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"Büro in Nordkorea macht Sinn"

Esther Felden20. Januar 2016

Die Presseagentur AFP eröffnet ein ständiges Büro in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang. Asien-Pazifik-Direktor Philippe Massonnet über die Hintergründe - und was AFP sich davon verspricht.

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Kim Il Sung Statue in Pjöngjang (Foto: picture alliance / dpa)
Bild: picture alliance / dpa

Am Dienstag (19.01.2016) unterzeichneten Vertreter der Agence France Press (AFP) und der staatlichen Korean Central News Agency (KCNA) in Paris einen entsprechenden Vertrag. Nur wenige internationale Medien verfügen über eigene Zweigstellen in Nordkorea. AFP ist nach Associated Press (AP) die zweite Nachrichtenagentur, die dort bald vertreten sein wird. Das Büro soll trimedial arbeiten und sowohl Texte und Fotos als auch Videomaterial anbieten. Das Korrespondentennetzwerk der AFP ist überall auf der Welt vertreten, auch in Krisenregionen gibt es eigene Büros: beispielsweise in Syrien, Irak und Afghanistan. Nun kommt mit Nordkorea ein weiteres Land hinzu, in dem es aus anderen Gründen schwierig ist, journalistisch zu arbeiten.

Deutsche Welle: Warum haben Sie sich dafür entschieden, ein Büro in Pjöngjang aufzumachen?

Philippe Massonnet: Als internationale Nachrichtenagentur müssen wir einfach überall dort sein, wo es möglich ist. Insofern ist es für uns nur logisch, auch in Nordkorea vertreten zu sein. Wir haben 200 Büros in 150 Ländern der Welt. Nun kommt Nordkorea dazu.

Nordkorea ist eines der am stärksten abgeschotteten Länder der Welt - mit totaler Pressezensur. Was hoffen Sie sich dort journalistisch erreichen zu können?

Es gibt ja immer noch viele Länder auf der Welt, in denen AFP vertreten ist und in denen schwierige Arbeitsbedingungen herrschen. Die Tatsache, dass ein Land sich abschottet, ist erst einmal kein Grund für AFP, nicht dorthin zu gehen. Damals in den 40er, 50er und 60er Jahren haben wir und andere Agenturen auch Büros in Ländern eröffnet, die sehr verschlossen waren. Ich denke, wir müssen einfach präsent sein, wo wir präsent sein können.

Porträt von Philippe Massonnet, Direktor der Asien-Pazifik-Zentrale der AFP mit Sitz in Hongkong (Foto: AFP)
Philippe Massonnet leitet die Asien-Pazifik-Zentrale der AFP mit Sitz in HongkongBild: AFP

Wie eng werden Sie überwacht werden? Inwieweit wird es überhaupt möglich sein, irgendetwas aus dem Land zu publizieren, ohne dass es vorher von Mitarbeitern der Zensurbehörde gelesen wurde?

Wir werden alles veröffentlichen, was wir können. Alles, was in Nordkorea von unseren Leuten produziert wird, wird auch nach AFP-Standards redigiert, hauptsächlich in unserer Regional-Zentrale in Hongkong. Da gibt es keinen Unterschied zu anderen Standorten. Unsere Leute machen Fotos und Videos und schreiben Geschichten. Und das Material schicken sie dann nach Hongkong. Das gilt für Nordkorea genauso wie für alle anderen Büros.

Wir sind auch in anderen Ländern aktiv, in denen es Überwachung gibt. Die Überwachung an sich ist nicht das Problem, das ist nicht so eine große Sache. Ein Problem wäre es nur, wenn unsere Produkte zensiert würden. Zensur ist gängige Praxis in einigen Ländern. Für uns ist es wichtig, dort vor Ort zu sein und zu dokumentieren und zu drehen, was wir sehen. Und dieser Job ist in Nordkorea genauso wie in anderen Ländern, in denen die Arbeitsbedingungen schwierig sind.

Internationale Hilfsorganisationen haben praktisch immer einen offiziellen Begleiter dabei und können sich nicht frei im Land bewegen. Wie wird das bei AFP sein?

