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PolitikGabun

Afrika: Putschwelle schürt Ängste der Autokraten

Martina Schwikowski
6. September 2023

Der Staatsstreich in Gabun zeigt Wirkung: Mancher Präsident sieht seine Macht bedroht und setzt neue Generäle ein. Die Gefahr von Umstürzen bestehe weiter - nicht immer im Dienste der Bevölkerung, mahnen Experten.

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Gabun, Port-Gentil | Unterstützer der Putschisten feiern in den Straßen von Port-Gentil
Gabuner feiern den jüngsten Putsch - sie hoffen auf eine bessere Regierung als unter Autokrat Ali Bongo OndimbaBild: REUTERS

Mit dem Staatsstreich in Gabun steigt die Nervosität auf dem Kontinent: Die militärische Machtübernahme in dem zentralafrikanischen Land hat gezeigt, auch andere Autokraten sitzen möglicherweise auf einem Schleudersitz - sollte die jüngste Putsch-Welle in Afrika weitere Kreise ziehen.

Nur gut einen Monat nach der Machtübernahme in Niger - dort war der 2021 demokratisch gewählte Präsident, Mohamad Bazoum, gestürzt worden - hat der Putsch in Gabun für Unruhe in der Region, aber auch in anderen Ländern gesorgt.

Alleinherrschaft unerwünscht

Vier Tage nach den Präsidentschaftswahlen in Gabun haben Soldaten den Staatschef Ali Bongo Ondimba abgesetzt - nach 14 Jahren im Amt. Zuvor war sein Vater Omar Bongo an der Macht, von 1967 bis zu seinem Tod 2009.

Die nächste Generation, Ali Bongos Sohn, stand schon in den Startlöchern, um den Vater abzulösen. Es ist diese Alleinherrschaft einer Familie, die schon lange für Unzufriedenheit in der Bevölkerung sorgte. Dahingehend ist Gabun kein Einzelfall in Afrika.

Ein Blick auf das benachbarte Kamerun zeigt mögliche Auswirkungen des Putsches: Stunden, nachdem Soldaten in Gabun den neuen Staatschef benannten, wechselte der 90-jährige Präsident Paul Biya, der seit über 40 Jahren in Kamerun regiert, seine militärische Führung aus.

Paul Biya, Präsident von Kamerun
Kameruns Präsident Paul Biya will auch im Alter von 90 Jahren noch an der Macht bleibenBild: Jemal Countess/UPI/newscom/picture alliance

Parallelen zwischen Gabun und Kamerun zu ziehen - das findet der politische Analyst Alex Gustave Azebaze schwierig. "Kameruner wie ich verfolgen sehr aufmerksam, was in Gabun geschieht, ohne sich großen Illusionen hinzugeben. Wir glauben an ein Wiedererstarken der kamerunischen Demokraten aus allen Lagern, um zu verhindern, dass sich das Militär in das politische Spiel einmischt", sagt er zur DW.

Auch Ruandas Präsident Paul Kagame - seit 2003 im Amt - versetzte vorige Woche gehobene Militärs in den Ruhestand. Kurz nach Gabuns Putsch besetzte Umaro Sissoco Embaló, seit 2020 Präsident von Guinea-Bissau, zwei neue Positionen mit Sicherheitsberatern zu seinem Schutz.

"Es stimmt, dass Staatsstreiche, die von Sicherheitsbeamten des Präsidenten ausgeführt werden, in Mode gekommen sind", sagte der Präsident vor Reportern und versicherte, dass "jede verdächtige Bewegung mit einer angemessenen Antwort beantwortet werden wird".

Pro-Putsch-Demo in Nigers Hauptstadt Niamey
Teile der Bevölkerung unterstützen den Militärputsch in Niger - wie hier bei einer Demonstration Anfang AugustBild: Mahamadou Hamidou/REUTERS

Im südlichen Mosambik verurteilte der Präsident Filipe Nyusi den Putsch in Gabun. Es gebe keine Gründe, die einen Staatsstreich rechtfertigten, denn in jedem Land gebe es Probleme - und Putsche lösten die Entwicklungsprobleme des Kontinent nicht.

Er ergänzte, die Art und Weise, wie Demokratie auf dem Kontinent ausgeübt wird, müsse überprüft werden. Nyusi regiert seit 2015. Der Staat geht mit Repressionen gegen Proteste der Bevölkerung vor.

