Afrika macht deutsche Firmen neugierig
1. September 2019"Auf nach Afrika, dort liegen die Zukunftsmärkte", sagte der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller vor einigen Wochen. Der Appell richtet sich an die deutsche Wirtschaft. Müller will, dass die Unternehmen stärker in Afrika aktiv werden. Und offenbar sind die gar nicht so abgeneigt.
In den ersten fünf Monaten dieses Jahres ist der Handel mit Afrika laut dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 12,7 Prozent gestiegen. Und über die Hälfte der deutschen Unternehmen wollen nach Angaben des AHK World Business Outlook mehr in Afrika investieren.
Christoph Kannengießer, Geschäftsführer des Afrika-Vereins der Deutschen Wirtschaft, teilt diesen Eindruck: "Wir sehen zunehmendes Interesse deutscher Unternehmen, sich in Afrika zu betätigen."
In einigen afrikanischen Ländern ging es in den letzten Jahren wirtschaftlich rasant bergauf. Wachstumsraten von jährlich rund sieben Prozent sind in Äthiopien, Ghana, Ruanda oder der Elfenbeinküste normal. Dass sich die Konjunktur in anderen Weltregionen derzeit abkühlt, macht den südlichen Nachbarkontinent für deutsche Firmen zusätzlich attraktiv.
Bisher spielt Afrika im deutschen Außenhandel keine wichtige Rolle. 2018 importierte die Bundesrepublik Waren im Wert von 22,5 Milliarden Euro aus Afrika. Das machte knapp zwei Prozent der gesamtdeutschen Importe aus. Umgekehrt gingen 1,7 Prozent der deutschen Exporte auf den südlichen Nachbarkontinent. Insgesamt lag das Handelsvolumen bei rund 45 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Allein mit Ungarn handelt Deutschland mehr.
Autos nach Südafrika, Öl aus Nigeria
Hinzu kommt: Der Handel mit Deutschland verteilt sich auf dem afrikanischen Kontinent sehr ungleich. Allein auf Südafrika entfällt fast die Hälfte. Daneben sind Nigeria und nordafrikanische Länder die zentralen Handelspartner. Diese Konzentration ist laut Kannengießer auch ein Grund, warum die Handelszahlen mit Afrika relativ stark schwanken.
"Wenn Südafrika schwächelt, dann macht sich das natürlich auch relativ stark bemerkbar. Wir beobachten eher schwache Wachstumsraten in den großen Volkswirtschaften Nigeria und Südafrika. Im Maghreb-Bereich war es auch zeitweise schwierig, und das hinterlässt dann natürlich auch Spuren. Selbst dann, wenn sich die Handelszahlen in den übrigen Regionen sehr gut entwickeln."
Nach einem Wachstum im Jahr 2017 waren die deutschen Exporte nach Afrika 2018 um rund elf Prozent eingebrochen. Deutschland liefert in die afrikanischen Staaten vor allem Maschinen und Autos, Elektronik und chemische Produkte. Umgekehrt sind Erdöl und Erdgas die wichtigsten Importgüter - sie machen rund ein Drittel der Einfuhren aus Afrika aus, gefolgt von Agrarprodukten, Autoteilen und Metallen. Noch immer ist Afrika also in erster Linie Rohstofflieferant.
"Wir müssen uns nach der Decke strecken"
Die deutsche Bundesregierung will die wirtschaftliche Entwicklung in Afrika stärken - nicht zuletzt, um die Menschen dort davon abzuhalten, in Europa ein besseres Leben zu suchen.
So rief Bundeskanzlerin Angela Merkel 2017 das Afrika-Jahr aus und machte den Kontinent zum Schwerpunktthema der deutschen G20-Präsidentschaft. Aus dem Entwicklungsministerium kam im selben Jahr der "Marshallplan für Afrika". Außerdem versprach Merkel einen Fonds mit einer Milliarde Euro, um Investitionen in Afrika zu fördern und abzusichern, denn bei den Direktinvestitionen hinkt Deutschland besonders hinterher. Nur ein Prozent der deutschen Auslandsinvestitionen gehen derzeit - Stand April 2019 - nach Afrika. Der erste Teil des Fonds unter dem Namen "AfricaConnect" ist mittlerweile angelaufen. Unternehmen können sich auf Darlehen von bis zu vier Millionen Euro für Investitionen in Afrika bewerben.
