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Allianz gegen Plastikmüll

14. Januar 2019

Die Meere haben ein Plastikproblem, die Plastikproduzenten haben ein Imageproblem - dagegen wollen die Chemiekonzerne nun vorgehen. Unter ihnen sind auch BASF und Dow Chemical.

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Vietnam, Hanoi: Frauen sortieren recycelbare Softdrink-Plastikflaschen im Dorf Xa Cau aus
Bild: Reuters/Kham

Ein toter Wal mit 25 Plastiktüten und 115 Plastikbechern im Bauch und tausend weiteren Plastikteilen, das ist kein schöner Werbeträger. Oder mit den Worten der Kommunikationschefin von BASF, Anke Schmidt: "Das Vertrauen in den Nutzen von Kunststoff ist in Gefahr." So berichtete es das "Handelsblatt" jüngst von einem Branchentreffen.

An diesem Montag vermeldete das Blatt, dass die Großen der Plastikindustrie 1,5 Milliarden Dollar in die Hand nehmen wollen, um etwas gegen Plastikmüll zu unternehmen. Bei der internationalen "Alliance to End Plastic Waste" machen gut zwei Dutzend große Konzerne mit - vom Branchenführer Dow Chemical über die deutschen BASF und Henkel bis zu Sabic aus Saudi Arabien und der japanischen Sumitomo.

Indonesien gestrandeter Pottwal mit Plastik im Bauch
Gestrandeter Pottwal mit Plastik im Bauch, in IndonesienBild: picture-alliance/AKKP/M. Tassakka

"Anstoß, die Situation zu ändern"

Ziel des Zusammenschlusses sei, so Dow Chemical-Chef Jim Fitterling, Politik und Produktion "sich in möglichst allen Ländern, also auch in den Schwellenländern, auf ein vernünftiges Abfallmanagement auszurichten." Überall, wo das fehle, gerieten "leider große Mengen an Plastik in die Umwelt". Mit ihrer Initiative wolle die Industrie "einen Anstoß geben, diese Situation zu ändern".

Infografik Plastik Produktion seit 1950 DE

Gelingen könne das unter anderem dadurch, wenn man die Konsumenten davon überzeuge, "dass in dem Kunststoff, den sie jeden Tag wegwerfen, ein Wert steckt". Ähnlich wie beim Aluminium: Die Kunden wurden hier schließlich "über 40 Jahre mit Erfolg darauf konditioniert, Dosen zu sammeln und zu verwerten." Das könne auch beim Kunststoff gelingen, so Fitterling zum "Handelsblatt".

Schon vor einem halben Jahr hatte der Chef von Dow Chemical dem US-Sender CNBC gesagt, man habe "ein Plastikmüll-Problem". Allerdings habe er in der Industrie "noch nie so viel Einigkeit gesehen, um das Problem anzugehen".

Kein Wunder, möchte man sagen - der Wind hat sich gedreht. Plastik gilt nicht mehr als günstiges, praktisches Produkt, das überall im Alltag hilft. Es gilt als Ursache für verseuchte Meere, erkrankte Tiere und vielgestaltige Gefährdung menschlicher Gesundheit. Der EU-Umweltkommissar, Karmenu Vella aus Malta, formulierte es jüngst so: "Wenn wir im einen Jahr den Fisch in einer Tüte heimbringen und im nächsten die Tüte in einem Fisch, dann müssen wir hart und schnell reagieren."

Köln Einweg-Plastikbesteck mit Glasscherben wild entsorgter Glasflaschen als Straßenkunstwerk
Die EU will Einwegplastik verbietenBild: Imago/R. Peters

Plastik in Nordsee und Pazifik

In der Öffentlichkeit kursieren mittlerweile Bilder vom Plastik im toten Wal, von Meeresvögeln, die sich im Plastik verheddern und von riesigen Plastikmüllstrudeln im Pazifik. Der größte dieser gigantischen Müllteppiche hat eine Ausdehnung so weit wie ganz Europa: der "Great Pacific Barbage Patch" im Nord-Atlantik. Aber auch am deutschen Nordseestrand ist der Müll zu besichtigen: Pro 100 Meter Strandabschnitt seien bis zu 389 Müllteile zu finden, berichtet jetzt der Umweltminister von Niedersachsen Olaf Lies. Und davon seien fast 90 Prozent aus Plastik.

