Als Astronautin ins Weltall
Männliche deutsche Astronauten im All gab es schon ein paar, aber noch keine deutsche Astronautin. Die private Initiative „Die Astronautin“ will das ändern. 2020 soll die erste deutsche Frau ins All fliegen.
Am 20. Juli 1969 landete Neil Armstrong auf dem Mond. Am 26. August 1978 flog mit Sigmund Jähn der erste Deutsche ins All. Und im Dezember 1998 war die US-Amerikanerin Nancy Currie-Gregg die erste Frau auf der Internationalen Raumstation (ISS): Sie bediente einen Roboterarm bei den letzten Montagearbeiten, die nötig waren, um die Station in Betrieb zu nehmen. Der Name einer deutschen Astronautin fehlt allerdings in der langen Liste derjenigen, die schon mal im All waren. Das soll sich nach dem Willen von Claudia Kessler ändern. Kessler, die selbst einmal Astronautin werden wollte, leitet die Zeitarbeitsfirma HE Space, die in dem Bereich der Vermittlung von Luft- und Raumfahrttechnikern als führend gilt. Im Jahr 2016 gründete sie die private Initiative „Die Astronautin“. Ziel des Projektes ist, im Jahr 2020 eine deutsche Frau zur ISS zu schicken, die dort einige Experimente durchführen soll. Dem Aufruf, sich für die Mission zu bewerben, folgten mehr als 400 Kandidatinnen. Sechs von ihnen überstanden das anspruchsvolle Auswahlverfahren. Zu ihnen zählte auch Susanne Peters, wissenschaftliche Mitarbeiterin für Raumfahrttechnik an der Universität der Bundeswehr in München. Was bewegt sie dazu, sich für zehn Tage ins All zu begeben? Eine Kindheitserinnerung, verrät sie:
„Als kleines Kind ist das so ’n Traum. Ich fand den Sternhimmel schon immer sehr faszinierend, hab auch Poster gehabt vom Sternhimmel. Und je mehr ich mich damit beschäftigt hab, umso mehr wusste ich: ‚Ja, genau da will ich hin‘. Man möchte einfach da hoch. Man möchte mal schaun’n, wie das ist, sich in der Schwerelosigkeit bewegen. Wir können uns im Wasser bewegen, wir können uns auf der Erde bewegen, wir können fliegen. Aber in der Schwerelosigkeit bewegen, das können nur ’n paar auserwählte Personen.“
Das Besondere eines Aufenthalts im All ist für Susanne Peters die Erfahrung, wie es sich anfühlt, nicht mehr der Erdanziehungskraft zu unterliegen, schwerelos zu sein. Zudem möchte sie auch einen Kindheitstraum verwirklichen: den Sternenhimmel direkt vor Augen zu haben. Aber nicht nur das:
„Ich würd’ natürlich auch durch diese Cupola schauen, erst mal gucken, ob die Erde noch da ist. Und tatsächlich mal diesen Blick genießen, den Astronauten immer mit glänzenden Augen beschreiben. Den möchte ich selber sehen.“
In der Internationalen Raumstation gibt es einen Raum, der komplett verglast ist. Der Blick aus dieser Cupola, einem halbrunden Beobachtungsturm, sorgt laut Susanne Peters bei den meisten Astronauten für glänzende Augen – ein Ausdruck größter Begeisterung und Freude. Susanne Peters bewarb sich aus einem bestimmten Grund für das Projekt „Die Astronautin“:
„Weil die ESA nur ab und zu mal Astronauten sucht – also durchschnittlich so alle elf Jahre. Also sucht man sich ’nen Plan B Plan B (m., nur Singular) ein zweiter Plan für den Fall, dass der eigentliche Plan nicht funktioniert; der Plan für den Notfall , sozusagen. Mein Plan B war dann halt, ich bleib erst mal in der Raumfahrt und bleib am Ball am Ball bleiben etwas weiterverfolgen . Und wenn die ESA dann wieder sucht, dann bewerb ich mich. Jetzt kam diese Initiative mir zugute. Diese Initiative ruft halt dazu auf und sagt: ‚Hallo, wir haben 2017. Und es ist immer noch keine deutsche Frau geflogen‘. Es kann doch nicht sein: Die NASA schafft es, ’n Astronauten-Korps zusammenzustellen, was 50:50 ist, und hier in Deutschland sind 0:100. Wir hatten ja bisher elf Männer im All. Der zwölfte wurde jetzt nominiert. Und es ist immer noch keine Frau dabei, was eigentlich für 2017 tatsächlich etwas schockierend ist.“
