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Globales Problem

16. Juni 2011

Im Interview mit DW-WORLD.DE erhebt Bischof Erwin Kräutler schwere Vorwürfe gegen die brasilianische Regierung im Zusammenhang mit dem Bau des Belo Montes-Staudamms am Xingu-Fluss in Amazonien.

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Träger des alternativen Nobelpeises: Bischof Erwin Kräutler (Foto: EPA)
Träger des alternativen Nobelpeises: Bischof Erwin KräutlerBild: picture-alliance/dpa

Anfang Juni hat das brasilianische Umweltamt dem Mega-Staudammprojekt Belo Monte am Xingu-Fluss die Umweltlizenz erteilt. Alle Auflagen zum Schutz der Umwelt seien durch das Projekt erfüllt, heißt es offiziell. Gegen das in der Amazonasregion geplante Kraftwerk hatten Indio-Gruppen und Umweltschützer jahrelang gekämpft. Zu den schärfsten Kritikern des Projektes zählt der aus Österreich stammende Bischof von Altamira, Erwin Kräutler (71), in dessen Diözese der Staudamm errichtet werden soll. Er hält das Projekt für verfassungswidrig, da neben den Auswirkungen auf die Umwelt auch die Rechte der indigenen Bevölkerung über das ihnen zugeteilte Land nicht berücksichtigt würden. Bischof Kräutler hält sich zurzeit in Österreich auf, wo DW-WORLD.DE mit ihm gesprochen hat.

DW-WORLD.de: Wie schwierig ist es in der Amazonas-Region als Bischof zu arbeiten?

Ich bin seit 45 Jahren am Xingu, einem Nebenfluss des Amazonas, und bin seit über 30 Jahren Bischof dort. Ich bin immer mit den Menschen unterwegs gewesen, ich liebe diese Völker. Es handelt sich ja nicht nur um ein Volk, sondern um verschiedene, auch indigene Völker. Wenn man den tropischen Regenwald verteidigt, wenn man gegen die Brandrodung ist und wenn man sich stark macht gegen dieses Monsterprojekt wie Belo Monte, und wenn man dazu noch Leute anzeigt, die sich Menschenrechtsverletzungen zu Schulden haben kommen lassen, dann macht man sich damit nicht nur Freunde. Aber meine Liebe zu diesem Volk ist durch diese Probleme nie in Frage gestellt worden. Und das beruht auf Gegenseitigkeit. Als ich das erste Mal Morddrohungen erhalten habe, haben die Leute Transparente gemalt und sie in der Kirche aufgehängt. Darauf stand zu lesen: “Dom Erwin, Dein Leid ist auch unser Leid, gehen wir den Weg gemeinsam. Wir lieben Dich.“ Meine “Feinde“ sind einfach Gegner, weil sie in ihrer Gier nach Geld über Leichen gehen und in mir jemanden finden, der sich querlegt.

Kennen Sie Ihre Feinde persönlich?

Manche kenne ich persönlich, die das aber strikt leugnen. Niemand wird jemals offen zugeben, dass er mich bedroht hat. Aber ich habe anonyme Briefe erhalten. Im Internet ist angekündigt worden, dass ich einen bestimmten Tag nicht überleben würde. Die Bundespolizei hat ermittelt. Aber man kann ein Konsortium, eine Mafia, nicht dingfest machen. Man kann nur gegen Personen ermitteln. Von Seiten der Justiz werden bestimmte Prozesse aber einfach nicht weiter verfolgt. Zum Bespiel hat mehrfach in der Zeitung gestanden, das ich weg muss, “tem que ser eliminado“, also dass ich ’eliminiert’ werden muss, was immer das heißen mag. Es sind Prozesse von der Bischofskonferenz angestrengt worden, und da ist nicht passiert.

Der Xingu-Fluss soll zu einem riesigen Stausee für ein Wasserkraftwerk aufgestaut werden, mehr als 500 Quadratkilometer Urwald würden dadurch überflutet. (Foto: AP)
Der Xingu-Fluss soll zu einem riesigen Stausee für ein Wasserkraftwerk aufgestaut werden, mehr als 500 Quadratkilometer Urwald würden dadurch überflutet.Bild: AP

Sie haben persönlich Proteste gegen Belo Monte angeführt und die Auseinandersetzung der Welt gezeigt. Wie fühlen Sie sich jetzt, da der Bau des Staudamms beschlossene Sache ist?

