Als Tourist unterwegs in Tschernobyl
Eine Woche nach dem Reaktorunglück 1986 wurde die Gegend um das Kernkraftwerk evakuiert. Die Sperrzone ist heute ein Touristenmagnet. Reporter der DW haben die Geistergegend einen Tag lang bereist.
Der Einkaufsladen im Dorf Salissja
Jeder, der die 30-Kilometer-Sperrzone um das Atomkraftwerk (AKW) Tschernobyl besuchen will, muss von einem Reisebüro bei den Behörden angemeldet sein. Die Pässe der Touristen werden an einem Checkpoint kontrolliert. Drinnen ist die erste Station das Dorf Salissja. Vor dem GAU am 26. April 1986 lebten hier 3000 Menschen. Alle wurden evakuiert. Später kehrten einige Bewohner zurück.
Sievert? Röntgen? Becquerel? Curie?
Der nächste Halt ist das Dorf Kopatschi innerhalb der Zehn-Kilometer-Zone. Das Gebiet wurde sehr stark mit Radionukliden kontaminiert. Touristen können die Strahlung mit Dosimetern messen, die gegen eine Gebühr von umgerechnet fünf bis zehn Euro erhältlich sind. Führer erklären den Touristen die unterschiedlichen Maßeinheiten. Hier und da schlagen die Geräte aus und quietschten laut.
Das Gerät der Tschernobyl-Liquidatoren
Die nächste Station ist die Stadt Tschernobyl. Unter freiem Himmel nahe der Feuerwache sind die Maschinen ausgestellt, mit denen die Folgen der Havarie beseitigt werden sollten. Doch die "Liquidatoren", wie die Männer genannt wurden, stellten schon bald fest, dass die radioaktive Stahlung einfach zu hoch war: Selbst die Technik dieser massiven Gerätschaften versagte.
Denkmal vor dem vierten Reaktorblock
Dann geht es weiter zum AKW. Vor Block 4 steht ein Denkmal für die Liquidatoren. Heute ist der Unglücksreaktor von einer neuen Schutzhülle umgeben und wirkt geradezu friedlich. Nach der Explosion im April 1986 lag die Strahlung tausendfach über den zulässigen Werten. Etwa 600.000 Liquidatoren waren beteiligt, um die Folgen einer der größten von Menschen verursachten Katastrophen zu beseitigen.
Strahlen-Kontrolle im ehemaligen AKW
Vor dem Betreten der Anlage muss jeder seine Kleidung untersuchen lassen, damit kein radioaktiver Staub ins Innere gelangt. Wenn die Werte zu hoch sind, wird versucht, die Kleidung zu reinigen. Misslingt das, muss sie draußen bleiben. Laut Reisebüro liegt die Strahlendosis an einem Tag in der Sperrzone durchschnittlich etwa so hoch wie in einer Stunde im Flugzeug.
Mittagessen in Tschernobyl
Nach der Strahlenkontrolle wird in der Cafeteria des AKW ein Mittagessen serviert: Suppe, Fleisch mit Beilage und Salat, Kompott, Saft und Brot. Vegetarier können Kürbisspeisen oder Früchte bekommen. Alle Lebensmittel werden in die Sperrzone "importiert". Der Preis für ein Mittagessen liegt bei 100 Hrywnja - umgerechnet rund drei Euro. Kaffee gibt es separat aus einem Automaten.
Das "Weiße Haus" in Pripjat
Die Stadt Pripjat - der Stolz sozialistischer Stadtplanung - wurde 1970 gegründet. Vor der Havarie lebten dort, zwei Kilometer vom AKW-Tschernobyl entfernt, etwa 50.000 Menschen. Das Bild zeigt das "Weiße Haus", in dem führende Vertreter der Stadt und des Kraftwerks wohnten.
Die geheime Radarstation "Duga"
Die letzte Station der Reise ist eine ehemals geheime Einrichtung in der Nähe des AKW Tschernobyl. Die Radarstation "Duga" war seit 1976 Teil der sowjetischen Luftabwehr und sollte den Start von Interkontinentalraketen erkennen. Mit ihren ständigen Klopfgeräuschen auf Kurzwelle ging sie Amateurfunkern jahrelang auf die Nerven. Daher wurde die Anlage auch "Specht" genannt.
Fuchs Semjon
Nahe Pripjat sieht man manchmal einen Fuchs, der inzwischen so bekannt ist, dass er einen Namen hat: Semjon. Er mag Touristen, weil sie ihn oft füttern. Doch streicheln sollte man ihn nicht. Nicht nur, weil in seinem Fell radioaktive Partikel stecken könnten, sondern: Der Hübsche ist trotz aller Zutraulichkeit ein wildes Tier. Das Beißen, heißt es, habe Semjon nicht verlernt.