Das wissen wir noch nicht. Nochmal: Wir arbeiten heute in vielen schwierigen oder gefährlichen Ländern. Ländern, in denen es keine Pressefreiheit und kein Recht auf freie Meinungsäußerung gibt. Wir werden einfach sehen, was auf uns zukommt und wie es wird. Wir werden versuchen, genau das zu tun, was wir anderswo auch machen: Geschichten produzieren, redigieren und dann an unsere Kunden schicken.

Werden Sie auch versuchen, sensible Themen wie beispielsweise die Menschenrechtsverletzungen im Land oder das nordkoreanische Atomprogramm zu recherchieren?

Wir müssen schauen, wo die Grenzen des Möglichen sind. Auch das ist genau wie in anderen schwierigen Ländern. Wir werden tun, was wir können. Wenn wir etwas finden, was wir für berichtenswert erachten, werden wir das Thema nach unseren üblichen Kriterien angehen. Auch wenn es manchmal nicht einfach ist - von unserer Arbeit abhalten wird es uns nicht.

Wie viele Mitarbeiter wird das Büro in Pjöngjang haben? Und werden Sie auch nordkoreanisches Personal haben?

Ja, es gibt zwei nordkoreanische Mitarbeiter, die ständig dort sein werden. Beide sind Journalisten und werden von uns zusätzlich in der Regional-Zentrale in Hongkong weitergebildet und an Schulungen teilnehmen. Geleitet wird der neue Standort in Pjöngjang vom Chef unseres Büros in Seoul. Und jeden Monat werden wir Teams aus Südkorea, China oder Hongkong nach Nordkorea entsenden. Wir haben also die ständigen lokalen Mitarbeiter, die immer dort sind und darüber hinaus regelmäßig ausländische Kollegen vor Ort. Genauso machen andere Medienunternehmen es auch. Denn in Nordkorea ist es ausländischen Medien verboten, dauerhaft eigene Journalisten im Land zu haben.

Wie viel Zeit wird der AFP-Büroleiter denn dann tatsächlich in Pjöngjang verbringen?

Das können wir im Grunde selbst entscheiden. Grundsätzlich können wir jeden Monat hin, sagen wir mal für zehn Tage. Wenn wir denken, dass es sich lohnt. Hochgerechnet auf zwölf Monate ist das wirklich eine gute Gelegenheit, darüber zu berichten, was in diesem Land passiert, vor allem mit Fotos und Filmmaterial

Aber das sind ja doch einige Zugeständnisse, die Sie machen mussten, um überhaupt die Einwilligung von nordkoreanischer Seite für Ihr Büro zu bekommen.

Ich denke nicht, dass wir Zugeständnisse gemacht haben. Es gibt viele Ländern auf der Welt, in denen wir nur mir einheimischen Kräften arbeiten können. Und dann gibt es Standorte, wo nur Ausländer eingesetzt werden können. Soetwas ist kein Zugeständnis. Es ist eine große Chance für AFP, aus einem Land zu berichten, in das nur sehr wenige Journalisten regelmäßig reisen können. In jedem Land gibt es Regeln, die man befolgen muss. Auch wenn es Regeln sind, die man eigentlich nicht unterstützen kann. Wir tun das. Aber trotzdem denke ich, dass es genug Raum gibt, um journalistisch aus Nordkorea zu berichten.

Worauf sind Sie persönlich am meisten gespannt?

Ausländische Medien berichten nicht oft aus Nordkorea, wenn man mal von ein paar Großereignissen wie den Militärparaden oder anderen Massenveranstaltungen absieht. Wir haben hier also eine seltene Gelegenheit, wir können jeden Monat vor Ort sein und unsere Kunden mit Material beliefern, das sie bisher nicht bekommen haben. Unsere Kunden in Asien - vor allem in Japan und Südkorea - haben sehr große Erwartungen an uns. Sowohl aus redaktioneller als auch aus kommerzieller Sicht im Hinblick auf das Interesse unserer Kunden macht es Sinn, in Nordkorea vertreten zu sein.

Philippe Massonnet ist Asien-Pazifik-Direktor von AFP in Hongkong.

Das Interview führte Esther Felden.