So verwundert es nicht, dass eine neue Müllverordnung der Europäischen Union auf eine gewisse Zustimmung unter Konsumenten und Umweltschützern trifft. Ein EU-weites Verbot soll voraussichtlich 2021 in Kraft treten wird und bestimmte Einweg-Plastikprodukte aus dem Handel und der Gastronomie verbannen.

Infografik Plastik Produktion nach Regionen DE

Damit nicht genug: Führt das Verbot nicht zu weniger Plastik in der Natur, dann soll eine sogenannte "erweiterte Herstellerverantwortung" dazukommen - dann sollen die Produzenten zur Kasse gebeten werden, um den Müll zu beseitigen.

Das dürfte teuer werden, sehr teuer. Denn bislang landet der Löwenanteil der Plastikprodukte, die von Firmen aus den USA, Europa und Asien in die Welt gebracht wurden, nicht in der Müllverwertung: Von den weit mehr als 8 Milliarden Tonnen Plastik, die von 1950 bis 2015 produziert wurden, wurden nur 0,8 Milliarden Tonnen verbrannt, 2,6 Milliarden Tonnen sind noch in Gebrauch – der Rest aber wurde weggeworfen: rund 4,9 Milliarden Tonnen.

Infografik Plastik aus Flüssen ins Meer DE

Über die Flüsse ins Meer

Die größte Menge Plastik, vor allem billige Produkte für Verpackung und Transport, wird inzwischen in Asien hergestellt, fast 30 Prozent der weltweiten Produktion kommt aus China, ein weiteres Fünftel aus anderen Teilen Asiens. 18,5 Prozent wurde im Jahr 2016 in Europa produziert, meist sogenannter hochwertiger Kunststoff, der in Autos oder Möbeln verbaut wird. Diese Produkte landen dann auch nicht umstandslos im Meer wie große Mengen des billigen Plastikmülls.

Von den gigantischen Mengen Plastik, die im Meer zu finden sind, wird rund 80 Prozent vom Land aus ins Meer gebracht - meist durch die großen Flüsse der Welt. Und die größte Menge Plastik gelangt auf diesem Weg wiederum in Asien in die Weltmeere. Allein der Jangstsekiang spült jährlich fast 17 Millionen Tonnen Plastik ins Meer, das ist mehr als bei den nächsten Vier in dieser Hitliste der Wasserverseuchung zusammen, nämlich den Flüssen Indus, Huangho, Hai He und Nil.

Wer ist verantwortlich?

Allerdings ist es nicht so, dass westliche Plastikproduzenten lediglich ein Imageproblem hätten, dass sich negativ auf ihre Bilanzen auswirken könnte, wo sie doch weit weniger Plastiktüten und Folien in Umlauf bringen als andere. Verpackungs- und andere Standardkunststoffe kommen auch aus USA, von Dow Chemical und Lyondellbasell, oder von den Chemiesparten der in Europa aktiven Ölkonzerne wie ExxonMobil oder Shell. Allein Dow Chemical machte im zweiten Quartal des vergangenen Jahres einen Umsatz von 6,1 Milliarden Dollar, was einem Plus von 12 Prozent entsprach.

Indien Plastikmüll am Strand von Mumbai
Plastikmüll am Strand von MumbaiBild: picture-alliance/Zuma Press/S. Sharma

So richtig entschieden scheint der Chef des Chemieriesen Dow denn auch nicht in seinem Engagement gegen die Plastikprobleme: "Also zunächst einmal bleibt festzuhalten, dass es nicht die Chemieindustrie ist, die Plastikmüll in die Ozeane befördert", sagte Jim Fitterling dem "Handelsblatt" - und verwies gleichzeitig auf andere: "Aber am Ende des Tages sind es die Konsumenten und die Regierungen, die dafür verantwortlich sind, wie der Abfall behandelt wird." In ein ähnlich geartetes Horn stößt sein deutscher Kollege von der BASF. Martin Brudermüller sagte unlängst dem "Tagesspiegel": "Die Lösung des Problems hat viel mit gesellschaftlicher Verantwortung und der Erziehung zum Mülltrennen und Recyceln zu tun."

ar/dk (dpa, Handelsblatt  - Archiv)