Celestine Odogu von der Universität Abuja in Nigeria sieht das schleichende Comeback des Militärs als eine andere Art der Revolution. Diese könne durch gute Regierungsführung auf- oder in Schach gehalten werden. Denn viele Politiker würde ihre Wahlversprechen nicht einhalten, so Odogu.

Ursachen: Armut und kaum Reformen

Dynamiken von Staatsstreichen sind das Forschungsgebiet von John Chin an der Carnegie Mellon Institut für Sicherheit und Technologie an der Universität Pittsburgh. Afrika sei das Epizentrum der Staatsstreiche, aber keiner gleiche dem anderen, sagte Chin im DW-Interview.

"Wir können unterscheiden zwischen Putschen, die einen Regimewechsel herbeiführen, um demokratisch gewählte Regierungen zu stürzen, wie wir es in Niger gesehen haben. Und Putsche, bei denen die Führungsriege ausgetauscht wird, um das herrschende Regime zu erhalten, wie vor einigen Jahren im Tschad."

Preisexplosion und Lebensmittelkrise nach Putsch in Niger

Aber die Vielfalt der Coups sei groß, ihre Gründe klar zu benennen schwierig. Doch als Ursachen für das Wiederaufleben seien lokale und regionale Einflüsse wie Armut und mangelnde Demokratiebestrebungen zu nennen - eher als die Präsenz internationaler Akteure wie Russland, Frankreich oder die Vereinigten Staaten.

Keine Rückkehr zur Demokratie

Während es laut Chin Anfang des Jahrtausends in Afrika seltener zu Putschversuchen kam, gab es alleine zwischen 2020 und 2022 elf Stück. Mit Niger und Gabun in diesem Jahr steigt die Zahl auf 13 binnen drei Jahren. Mehrheitlich passierten diese Staatsstreiche in Westafrika. Seit 2020 kam es dort zu sechs geglückten Putschen: zwei in Mali, zwei in Burkina Faso, einer in Guinea und zuletzt einer in Niger.

Mamady Doumbouya in Uniform und mit Sonnenbrille
​​Mamady Doumbouya ist Anführer der Putschisten, die 2021 in Guinea Präsident Alpha Condé stürztenBild: uncredited/AP/picture alliance

Das politische Fazit ist ernüchtert: "Diejenigen, die eine schnelle Rückkehr zur demokratischen Regierung versprochen hatten, hielten sich nicht daran", sagt Chin. Juntas in der Region hätten unter Druck von Sanktionen von der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS, den USA, Frankreich und anderen Staaten politische Versprechungen gemacht.

Nach Aufheben der Sanktionen, zögen sie aber alles zurück: "Wir haben keine erfolgreiche Rückkehr zur Demokratie in einem dieser Länder feststellen können."

Putsche nicht vorhersagbar

Putschisten müssten strategisch vorgehen, wenn sie die Macht ergreifen und behalten wollen, sagt Chin. Ein wichtiger Faktor in ihrem Kalkül sei die internationale Reaktion.

"Wenn der Hammer der Sanktionen fällt, wird es schwierig, an der Macht zu bleiben." Daher spiele die Kontinuität aktiver Diplomatie durch die Afrikanische Union und die internationale Gemeinschaft eine wichtige Rolle, um Putsche entweder zu beenden oder - was eher wahrscheinlich sei - die Dauer zu verkürzen, die Putschregierungen an der Macht sind.

Nach Einschätzung von Chin wird der Putsch in Gabun nicht der letzte auf dem Kontinent gewesen sein. "Wir werden Putsch-Aktivitäten in Afrika sehen", glaubt Chin. Oft hätten Putschisten untereinander eine Verbindung, seien zum Beispiel in Paris ausgebildet worden.

Und ein Putsch könne in die Nachbarschaft überschwappen. Aber für diese Theorie gebe es keine Beweise. "Die Sache mit erfolgreichen Putschen ist, dass man sie nicht leicht kommen sieht, so auch in Gabun."

Mitarbeit: Moki Edwin Kindzeka, Elisabeth Assen, Ben Shemang, Christine Mhundwa

Korrektur am 8. September 2023: In einer früheren Version hieß es, dass es laut John Chin von 2007 bis 2018 keine Putschversuche in Afrika gab. Korrekt ist, dass es in den Jahren 2007 und 2018 keine Putschversuche gab - nicht in dem Zeitraum dazwischen. Die Passage wurde angepasst. Der Fehler lag bei der Redaktion, nicht John Chin. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.