Ich bin einer von denen, die seit dreißig Jahren gegen dieses Wahnsinnsprojekt ankämpfen. Ich bin überzeugt, dass die Mehrheit der Menschen in Altamira, der Stadt, die ganz besonders in Mitleidenschaft gezogen wird, gegen den Staudamm ist, weil die Umweltauflagen nicht erfüllt worden sind. Für mich war es eine große Niederlage, dass die Regierung einfach die Baulizenz vergeben und behauptet hat, alle Auflagen seien erfüllt worden. Das stimmt nicht! Ich lebe vor Ort, ich kenne dieses Gebiet und weiß was da läuft.

Was jetzt auf uns zukommt? Da bin ich überfragt. Es laufen noch mehrere Prozesse. Die Staatsanwaltschaft ist gegen das Projekt und steht auf unserer Seite. Dazu haben wir Top-Wissenschaftler der besten, international renommierten Universitäten in Brasilien, die die Regierung darauf aufmerksam gemacht haben, dass dieses Projekt nicht durchgeführt werden soll, aus sozialen, finanziellen und ökologischen Gründen.

Sie sind Träger des alternativen Nobelpreises. Hat das geholfen in den Gesprächen mit der Regierung, z. B. über den Belo Monte Staudamm?

Ich war zwei Mal bei Präsident Lula, und er hat mir damals alles Mögliche versprochen, das sage ich hier ganz ungeschützt. Aber nichts von dem, was er mir versprochen hat, ist eingehalten worden. Es gab keinen Dialog. Mit Präsidentin Dilma Rousseff wollte ich auch sprechen. Aber sie hat mich an den Kabinettschef verwiesen, und der hat vierzehn Tage vor der Audienz kaltschnäuzig behauptet, das Projekt müsse auf jeden Fall durchgezogen werden. Daraufhin habe ich die Audienz storniert. Das habe ich nicht nötig. Es ist kein Dialog zustande gekommen.

Präsidentin Dilma Rousseff und ihr Amtsvorgänger Lula da Silva (Foto: AP)
Präsidentin Dilma Rousseff und ihr Amtsvorgänger Lula da Silva: "Ein Dialog war nicht möglich", kritisiert Bischof KräutlerBild: AP

Wenn die Leute sich aufregen, verspricht man ihnen das Blaue vom Himmel. Aber daran glauben wir nicht mehr, weil wir von anderen Projekten wissen, dass die Versprechen nicht eingehalten werden. Lula hat mir selbst gesagt, es gibt Millionen von Menschen, die durch den Bau solcher Kraftwerke betroffen sind und Brasilien habe eine tiefe Schuld abzutragen diesen Menschen gegenüber. Das ist aber bis heute nicht passiert. Der alternative Nobelpreis ist für mich eine internationale Anerkennung für das, was ich tue, und das ist für mich sehr wichtig. Ich weiß aber nicht, inwieweit das auf die Regierung Eindruck macht. Ich habe diesen Preis entgegen genommen im Namen so vieler Menschen, die sich, wie ich, einsetzen. Als Bischof stehe ich mehr im Rampenlicht. Aber der Einsatz ist ein tausendfacher, von Menschen, die sich damit identifizieren. Es geht nicht nur um Belo Monte. Es geht auch um die Menschenrechtsverletzungen von Kindern und Frauen in Amazonien; es geht um die Prostitutionsnetze; es geht um die moderne Sklaverei in den riesigen Fazendas. Dagegen habe ich mich immer stark gemacht und diese Missstände in der Öffentlichkeit angeprangert.

Wie kann die internationale Staatengemeinschaft helfen?

Wir sitzen alle in einem Boot. Die Verteidigung dieser Menschen und dieses Lebensraumes ist eine Angelegenheit der gesamten Menschheit. Und in diesem Sinn muss Brasilien international und politisch geholfen werden, damit die Abholzung des Regenwaldes gestoppt wird. Sollten die bereits geplanten Staudämme und Kraftwerke tatsächlich gebaut werden, wäre das das Ende von Amazonien. Amazonien hat eine Klima regulierende Funktion für den gesamten Planeten, das ist wissenschaftlich erwiesen. Also ist es eine Angelegenheit, die die ganze Menschheit betrifft.

Das Interview führte Nadia Pontes.
Redaktion: Mirjam Gehrke