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PolitikNahost

Al-Sisi und Macron: Ungewollte Partner

7. Dezember 2020

Beim Besuch des ägyptischen Präsidenten al-Sisi in Paris offenbarten sich die ambivalenten Beziehungen zwischen beiden Staaten: Sie teilen gemeinsame strategische Interessen, streiten aber über Menschenrechte.

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Frankreich Paris | Treffen | Macron und al-Sisi
Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi (l) und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron vor dem Elysée-Palast in ParisBild: Eliot Blondet/ABACA/picture alliance

Kein Boykott, statt dessen Dialog. Auf diese Formel hat der französische Präsident Emmanuel Macron die künftige Haltung seines Landes gegenüber Ägypten gebracht. Zwischen beiden Staaten gebe es mit Blick auf Menschenrechte zwar Meinungsverschiedenheiten, doch über die rede man offen, erklärte der Präsident anlässlich des dreitägigen Staatsbesuchs seines ägyptischen Amtskollegen Abdel Fatah al-Sisi zu Beginn dieser Woche in Paris.

"Ich würde unsere Zusammenarbeit in Verteidigungs- oder Wirtschaftsfragen nicht von diesen Meinungsverschiedenheiten abhängig machen. Zunächst einmal, weil ich an die Souveränität der Nationen und die Achtung unserer legitimen und gegenseitigen Interessen glaube."

Mit diesen Worten versucht Macron den Protest zu beschwichtigen, den der Besuch al-Sisis in Frankreich bei Menschenrechtsorganisationen auslöste. Die ägyptische Regierung versuchte, der Kritik ein wenig den Wind aus den Segeln zu nehmen, in dem sie wenige Tage vor der Reise al-Sisis nach Paris drei im November verhaftete Aktivisten der "Ägyptischen Initiative für Persönliche Rechte" (EIPR) aus dem Gefängnis entließ.

"Jetzt oder nie"

Die Verhaftung der drei Aktivisten erfolgte, nachdem die Organisation mit ausländischen Diplomaten aus 13 westlichen Ländern über die Menschenrechtslage in Ägypten diskutiert hatte. Der bereits im Februar verhaftete Student und Aktivist Patrick Zaki, ebenfalls Mitglied der Initiative, befindet sich immer noch in Haft. 

Im Vorfeld des Besuchs hatte die französische Menschenrechtsorganisation "Fédération internationale pour les droits de l'homme" (FIDH) die französische Regierung aufgefordert, sich gegen die Menschenrechtsverletzungen in Ägypten zu stellen. "Die französische Diplomatie zeigt bis in ihren Spitzen seit langem eine unverkennbare Nachlässigkeit gegenüber der brutalen Unterdrückung von Präsident Al-Sisi gegen jede Form der Dissidenz. Jetzt oder nie muss Präsident Macron sein immer wieder geäußertes Engagement zugunsten der Menschenrechte einhalten", heißt es auf der Internetseite der Gruppe.

Libyen-Ägypten-Waffenruhe
Panzer in der Stadt Tarhuna: Der nordafrikanische Staat Libyen befindet sich seit zehn Jahren im Bürgerkrieg Bild: Getty Images/AFP/M. Turkia

Dreieck Paris, Kairo, Abu Dhabi

Macron befindet sich in einer schwierigen Lage. Denn außenpolitisch ist Ägypten für Frankreich gleich in mehrfacher Hinsicht ein wichtiger Partner. Im libyschen Bürgerkrieg unterstützen beide Länder gemeinsam mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Russland die Truppen der Exilregierung in Tobruk unter dem Kommando von General Khalifa Haftar. Die international anerkannte Regierung unter Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch in Tripolis wird unter anderem von der Türkei unterstützt.

"Die Konfrontation mit der Türkei hat die ideologische Nähe zwischen Frankreich und Ägypten verstärkt", sagt Claire Talon, Politologin am Arabischen Zentrum für Forschung und Studien in Paris (Carep), gegenüber der französischen Tageszeitung "Libération". Die gemeinsame Gegnerschaft zur Türkei habe ein "Dreiecksverhältnis zwischen Paris, Kairo und Abu Dhabi" entstehen lassen, "das die gesamte französische Nahostpolitik bestimmt."

Frankreich verfolgt in Libyen zugleich ein weiteres Ziel: Es will die Flucht- und Migrationsbewegungen aus Afrika möglichst unter europäische Kontrolle zu bringen. Die europäischen Staaten haben in dieser Hinsicht vor allem eine Sorge: Gewänne die Türkei direkt oder indirekt mehr Einfluss in Libyen, könnte Ankara dies dazu nutzen, um Europa zusätzlich unter Druck zu setzen.

Auch beim Kampf gegen Dschihadismus betrachtet Frankreich Ägypten als Partner. Wie groß der Einfluss Kairos ist, ist allerdings umstritten. "Das ägyptische Regime übertreibt mit seinen Fähigkeiten, wenn es sich als Bollwerk für Europa gegenüber Extremisten darstellt", sagt Hissein Baoumi, bei der französischen Sektion von Amnesty International für Ägypten zuständig. Auch lasse sich schwer kontrollieren, was Ägypten südlich von Libyen tatsächlich zur Kontrolle der Migrationsbewegungen beitragen könne.

Mittelmeer Übung der griechischen Marine
Ein griechisches Kriegsschiff bei einer Übung im östlichen Mittelmeer im August 2020Bild: AFP/Greek defence ministry

Streit ums Gas

Ägypten wiederum hat Interesse, die im östlichen Mittelmeer vor einigen Jahren entdeckten Gasfelder zu nutzen. Diese teilt es sich mit drei weiteren Staaten, nämlich Griechenland, Zypern und Israel. Das wiederum will die Türkei nicht hinnehmen, die auf der Grundlage eines international nicht anerkannten Gebietstausches mit Libyen ebenfalls Anspruch auf einen Teil dieser Gasfelder gestellt hat.

Nachdem sich der Konflikt über Monate nicht lösen ließ, schickte die Türkei ein von kleineren Kriegsschiffen militärisch eskortiertes Forschungsschiff in die Region um die Gasfelder und forderte damit Ägypten und seine Partner heraus.

Diese antworten unter anderem mit dem vor fünf Tagen begonnenen gemeinsamen Seemanöver "Medusa 10". An ihm nehmen auch Einheiten Frankreichs und der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) teil, andere Länder - darunter auch Deutschland - fungieren als Beobachter.

Über ihren engen Partner Katar reicht der Einfluss der Türkei bis auf die arabische Halbinsel. So ist Frankreich - wie Europa überhaupt - aus der Sicht Katars ein wichtiger Partner, um den Einfluss der Türkei weiter nördlich, nämlich am Mittelmeer einzuhegen. In Paris ist man überzeugt, dass bei Ägypten für diese Aufgabe ein wichtiger Partner ist.

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika