Alte Schuhe helfen Leben retten
Ob Sport- oder Straßenschuhe, Stiefel oder Sandalen: Auch gebraucht ist altes Schuhwerk meist noch nützlich. Wer es eifrig sammelt, kann zum Beispiel dabei helfen, das Leben herzkranker Kinder lebenswerter zu machen.
Eine Sporthalle in Bonn. Hier findet von morgens acht bis abends 23 Uhr Sport statt. Die Halle wird von Schulen, aber auch von Sportvereinen genutzt. Als Sportwart kümmert sich Werner ehrenamtlich darum, dass hier Ordnung herrscht, dass etwa keine Sportgeräte mehr herumliegen oder alles eingesammelt wird, was die Leute vergessen haben. Mit den Jahren stellte er fest, dass da doch Einiges zusammenkam:
„Die Leute sind derartig vergesslich, dass sie jedes Jahr so ungefähr einen Kubikmeter an Bekleidung und Schuhen und Schlägern liegen lassen. Es sind nicht nur Sportschuhe, sondern die kommen mit ihren ganz normalen Straßenschuhen – bis zum Spitzenstiefel. Und der bleibt einfach in der Halle stehen, und die gehen in ihren Turnschuhen nach Hause. Und so kommen wir an Schuhe, das glaubt man als normaler Mensch nicht.“
Einen Kubikmeter an Gegenständen sammelte Werner ein, eine Menge, die zum Beispiel in einen großen Kühlschrank passen würde. Darunter waren nicht nur Sportgeräte, sondern auch hochhackige Frauenschuhe – sogenannte Pumps –, spitze Frauenstiefel, aber auch Badelatschen. Keiner wollte die Fundsachen haben, niemand fühlte sich verantwortlich. Das gefiel Werner überhaupt nicht:
„Mir hat es immer mächtig – auf Deutsch gesagt – gestunken, dass ich die alle halbe Jahre in den Mülleimer werfe. Und habe dann nach ‘ner Möglichkeit gesucht, was man damit machen kann. Und kam dann auf die Aktion von „kinderherzen“. Und habe gesagt: ‚Das ist was. Das müssen wir unterstützen‘.“
Weil es ihm mächtig stank, er sehr verärgert war, dass noch brauchbares Schuhwerk im Mülleimer landete, machte sich der Rentner auf die Suche nach einer Alternative. Dabei stieß er auf ein Plakat: „Alte Schuhe – neues Leben“ stand darauf und darunter: „Schuhe spenden und Herzkindern helfen“. Organisator der Aktion war der Verein „kinderherzen – Fördergemeinschaft Deutscher Kinderherzzentren e.V.“. Dieser wurde 1989 in Bonn von Ärzten und Eltern herzkranker Kinder mit dem Ziel gegründet, die Behandlungsmöglichkeiten für herzkranke Kinder weltweit verbessern zu helfen. Werner fand heraus, dass getragene Schuhe durchaus Geld bringen können und entwickelte eine wahre Sammelleidenschaft, um die Aktion des Vereins „kinderherzen“ zu unterstützen:
„Dann hab ich kräftig die Werbetrommel gerührt und hab gesagt: ‚Leute, bringt auch alles, was ihr an getragenen Schuhen habt, von zu Hause mit. Habe unseren Kooperationskindergarten, der hier schräg gegenüber von der Halle ist, mit eingespannt. Und so hatten wir dann in diesen vier Wochen nach Beginn dieser ganzen Aktion 300 Paar Schuhe zusammen. Und in den letzten vier Wochen, die danach kamen, sind es wieder ungefähr genau so viele [gewesen].“
In nur acht Wochen trug Werner 600 Paar Schuhe zusammen. Möglich war das, weil er kräftig die Werbetrommel gerührt, intensiv für die Aktion geworben hatte. Sogar ein Kindergarten, der nicht direkt, sondern etwas versetzt, schräg gegenüber, lag, machte mit. Er spannte ihn ein, motivierte die Leute im Kindergarten, dass auch dort gesammelt wird. Denn Kinder wachsen schnell aus ihren Schuhen heraus und brauchen neue. Auch bei anderen Gelegenheiten und anderen Zielgruppen kann natürlich für Schuhspenden geworben werden, erzählt Orlind Froebe vom „kinderherzen“-Team, die sich dort ums „Fundraising“, das Sammeln von Spenden für wohltätige Zwecke, kümmert:
„Auf mehreren Marathonmessen haben wir unsere Flyer verteilt und erklären auch immer wieder die Aktion. Und die sind hellauf begeistert und jeder sagt: ‚Das ist toll. Da hab ich ‘n paar Schuhe, und die gebe ich Ihnen, die schicke ich Ihnen sofort, oder da mach’ ich ‘n Karton zusammen und frag noch Nachbarn und Freunde. Und das ist ‘ne tolle Aktion – ohne an ‘n eigenen Geldbeutel zu müssen. Da ist die Schwelle doch bei einigen viel niedriger zu sagen: ‚Dann spende ich doch einfach meine Schuhe‘.“