Die „European Space Agency“, die Europäische Weltraumorganisation ESA, ist die Raumfahrtbehörde der EU, vergleichbar mit der US-amerikanischen „National Space Agency“ NASA, der russischen Raumfahrtorganisation Roskosmos und der chinesischen „China National Space Administration“. Europäische Astronauten fliegen jedoch im Rahmen der ISS-Missionen nicht so häufig ins All. Auch wurden in Deutschland im Vergleich zu den USA beispielsweise keine Astronautinnen ausgebildet. Das Verhältnis ist, so Susanne Peters, 0:100. Anders sieht es bei der NASA aus, wo inzwischen ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis im Astronauten-Team, dem Korps, herrscht. Das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) half immerhin bei der Auswahl der Kandidatinnen. Dort hat man – wie es auf der Webseite heißt – ein „wissenschaftliches Interesse“ an der Initiative. Wer sich für die Mission ins All interessierte, musste laut Susanne Peters einige Voraussetzungen erfüllen:
„Die Initiative hat erst einmal gefiltert nach den Kriterien, die sie selber festgelegt hatten. Das waren dann halt, ob man Englisch kann, ob man physisch fit ist, psychisch, ob man MINT studiert hat, Berufserfahrung hat. Es gibt tatsächlich Listen, was ’n Astronaut als Voraussetzung haben sollte. Man kann rückblickend sagen, dass man wahrscheinlich in allen Kategorien überdurchschnittlich gut abschneiden sollte. Also bei keiner der Kategorien soll man sagen: ‚Ja, ich lerne auf Lücke‘.“
Nicht nur Sprachkenntnisse, körperliche und geistige Gesundheit, sondern auch ein Studium eines der sogenannten MINT-Fächer gehört zu den Voraussetzungen, nach denen Bewerberinnen ausgesucht, gefiltert, wurden. Hinter der Abkürzung „MINT“ verbergen sich die Fachbereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Aus ihrer Erfahrung heraus empfiehlt Susanne Peters auch, bei der Vorbereitung nicht auf Lücke zu lernen, also bestimmte Themen beim Lernen bewusst wegzulassen und sich auf andere zu konzentrieren, die vermeintlich einen größeren Erfolg versprechen.
Das Projekt „Die Astronautin“ ist nicht günstig, denn das Training bei der ESA muss ebenso bezahlt werden wie der Platz im Astronauten-Team. Insgesamt muss die Initiative bis zu 50 Millionen Euro aufbringen. Anders als die üblichen Einsätze im All, die in der Regel ein halbes Jahr dauern, soll der der „Astronautin“ nur zehn Tage dauern. Erforscht werden sollen nach Angaben der Initiatoren, wie sich der weibliche Körper in der Schwerelosigkeit verhält. Denn hier gibt es, so Susanne Peters, bei den Forschungen noch Nachholbedarf:
„Jeder ist sich ja bewusst, dass der männliche Körper sich vom weiblichen Körper in gewissen Sachen unterscheidet. Und genauso ist das auch in der Schwerelosigkeit. Bei den Frauen spielen Hormone noch ’n bisschen mehr die Rolle, und das ist alles ‘nbisschen komplizierter. Sprich, das muss ’n bisschen mehr untersucht werden. Jetzt waren aber erst 60 Frauen oben. Sprich, jedes Quantum an Wissen, was man mehr bekommen kann durch eine weitere Frau da oben, wiegt sehr viel in dieser Waagschale an Daten, die man überhaupt hat.“
Zehn Tage müssen nach Ansicht von Susanne Peters reichen, um durch Experimente zusätzliche Erkenntnisse zu gewinnen. Jedes Quantum, jedes kleine Teil, trägt dazu bei. Die Datenbasis wird erweitert – so wie die Schale einer Waage schwerer wird, wenn sie mit etwas befüllt wird. Die zusätzlichen Daten wiegen im übertragenen Sinn in dieser Waagschale sehr viel. Susanne Peters muss weiter „am Ball bleiben“, um ihren Traum zu verwirklichen. Denn sie gehört nicht zu den zwei Finalistinnen, von denen eines Tages eine ins All fliegen soll. Allerdings ist Susanne Peters schon glücklich, sagt sie auf YouTube, dass es überhaupt eine deutsche Astronautin geben soll:
„Vorbild sein muss leider sein noch heutzutage. Und ich hoffe, irgendwann brauchen wir keine Vorbilder mehr. Irgendwann ist es normal.“