Erreichen will die Politik damit vor allem den deutschen Mittelstand. Kannengießer erklärt: "Für deutsche Mittelständler gab es in den letzten Jahren nicht zwingend Anlass, sich in besonderer Weise mit den afrikanischen Märkten zu beschäftigen. Die sind als Einzelmärkte jeweils relativ klein und kompliziert, und es gibt zu ihnen auch keine traditionellen Beziehungen, wie sie beispielsweise unsere Nachbarn aus Frankreich haben." Auch das teilweise negative Bild, das in den Medien von Afrika gezeichnet werde, habe einen Einfluss.
Chancen für deutsche Unternehmen sieht Kannengießer bei erneuerbaren Energien und der Produktion von Gebrauchsgütern und Autos. Auch in der Infomations- und Sicherheitstechnologie hätten afrikanische Regierungen großen Bedarf. "Das sind alles Bereiche, wo wir als deutsche Wirtschaft einen exzellenten Ruf haben und wo die afrikanischen Staaten sehr gerne mit deutschen Unternehmen zusammenarbeiten."
Von der Politik fordert er allerdings noch mehr finanzielle Absicherung. Export-Garantien müssten ausgeweitet werden, auch die Selbstbehalte der Unternehmen seien für viele afrikanische Länder zu hoch angesetzt. "Die Chinesen sind da teilweise sehr aggressiv, gerade bei der Finanzierungsunterstützung bei Großprojekten. Da müssen wir uns nach der Decke strecken."
Nicht jede Investition schafft Jobs
Reinhard Palm, Leiter der Afrika-Abteilung bei der kirchlichen Hilfsorganisation "Brot für die Welt", findet dagegen, dass die Förderpolitik teilweise in eine falsche Richtung läuft. Zu viel Geld fließe in die Taschen europäischer Großkonzerne.
Seiner Ansicht nach sollten auch afrikanische Unternehmen Zugang zu den Förderinstrumenten haben. Im Zentrum müsse die Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe stehen - also Betriebe, die in Afrika Produkte für den afrikanischen Markt produzieren. Sonst sei das "Wirtschaftsförderung für deutsche Unternehmen, aber nicht die Stärkung der Wirtschaft in Afrika", so Palm. "Da muss man einfach ehrlich sein."
Wichtig fände Palm den Aufbau einer lebensmittelverarbeitenden Industrie in Afrika. "Da verrotten die Rohprodukte der Bauern vor Ort und gleichzeitig konsumieren die Leute verarbeitete Produkte aus dem Ausland." Denn obwohl es in afrikanischen Ländern viele Rohstoffe gibt, müssen verarbeitete Lebensmittel - vom Orangensaft bis zur Schokoladentafel - meist teuer importiert werden.
Torpediert die EU den innerafrikanischen Handel?
Was der Wertschöpfung auf dem Kontinent wirklich Aufwind verschaffen würde, wäre eine afrikanische Freihandelszone. Pläne und Verhandlungen dazu gibt es bereits seit mehreren Jahren. 54 Mitgliedsstaaten der Afrikanischen Union haben mittlerweile ein Abkommen ratifiziert, das die Errichtung einer solchen Freihandelszone vorsieht.
Afrika-Experte Palm ist der allerdings Meinung, dass die Europäische Union diese Entwicklungen torpediert. Denn die setzt bisher auf Partnerschaftsabkommen mit einzelnen afrikanischen Ländern oder Ländergruppen. Im Rahmen dieser sogenannten EPAs (Economic Partnership Agreements) verpflichten sich die Staaten, ihre Märkte zu 80 Prozent gegenüber Europa zu öffnen. Im Gegenzug bekommen sie vollständige Zollfreiheit für die EU.
Viele afrikanische Länder wehren sich bisher gegen diese EPAs. Zu groß ist die Sorge, dass durch die europäische Billigkonkurrenz zum Beispiel im Lebensmittelsektor die eigene Landwirtschaft kollabiert.
Abkommen gibt es bisher unter anderem mit Namibia, Südafrika und den westafrikanischen Staaten Ghana und der Elfenbeinküste. Palm kritisiert: "Diese westafrikanischen Länder haben, obwohl sie eine Zollunion sind, zukünftig unterschiedliche Außenzölle. Und jeder weiß: Damit ist die Zollunion in Teilen außer Kraft gesetzt."
Durch solche unterschiedliche Außenzölle würden auch die Pläne für eine panafrikanische Freihandelszone unterlaufen. "Die Zukunft wäre, sich auf eine gesamtafrikanische Freihandelszone einzustellen, sie zu unterstützen und alles zu tun, damit sie zum Leben kommt", so Palm.