wurde Laurent Gbagbo entmachtet und wie viele seiner Anhänger verhaftet, Alassane Ouattara konnte sein rechtmäßiges Amt antreten.

Gewalt statt Dialog

Fast acht Monate später – und ein Jahr nach der Stichwahl – ist die Lage im Land immer noch instabil. Regelmäßig flammt Gewalt wieder auf. Die Ivorer würden erst ganz langsam lernen, wieder miteinander zu leben, sagt Réné Okou Légré, Präsident der ivorischen Menschenrechtsliga LIDHO. "Die Probleme in der Elfenbeinküste sind noch nicht gelöst", betont er. "Der Riss innerhalb der Gesellschaft ist sehr tief und man steht nach einem Krieg nicht einfach auf wie nach einem Gala-Dinner." Die Volksgemeinschaften hätten sich von einander entfernt, vor allem im Westen des Landes. "Es gibt immer noch bewaffnete Männer in diesen Gebieten", so Légré, "und oft zieht man dort noch die Gewalt dem Dialog vor."

Anhänger Alassane Ouattaras im April 2011 Foto: EPA/LEGNAN KOULA
Anhänger Alassane Ouattaras im April 2011Bild: Picture-Alliance/dpa

Neben Milizen und bewaffneten Banden wird auch Teilen der ivorischen Armee vorgeworfen, vor allem im Westen der Elfenbeinküste ihr Unwesen zu treiben. Ouattaras Regierung müsse diese unkontrollierten Kräfte unter Kontrolle bringen, so Légré. In Folge der Revolutionen in den nordafrikanischen Ländern, vor allem in Libyen, bestehe zudem die Gefahr, dass weitere Waffen in die Elfenbeinküste gelangten.

Arbeitslosigkeit und kaum Perspektiven

Neben der prekären Sicherheitslage nennt Légré vor allem die hohe Arbeitslosigkeit als aktuelles Problem der Elfenbeinküste - und die Tatsache, dass viele Schulen und Universitäten nicht funktionierten. Zu viele – vor allem junge – Männer säßen untätig herum und hätten zu viel Zeit, Unruhe zu stiften und sich gegenseitig aufzuhetzen. "Wenn die Regierung nichts tut, muss man befürchten, dass eines Tages sozial alles einstürzt."

Stimmzettel Elfenbeinküste 2010 (Foto: AP)
Die nächsten Wahlen werden bereits vorbereitetBild: AP

Eine weitere Hürde im Versöhnungsprozess sind die anstehenden Parlamentswahlen am 11. Dezember. Die Partei von Wahlverlierer Laurent Gbagbo FPI boykottiert diese Wahlen mit der Begründung, dass zu viele wichtige Parteimitglieder inhaftiert seien. Zwar wurden 20 FPI-Amtsträger vor Kurzem freigelassen, doch rund 60 sitzen noch immer im Gefängnis. Für Andreas Mehler, Afrika-Experte am GIGA (Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien) in Hamburg, hätte Präsident Ouattara problemlos weitere Parteimitglieder begnadigen können – und seine Position damit sogar gestärkt. Denn eine Beteiligung der FPI hätte die Parlamentswahlen weiter legitimiert: "Aber das ist ein symbolischer Akt, den Herr Ouattara nicht unternommen hat."

Sowohl Réné Légré als auch Andreas Mehler betonen, dass die Regierung nicht den Eindruck entstehen lassen dürfe, sie koste ihren Sieg auf dem Rücken der Verlierer aus. Während Menschenrechtler Légré vor allem an die Regierungspolitiker appelliert, unterstreicht GIGA-Experte Mehler die große Verantwortung des Internationalen Strafgerichtshofs: "Es wird relevant sein für die Versöhnung, ob es dort einseitig um die Verbrechen gehen wird, die auf das Konto des Gbagbo-Lagers gehen sollen, oder ob auch die Verbrechen des gegenüberliegenden Lagers untersucht werden." Mit der alleinigen Überstellung Gbagbos bleibt diese Frage also weiterin offen.

Da die internationale Gemeinschaft Ouattara von Anfang an als Sieger anerkannt und unterstützt habe, müsse der Eindruck vermieden werden, die Justiz stehe nicht nur national, sondern auch international auf Seiten der Sieger.

Autorin: Dirke Köpp
Redaktion: Stefanie Duckstein