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Als die Finanzkrise nach Deutschland kam

Brigitte Scholtes
30. Juli 2017

Am 30. Juli 2007 schwappten die ersten Ausläufer der beginnenden Weltfinanzkrise nach Deutschland. Mit einer Mittelstandsbank namens IKB erwischte es ein Institut, das zuvor nur Insidern ein Begriff war.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel
Bild: picture-alliance/dpa/M. Gambarini

An den Juli 2007 können sich die meisten Banker weltweit und auch in Deutschland noch gut erinnern. Schon seit dem Frühjahr hatte man aus den USA immer häufiger von geplatzten Immobilienkrediten gehört. Immer mehr Hausbesitzer konnten diese nicht mehr bedienen, weil sie zu wenig verdienten. Diese schlecht besicherten Hypothekenkredite - im Fachjargon „Subprime" genannt -  wurden gebündelt und in Paketen mit besser besicherten Krediten versteckt. So fand man Käufer für sie - und das weltweit.

Darunter auch die Düsseldorfer IKB Deutsche Industriebank. Sie geriet Ende Juli 2007 in eine existenzbedrohende Krise, weil sie seit Jahren genau in Pakete mit solch schlecht besicherten Immobilienkrediten in den USA investiert hatte. Damit war sie das erste Opfer der Finanzkrise in Deutschland. Sie wurde mit Geldern der staatlichen Förderbank KfW, vom Bund und anderen Banken gerettet.

Als die Deutsche Bank den Hahn zudrehte

Oktober 2008: Das milliardenschwere Versprechen von Merkel und Steinbrück

Axel Weber war damals als Präsident der Deutschen Bundesbank eng in die Krisenbewältigung eingebunden. Die Entscheidung zur Rettung, daran erinnert er sich noch gut, fiel an einem Wochenende. Denn am 27. Juli, einem Freitag, hatte die Deutsche Bank der IKB eine Kreditlinie gekappt und die Bankenaufsicht BaFin  informiert. "Wir haben die Linien nur gekappt, weil die Schieflage schon eingetreten war", verteidigte sich der damalige Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann später gegen Vorwürfe, die Bank trage die Schuld für den Beinahe-Zusammenbruch der IKB.

Das aber war erst der Beginn. In der Folge fiel die Düsseldorfer WestLB, andere Landesbanken mussten von ihren Bundesländern gestützt werden, die SachsenLB wurde von der Landesbank Baden-Württemberg übernommen.  Alle hatten sie in Subprime-Kredite investiert.

"Vor zehn Jahren war die Kreditwirtschaft nicht in der richtigen Balance", umschreibt Herbert Grüntker, Chef der Landesbank Hessen-Thüringen, die damalige Lage. Will heißen: Die Banken waren zu wenig reguliert. Das aber erkannten die Politiker: Spätestens als sich im September 2008 die Krise ausweitete und die amerikanische Investmentbank Lehman Brothers zusammenbrach, begannen sie zu handeln. Sie verabschiedeten in Deutschland in kürzester Zeit ein Gesetz zur Stabilisierung der Finanzmärkte mit üppigen staatlichen Garantien und Kapitalzufuhren für die Banken. Und weil ein Ansturm der Sparer auf die Banken drohte, versicherten  Bundeskanzlerin Angela Merkel und der damalige Finanzminister Peer Steinbrück vor laufenden Kameras, die Einlagen der Sparer seien sicher.

 

Mehr Regeln, mehr Eigenkapital

Inzwischen haben die Politiker und Aufseher die Regeln angezogen, und die meisten Banker sehen die Notwendigkeit dafür ein. Die Regeln, die inzwischen gelten, würden verhindern, dass eine solche Krise wie die von 2007/2008 wieder entstehen könne, glaubt etwa der frühere Bundesbankpräsident Weber heute. Die Banken seien sicherer, das sieht auch Elke König so, die Chefin des europäischen Bankenabwicklungsfonds: "Banken haben heute deutlich mehr und deutlich besseres Kapital." Doch ihre Ertragskraft hat gelitten. Denn weil sie nicht mehr in so riskante Geschäfte investieren dürfen, sprudeln die Gewinne daraus nicht mehr so kräftig.

Und die Regulierung verursacht Arbeit und Kosten. Diese geringere Ertragskraft sei ein Schwachpunkt, meint Weber, der seit 2014 dem Verwaltungsrat der schweizerischen UBS vorsteht. Aber auch die lockere Geldpolitik: die beobachtet der frühere Notenbanker mit Sorge. Sie sei nicht mehr angemessen. Damals hatten die Zentralbanken begonnen, den Märkten Liquidität zur Bewältigung der Krise bereitzustellen. Das tun sie immer noch.

Doch Weber warnt jetzt, der Boom, den viele Kapitalmärkte in Folge der expansiven Geldpolitik erfahren haben, sei nicht nachhaltig. Es werde zu einer Korrektur der Aktienkursbewertungen und zu einer Normalisierung auch im Bereich der festverzinslichen Erträge kommen: "Unser Finanzsystem ist dafür nicht gut gerüstet." Deshalb müssten die verantwortlichen Notenbanken dieses System langsam wieder Richtung Normalität zurückführen. Wie schwer das ist, kann man aktuell an den Bemühungen der EZB beobachten.

New York City Lehman Brothers Zentrale
Die Zentrale von Lehman Brothers in New York: Hier lag das Epizentrum der internationalen FinanzkriseBild: Getty Images/M. Tama

Gefahr noch nicht gebannt

Grundsätzlich, das gestehen auch die Banken ein, hätten die Politiker die Regulierung in die richtige Richtung gelenkt. Doch nun sei es an der Zeit, nicht immer neue Regeln zu erlassen, glaubt Martin Zielke, Chef der Commerzbank. Stattdessen solle man sich nun daran machen, die Regeln besser aufeinander abzustimmen.

Immer noch gibt es schwache Banken - zum Beispiel in Italien. An die inzwischen geltenden Regeln hält sich die Regierung in Rom nicht, der Steuerzahler wird doch wieder zur Bankenrettung herangezogen. Man müsse diese Regeln klarer definieren, fordert Jan-Pieter Krahnen, Direktor des Centers for Financial Studies der Goethe-Universität, damit das nicht geschehe: "Die letzte Meile ist auch im Marathon die schwerste." Das sei auch für die Verbraucher wichtig. Denn deren Lebensversicherungen und Pensionsfonds seien häufig auch Gläubiger der Banken. Inwieweit die dann bei einer Schieflage der Banken herangezogen werden, ist bisher noch nicht ausreichend geklärt. Axel Weber hat also recht, wenn er sagt: "Wir sind nach wie vor in der Auflösung der Krise."