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Sinti und Roma: Andere stärken und selbst stark sein

Gilda-Nancy Horvath | Robert Schwartz
14. Juni 2023

Bei einem mehrtägigen Symposium in Spanien trafen sich mehr als vierzig Personen aus der Sinti- und Roma-Community, um gemeinsam Selbstermächtigung zu erlernen und zu erleben.

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Self-Empowerment-Symposium in Spanien: Projektassistent Antonio auf dem Weg zum Workshop
Self-Empowerment-Symposium in Spanien: Projektassistent Antonio auf dem Weg zum WorkshopBild: Save Space eV

Ein kleiner Touristen-Ort nördlich von Barcelona im Frühsommer 2023. Über vierzig Personen aus der Sinti- und Roma-Community, darunter auch Geflüchtete aus der Ukraine, nehmen hier in einem "geschützten Raum" an einem Symposium teil, bei der es um Traumabewältigung und Traumaheilung, Selbststärkung und Selbstermächtigung geht.

Roxanna-Lorraine Witt

Dabei gibt es eine zentrale Fragestellung, wie die Mitbegründerin des Vereins Save Space und Co-Organisatorin des Symposiums, Roxanna-Lorainne Witt, im DW-Gespräch erklärt: "Wer stärkt jene Personen, die für uns alle stark sind? Wie werden solche Vorbilder dabei unterstützt, sich selbst zu stärken, während sie selbst oft ohne nachhaltige Perspektiven und Strukturen arbeiten müssen?" Dabei würden häufig ganz normale Erfahrungen - wie zum Beispiel einmal im Leben das Meer zu sehen - völlig unterschätzt.

Selbstermächtigung sei relevant, sagt Roxanna-Lorraine Witt. Denn die meisten Personen, die am Symposium in Spanien teilnehmen, arbeiten ehrenamtlich zur Stärkung demokratiepolitischer Entwicklung und zivilgesellschaftlicher Teilhabe in Deutschland. Gleichzeitig würden sie jedoch bei ihrer Arbeit ständig weiterhin Rassismus, Gewalt gegen Personen aus der Sinti- und Roma-Community sowie Marginalisierung erleben.

Janine-Christine Rutkowski, Gründerin der Initiative "Starke Sinti-Mütter", Dezsö Maté, Soziologe, Demetrio Gómez, Menschenrechtsaktivist, Kelly Cavalcanti, Psychologin
Von links: Janine-Christine Rutkowski, Gründerin der Initiative "Starke Sinti-Mütter", Dezsö Máté, Soziologe, Demetrio Gómez, Menschenrechtsaktivist, Kelly Cavalcanti, PsychologinBild: Save Space eV

Eingeladen zum Symposium sind überwiegend Menschen, die von mehrfacher Diskriminierung betroffen sind: Alleinerziehende, Personen aus der LGBTQ-Bewegung oder auch Erwachsene mit psychischen und körperlichen Behinderungen. Diese Zielgruppen liegen dem Verein Save Space, der 2021 in Köln ins Leben gerufen wurde, besonders am Herzen, wie die Mitbegründerin Amdrita Jakupi erklärt: "Unser Ziel ist es, Intersektionalität, Inklusion, Bildungsarbeit, Heilungsarbeit vorzustellen und zu begleiten. Wir wollen Menschen, die mehrfach diskriminiert sind, eine Plattform geben und sichtbar machen."

Amdrita Jakupi

Amdrita Jakupi ist dankbar, dass die Stiftung EVZ (Erinnerung, Verantwortung und Zukunft) dieses Self-Empowerment-Symposium gefördert hat. Solche Initiativen seien sehr wichtig, weil "Personen, die unter Mehrfachdiskriminierung leiden und sich gleichzeitig gesellschaftlich engagieren, auch mehrfach belastet sind". Deshalb bräuchten sie eine aktive Unterstützung ihrer Tätigkeit.

Ein wichtiger Aspekt des Symposiums ist die Beschäftigung mit dem Thema "Mentale Gesundheit und transgenerationelle Traumata". Im Workshop "Letter to our ancestors" werden persönliche, emotionale Briefe an die eigenen Vorfahren verfasst. Cat Jugravu ist Performance-Artist und aktiv in der Queer Community.

Cat Jugravu

"Ich habe Traurigkeit verspürt - und einen Schmerz, der nicht meiner ist. Und für den ich keine Erklärung hatte, als ich den Brief schrieb. Erst danach habe ich verstanden, dass es ein transgenerationelles, ungeheiltes Trauma war. Gleichzeitig verspürte ich Freude, sogar Euphorie, als ich erkannte, dass wir zusammen mit Kollegen und Menschen, die ich bewundere und schätze, die Erinnerungen unserer Vorfahren zurückgeholt haben. Es ist der lebende Beweis, dass unsere Vorfahren ihr Leben nicht umsonst geopfert haben, weil es uns immer noch gibt, wir kämpfen weiter und werden immer stärker, Tag für Tag. Wir sind intersektionell, wir sind schöne Menschen und nehmen unseren gerechten Platz in der Gesellschaft ein", so Cat Jugravu im DW-Interview.

Mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ist eine neue Generation von Aktivistinnen und Aktivisten in den Vordergrund gerückt, die ihre eigenen Traumata verarbeiten, während sie anderen helfen. Drei junge Frauen, die vor dem Krieg in der Ukraine lebten, nehmen dank der Unterstützung von ERIAC (European Roma Institute for Arts and Culture) am Self-Empowerment-Symposium teil.

Maria Bogdan, Sozialwissenschaftlerin, Izaura Drima, Psychologin, Natalia Tomenko, ARCA, Diana Hryhorychenko, Psychologin, Cat Jugravu, Performance-Artist
Von links: Maria Bogdan, Sozialwissenschaftlerin, Izaura Drima, Psychologin, Natalia Tomenko, ARCA, Diana Hryhorychenko, Psychologin, Cat Jugravu, Performance-ArtistBild: Save Space eV

Alle drei sind als Künstlerinnen und Aktivistinnen der Jugendorganisation ARCA, einem Verein zur Förderung der Kultur der Roma in der Ukraine, tätig. Izaura Drima ist Psychologin und arbeitet zurzeit in Bukarest mit Kindern geflüchteter Familien aus der Ukraine. Warum überwiegend mit Kindern?

Izaura Drima

"Ich wollte schon immer die Lage der Menschen in unserer Gemeinschaft verändern. Auch Roma sollten als seriöse und gebildete Menschen wahrgenommen werden, die stolz auf ihre Identität sind. Ich will ein Vorbild sein für die junge Generation", sagt Izaura Drima.

Die Organisation ARCA ist auch in Deutschland sehr aktiv. Zusammen mit dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma und dem Roma Women Fund Ukraine "Chiricli" organisieren sie eine Konferenz mit dem Titel "Roma As Integral Part of Society of Ukraine" (Roma als integraler Bestandteil der ukrainischen Gesellschaft), die an diesem Mittwoch (14.06.2023) in Berlin stattfindet.