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Bilanz des Pontifikats nach fünf Jahren

16. April 2010

"Wir sind Papst", dieser Zeitungsschlagzeile nach der Wahl Ratzingers, folgte eine Welle der Begeisterung, die nicht nur gläubige Katholiken erfasste. Wir fragen: Was ist davon geblieben? Welche Fehler machte er?

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Papst Benedikt VI bei der Amtseinführung (Foto: AP Photo/Pier Paolo Cito)
Bild: AP

"Dass dieser Papst-Hype damals nicht andauern konnte, war wohl jedem einigermaßen erfahrenen Menschen klar", sagt der Regensburger Theologe und ehemalige Ratzinger-Schüler Wolfgang Beinert. Dass fünf Jahre später nur noch eine Minderheit vorbehaltlos hinter dem Papst steht, hätte wohl keiner vermutet. Die Benedetto-Euphorie ist vor den Widersprüchen dieses Papstes verblasst. Wohin steuert Benedikt die Kirche?

Prof. Eberhard Schockenhoff (Foto: Wolfgang Kumm dpa/lbn)
Prof. Eberhard Schockenhoff (m.)Bild: picture-alliance/dpa

Der Freiburger Professor für Moraltheologie, Eberhard Schockenhoff, meint, Josef Ratzinger habe das zentrale Thema seines Pontifikats noch nicht gefunden. Zudem gebe es eine Reihe von theologisch fragwürdigen Einzelaktionen, die Zweifel daran wecken, ob die Reise der Kirche unter seiner Führung tatsächlich zu einem zukunftsfähigeren katholischen Christentum gehe oder ob der Reformstau, der sich in den vergangenen 30 Jahren angesammelt hat, nicht eben auch dieses Pontifikat mit einbeziehen werde.

Seiltanz zwischen Dialog und Dogma

In seiner Antrittsrede vor den Kardinälen des Konklave bekannte sich der neue Papst 2005 klar zu Ökumene und interreligiösem Dialog. Nach der Wahl war er nicht mehr der Großinquisitor aus der Glaubenskongregation, sondern der sanfte Intellektuelle auf dem Papstthron, von dem sich manche fortschrittliche Impulse erhofften. Die wissenschaftlich verpackte Islamkritik in seiner Rede an der Regensburger Universität im September 2006 verzieh man dem Gelehrten-Papst hierzulande noch recht schnell, in der islamischen Welt allerdings nur zögerlich. Im Juli 2007 dann ein erster ökumenischer Dämpfer. Benedikt billigt ein Dokument der Glaubenskongregation, das der evangelischen Kirche abspricht, Kirche "im eigentlichen Sinn" zu sein. Die damalige lutherische Landesbischöfin Margot Käßmann sprach von einem Trauerspiel. Auch die katholische Basis reagierte empört, selbst papsttreue Theologen schüttelten den Kopf. Laut Zweitem Vatikanischen Konzil hätte der Papst durchaus ökumenisch sensibler formulieren können, sagt rückblickend Eberhard Schockenhoff. Es gehe dem Konzil darum, positiv das Verhältnis der Kirche Christi zur römisch-katholischen Kirche aufzuzeigen. "Dem Papst geht es mehr darum, negativ eine Aussage über das Nicht-Kirche-sein der reformatorischen Kirche zu treffen. Das wollte das Konzil nicht und insofern ist das eine Engführung und ein Rückschritt in der Ökumene."

Demonstration gegen den Papst in der Türkei 2006 (Foto: AP Photo/Murad Sezer)
Anti-Papst-Demonstration in der Türkei 2006Bild: AP

Erstaunliche innerkirchliche Milde

Milde statt doktrinäre Strenge – unter diesem Motto bewegt sich der Papst seit Jahren auf die schismatische Piusbruderschaft zu. Im Namen der Einheit mit den Traditionalisten ließ er den vorkonziliaren Messritus wieder zu, erneuerte die Karfreitagsfürbitte, in der Christen für die Bekehrung der Juden beten und hob schließlich die Exkommunikation gegen die vier illegal geweihten Bischöfe der Bruderschaft auf.

Porträt Richard Williamson (Foto: AP Photo/Courtesy SVT)
Holocaustleugner Richard WilliamsonBild: AP

Einer von ihnen war der Holocaust-Leugner Richard Williamson. Das Resultat der Versöhnungsgeste: Eine Krise der katholisch-jüdischen Beziehungen, ein aufgebrachtes Kirchenvolk und schließlich ein Rüffel von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Das Zugehen auf die Piusbrüder sei seine Amtspflicht gewesen, meint Theologe Wolfgang Beinert, fragt aber, inwieweit die Einschätzung der Entgegenkommensmöglichkeiten richtig war. Der Papst habe einen zu hohen Preis bezahlt für eine doch eher unwahrscheinliche Aussöhnung mit den Traditionalisten. Denn die lehnen es nach wie vor strikt ab, auf Basis der Zweiten Vatikanums in die Kirche zurückzukehren.

Handeln im Wählerauftrag?

Wenn die Kardinäle Josef Ratzinger 2005 zum Papst gewählt haben, damit er den Kurs von Johannes Paul II. fortsetzt, dann folgt er dem Auftrag seiner Wähler. Die letzten fünf Jahre aber hätten gezeigt, dass sich auch innerkirchlich Entscheidendes ändern müsse, meint Ratzinger-Schüler Beinert. Die Kirche sollte das als Chance sehen, sich dringenden Fragen zu stellen: vom Diakonat der Frau, über die Neubewertung so genannter konfessionsverschiedener Ehen bis hin zum Status wiederverheirateter Geschiedener.

Autor: Antje Dechert

Redaktion: Klaus Krämer