In der Regel kommt die Aktion gut an, Menschen sind laut Orlind Froebe hellauf, sehr, begeistert. Zumal manche nicht an den eigenen Geldbeutel heran müssen, selbst Geld spenden müssen. Ausgediente Schuhe, also Schuhe, die man nicht mehr anzieht, hat fast jeder daheim. Sie für einen guten Zweck zu spenden, fällt leicht. Die Schwelle ist niedriger, man ist eher bereit, etwas zu tun. Die Kartons mit alten Schuhen, die bei „kinderherzen“ eingehen, werden weitergeschickt: an das Altschuh-Sammelprojekt „Shuuz“ mit Sitz in Bayern. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von „kinderherzen“ drucken die von „Shuuz“ im Internet vorgefertigten und frankierten Paketaufkleber aus, beschriften jeden Karton mit der Spendennummer des Vereins und schicken die Kartons an das Sammelprojekt. Dort, genauer beim Verwertungspartner „Kolping Recycling“, werden die Paketsendungen genau gesichtet; nicht mehr tragbare Schuhe werden direkt weggeworfen, entsorgt, sagt Orlind Froebe:
„Ganz schlechte Paar Schuhe, die auch immer wieder drunter sind – zehn bis zwanzig Prozent –, die werden direkt zur Seite gelegt und die gehen dann in die Entsorgung. Die gut erhaltenen Schuhe werden dann noch mal gewogen, der Inhalt des Kartons. Und dann wird halt festgelegt, was dieser Karton an Erlös für die ‚kinderherzen‘ gebracht hat.“
Organisationen, gemeinnützige Vereine wie „kinderherzen“, die einem guten Zweck dienen, aber auch Privatleute sammeln für „Shuuz“. Im Prinzip kann dort jeder ein Benutzerkonto anlegen, sich auf der Webseite registrieren, und sich das Geld für die bereitgestellten Schuhe auszahlen lassen. Mancher kann sich so zusätzlich, nebenbei, etwas verdienen. Will er oder sie das nicht, kann das Geld auch gespendet werden. Anhand der individuellen Benutzernummer wissen die Sortierer bei „Shuuz“, welchem Absender sie das Geld gutschreiben müssen. Für den Verein ist das eine gute Sache, um an Geld zu kommen, sagt Orlind Froebe:
„Wir sind ja ein gemeinnütziger Verein, der immer wieder auf der Suche nach innovativen Ideen ist, um Spenden zu sammeln. Und ‚Shuuz‘ selber spricht ja nicht nur Vereine und Institutionen an. Sondern auch als Privatmensch kann man Schuhe sammeln und sich somit ein bisschen was nebenbei verdienen. Oder man macht’s halt so wie wir als Verein: ‘n große Aktion draus und ruft zum Sammeln auf.“
Und was passiert mit den Schuhen? Sie werden nach Angaben von „Shuuz“ in Länder exportiert, in denen wegen problematischer Produktionsbedingungen wie häufigem Stromausfall, fehlenden Ersatzteilen oder Wassermangel schlichtweg keine Schuhindustrie existiert. Die meisten Winterschuhe werden in die Mongolei, nach Kasachstan und weitere Länder Asiens verschickt, Sommerschuhe werden in Afrika zu günstigen Preisen verkauft. Da die Transportkosten hoch sind, aber auch, um den Empfängern im Sinne der Entwicklungshilfe nicht das Gefühl zu vermitteln, Bittsteller zu sein, werden die Schuhe aus Deutschland nicht verschenkt. Zwischen zehn Cent und knapp einem Euro gibt’s pro Kilogramm Schuhe. Der Erlös pro Sendung ist nicht immer gleich, er variiert, so Orlind Froebe:
„Der wöchentliche Betrag, ja, das variiert: Das kann dann so zwischen 35 und je nachdem – wenn’s nur die kleineren Kartons waren – vielleicht 75/80 Euro sein.“
Zunächst sieht es nicht nach viel Geld aus, das man verdienen kann. Dennoch findet Orlind Froebe die Summe beachtlich. Und sie freut sich über jeden Cent:
„Kleinvieh macht ja bekanntlich auch Mist. Und wenn jeder einen Karton schickt, der zehn, fünfzehn Kilo hat, dann läppert sich das zusammen.“
Die Menge macht es, getreu dem Sprichwort: Kleinvieh macht auch Mist. Kleine Beträge läppern sich, kommen zusammen. Das gilt auch für die Unterstützung des Vereins „kinderherzen – Fördergemeinschaft Deutscher Kinderherzzentren e.V.“. In Deutschland kommen jährlich mehr als 7.200 Kinder mit einem Herzfehler zur Welt. Um jedem von ihnen eine Lebensperspektive zu geben, zählt jede Spende – egal wie hoch sie ist.