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Alibabas Fintech geht an die Börse

21. Juli 2020

Hinter dem Namen Ant Financial verbirgt sich das am höchsten bewertete Fintech-Unternehmen der Welt. Die Finanzsparte von Alibaba will nun an die Börse - nicht in New York, sondern in Hongkong und Shanghai.

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Hauptquartier der Ant Group in Hangzhou
Bild: Reuters/Shu Zhang

Der Name ist außerhalb Chinas nicht sonderlich bekannt und trotzdem sorgt der angekündigte Börsengang von Ant Financial weltweit für Staunen in der Finanzbranche. Denn wenn die Muttergesellschaft des Bezahldienstes Alipay im Laufe des Jahres den Synchron-Sprung an die Börsen von Shanghai und Hongkong wagt, dann geht die globale Leitbörse New York leer aus. 

Mit der Ant Group betonen die finanzpolitischen Entscheidungsträger im Reich der Mitte ihre Selbstständigkeit gegenüber den USA und unterstreichen, dass man mit dem STAR-Segment der Shanghai Stock Exchange für Wachstumswerte der US-Technologiebörse Nasdaq künftig noch stärker Konkurrenz machen will. 

Die Alles-App - und noch viel mehr

In China ist Alipay allgegenwärtig: Mit der App des Onlineriesen Alibaba bezahlen Kunden im kleinen Laden um die Ecke genauso wie in der Nobelboutique im Einkaufszentrum, beim Lieferdienst von Restaurants oder bei Online-Käufen im Netz. Auch in Nachbarländern wie Japan prangt das Alipay-Logo auf immer mehr Ladentüren und selbst in Deutschland bieten Geschäfte und Restaurants - etwa auf dem Frankfurter Flughafen - chinesischen Kunden die Bezahlung mit Alipay an.

Hauptquartier von Alipay in Shanghai
Alipay ist bis jetzt der wichtigste Umsatzbringer des Fintechs, künftig nimmt die Ant Group den Finanzsektor ins Visier Bild: picture-alliance/dpa/HPIC/Lv Liang

Der elektronische Bezahldienst von Ant Financial und seiner Dachholding Ant Group hat als Marktführer mit 900 Millionen Nutzern einen Anteil von 55 Prozent am chinesischen Markt. Nummer Zwei ist der Bezahldienst Wechat des Internet-Riesen Tencent. 

Doch Alipay ist nicht nur eine App, mit der man per QR-Code Rechnungen begleichen kann, erklärt Holger Schmidt. "Alipay, das Herzstück der Ant Group, ist viel mehr als ein Bezahldienst. Alipay ist eine 'Superapp', mit der Hunderte Millionen Menschen ihr digitales Leben organisieren. Einkaufen, Unterhaltung, Geldanlage, Bildung - einfach alles findet in einer App statt", unterstreicht Schmidt, der an der TU Darmstadt Netzökonomie lehrt. "Das funktoniert nur mit einem cleveren Plattform-Modell und genau das macht das Unternehmen so wertvoll."

Und wertvoll ist der Börsenaspirant mit einem geschätzten Wert von über 200 Milliarden US-Dollar tatsächlich - auch im Vergleich mit traditionellen Geldhäusern. 

Fintech auf der Überholspur

Die US-Investmentbank Goldman Sachs wird aktuell an der Börse "nur" mit rund 75 Milliarden Dollar bewertet. Die amerikanische Großbank Wells Fargo, die ein Drittel aller US-Haushalte zu ihren Kunden zählt, kommt aktuell gerade einmal auf etwas mehr als 100 Milliarden Dollar Börsenwert. Und selbst im Heimatland China steigt die Ant Group nach ihrem Börsengang in die Oberklasse auf. Ihr Wert würde dann etwa der Marktkapitalisierung einer der "Großen Vier" dortigen Banken, der staatlichen China Construction Bank mit etwa 15.000 Filialen und mehr als 200.000 Mitarbeitern entsprechen. Zum Vergleich: die Deutsche Bank kommt aktuell gerade einmal auf einen Börsenwert von knapp 21 Milliarden Dollar.

Große Pläne

Noch ist Alipay der wichtigste Geschäftsbereich der Ant Group. Im Interview mit dem US-Wirtschaftsfernsehsender CNBC hatte Ant Group-Topmanager Eric Jing bereits vor anderthalb Jahren angekündigt, dass das Kerngeschäft in Zukunft Technologie-Dienstleistungen sein werden, die man an Finanzinstitute wie Banken verkaufen will. 

Ant Financial investiert deshalb bereits seit jahren stark in Technologien wie die Blockchain, das System, das durch die Kryptowährung Bitcoin bekannt wurde. 

Gibt damit Alibaba-Gründer Jack Ma, der als Mehrheitseigner die Ant Group kontrolliert, die Richtung auch für andere Plattform-Giganten wie Amazon vor? 

Jack Ma beim Weltwirtschaftsforum in Davos, Schweiz
Jack Ma hat sich aus dem Tagesgeschäft bei Alibaba zurückgezogen und besitzt die Mehrheitsanteile am Fintech Ant GroupBild: Reuters/D. Balibouse

"Amazon hat zwar auch einige Schritte in Richtung Finanzen gemacht, zum Beispiel Kredite für Händler, eine Kreditkarte für Privatkunden oder auch Versicherungen. Allerdings liegt bei Amazon sicher nicht die höchste Priorität auf diesem Thema", sagt Netzökonom Holger Schmidt. 

Eric Jing von Ant Financial ließ dagegen schon Ende 2018 keinen Zweifel darüber aufkommen, dass Alipay nur der Anfang ist: "Ant Financial war vom ersten Tag als Technologieunternehmen positioniert. Bisher haben wir aber nur gezeigt, wie man Technologie wirklich nutzen kann, um innovativ zu sein. Wir haben Beispiele geschaffen, um Finanzdienstleistungen neu zu definieren, die die Menschen fühlen und anfassen können", so Jing. 

Dass der Börsengang ausschließlich in Hongkong und Shanghai stattfindet, bedauert Netzökonmie-Experte Holger Schmidt. "Der US-Präsident hat gedroht, chinesischen Aktien den Zugang zu den US-Börsen zu verschließen. Einige Unternehmen haben darauf mit einem Zweitlisting in Asien reagiert. Wenn jetzt die Ant Group ausschließlich in Asien an die Börse geht, ist das natürlich auch ein politisches Signal im Streit der beiden Supermächte. Sehr schade, denn für das Unternehmen und die Anleger wäre ein Börsengang in Amerika besser gewesen."

Thomas Kohlmann
Thomas Kohlmann Redakteur mit Blick auf globale Finanzmärkte, Welthandel und aufstrebende Volkswirtschaften.