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Ameisensäure als Wasserstoffspeicher

25. September 2011

Wasserstoff gilt als umweltfreundlicher Energieträger. Allerdings lässt er sich nicht problemlos speichern. Rostocker Forscher wollen Wasserstoff in Ameisensäure speichern und damit neue Laptop-Akkus herstellen.

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Wasserstoffentwicklung aus Ameisensäure (Foto: LIKAT)
Wasserstoffentwicklung aus AmeisensäureBild: Leibniz-Institut für Katalyse

Es zischt und pfeift am Tankdeckel und der Zapfhahn besteht aus einem Hochdruckventil. Hinter der Zapfsäule sind rote, miteinander verbundene Gasflaschen und Rohre zu sehen. Es ist keine gewöhnliche Tankstelle in Hürth bei Köln, sondern eine von knapp 30 Wasserstofftankstellen in Deutschland. Zwei Wasserstoff betriebene Linienbusse füllen hier ihre Tanks. Doch die zukunftsträchtige Technologie hat einen Haken: Bisher geht bei der Speicherung des Gases Energie verloren. Denn entweder wird es unter hohem Energieaufwand, bei einer Temperatur von etwa – 253 °C verflüssigt, oder in Druckbehältern komprimiert.

Matthias Beller zeigt den Eisenkatalysator (Foto: dpa)
Matthias Beller zeigt den EisenkatalysatorBild: picture-alliance/dpa

Wissenschaftler vom Likat-Institut der Universität Rostock erforschen deshalb, wie Wasserstoff als Energieträger besser gespeichert werden kann: "Um all die Nachteile der Speicherung unter Druck oder bei extrem kalten Temperaturen zu umgehen, nutzen wir den Wasserstoff in einer chemischen Reaktion, bei der Ameisensäure entsteht. Die ist nicht toxisch und bei Raumtemperatur flüssig", erklärt Professor Matthias Beller. Denn nicht nur Ameisen können die Säure produzieren. Aus Kohlenstoffdioxid (CO2) und Wasserstoff (H) entsteht die Säure (CH2O2). Dadurch ist der Energieträger in flüssiger Form gebunden, ohne dass er gekühlt oder komprimiert werden muss. Allerdings muss er wieder von der Ameisensäure gelöst werden, um in einer Brennstoffzelle Strom zu produzieren oder als Kraftstoff für Motoren dienen zu können. Damit diese Reaktion energetisch günstig bei Zimmertemperatur abläuft, braucht sie einen Katalysator. Und genau da lag bisher der Knackpunkt der Speichermethode mit Ameisensäure.

Platin für die Ameisensäure

Katalysatorkristalle (Foto: LIKAT)
KatalysatorkristalleBild: Leibniz-Institut für Katalyse

Katalysatoren wurden bisher aus Edelmetallen wie Rhodium oder Platin hergestellt. Elemente, die man nicht umsonst mit teurem Schmuck verbindet. Mit häufig vorkommenden, günstigen Metallen konnte der Wasserstoff bislang nicht von der Säure gelöst werden. Hier kommen die Rostocker Forscher ins Spiel. Im Fachmagazin "Science" vom 23.9. 2011 stellen sie eine neue Methode vor, den Wasserstoff zu lösen: mit einem Metall, das überall vorkommt, mit Eisen. Damit hat die Ameisensäure als Wasserstoffspeicher eine Chance in Alltagsanwendungen. "Wir sehen die Anwendungsmöglichkeiten vor allem da, wo bisher Lithium-Ionen-Akkus verwendet wurden", fasst Beller zusammen. Der neue Katalysator spaltet die Säure wieder in CO2 und Wasserstoff. Der könnte dann eine Brennstoffzelle antreiben, die Strom erzeugt - zum Beispiel für einen Laptop oder ein E-Bike. Einen Auspuff, der CO2 ausstößt, werden die Geräte nicht haben. Das Kohlenstoffdioxid bleibt im System und kann wiederverwendet werden, wenn der Akku erneut mit Säure befüllt wird.

Erste Prototypen von Ameisensäure-Akkus haben gezeigt, dass sie deutlich leichter sind, als die handelsüblichen Lithium-Ionen-Akkus. Sogar Gerd Ganteför, Professor der Physik an der Universität Konstanz und Spezialist für Nanotechnologie, der dem Verfahren kritisch gegenübersteht, räumt ein: "Die Batterien, die heute in Laptops verwendet werden, sind um den Faktor zehn bis 20 schlechter, als die Wasserstofftechnologie, da sehe ich wirklich eine Marktlücke." Im Bereich der Autoindustrie allerdings - da sind sich Ganteför und Beller einig - sehen sie keine Zukunft für die Ameisensäure. Sie besitzt ein hohes Eigengewicht und kann mit einem Drucktank daher nicht konkurrieren. Kleine elektrische Geräte, wie Laptops, Tablets oder andere mobile Endgeräte, stehen eher in ihrem Fokus. Doch allzu bald wird es noch keine Ameisensäure-Laptops zu kaufen geben. In den nächsten zwei Jahren wollen die Rostocker es zunächst versuchen, die grundsätzliche, technische Machbarkeit zu zeigen und realistische Prototypen zu entwickeln.

Woher den Wasserstoff nehmen, wenn nicht aus Kohle?

Test-Apparatur zur quantitativen Verfolgung katalytischer Reaktionen (Foto: LIKAT)
Test-Apparatur zur Verfolgung katalytischer ReaktionenBild: Leibniz-Institut für Katalyse

Grundvoraussetzung der Rostocker Idee sind die Zutaten für die Ameisensäure. CO2 ist überall im Übermaß vorhanden, in unserer Luft, aber auch in den Abgasen von Autos, und Kohlekraftwerken. Wasserstoff zu gewinnen ist schon komplizierter. Er bildet zusammen mit Sauerstoff Wasser. Pflanzen, Algen und auch Cyanobakterien haben Mechanismen entwickelt, die Verbindung zu spalten. An ihrem Vorbild orientiert sich daher auch die Wissenschaft, doch die produzierten Mengen sind bisher noch gering. Rund 96 Prozent des Wasserstoffs, der auch in der Chemischen Industrie Verwendung findet, wird deshalb bislang noch aus fossilen Energien gewonnen, beispielsweise aus Erdgas oder Kohle.

Die Forscher in Rostock möchten aber am liebsten grünen, also CO2-neutralen Wasserstoff verwenden. Sie erforschen deshalb auch, wie Wasserstoff CO2-frei gewonnen werden kann. Der Rostocker Projektleiter Beller erklärt: "Unser Konzept sieht vor, mit regenerativer Energie, zum Beispiel Windkraft, Wasserstoff zu erzeugen, der dann mit CO2 aus Kraftwerksabgasen zu Ameisensäure reagiert. So kann der Wasserstoff für Tage, Monate oder Jahre gespeichert bleiben, ohne Energieverlust."

Autorin: Insa Pohlenga
Redaktion: Andreas Sten-Ziemons