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"Kompromiss ist unwahrscheinlich"

Anne Allmeling9. Januar 2013

Ägyptens Präsident Mursi will zwischen den beiden palästinensischen Parteien Fatah und Hamas vermitteln. Doch das wird Mursi nicht so einfach gelingen, meint Suleiman Abu Dayyeh im DW-Gespräch.

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Chaled Maschaal und Mahmud Abbas (Foto: Getty Images)
Chaled Maschaal und Mahmud AbbasBild: AFP/Getty Images

DW: Palästinenserpräsident Mahmud Abbas von der Fatah und Hamas-Politbüro-Chef Chaled Maschaal wollen in Kairo miteinander sprechen. Der eine ist Palästinenserpräsident, der andere ist ein potenzieller Kandidat. Treffen da zwei Konkurrenten aufeinander?

Suleiman Abu Dayyeh: Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube nicht, dass sich Maschaal oder die Hamas-Bewegung zur Wahl stellen werden, wenn es um den Präsidenten geht. Außerdem glaube ich nicht, dass die Hamas zurzeit daran denkt, Wahlen abzuhalten oder daran teilzunehmen. Sie glauben, dass die Zeit noch nicht reif ist, sich an den Wahlen zu beteiligen – auch, weil sie den Ausgang dieser Wahlen nicht einschätzen können.

Was führt die beiden in Kairo zusammen?

Das ist der immer wiederkehrende Versuch, die Spaltung zwischen dem Westjordanland und dem Gazastreifen zu überwinden. Es gab in den vergangenen Monaten und Jahren immer wieder Versuche dieser Art, die aber auch immer wieder gescheitert sind. Anscheinend ist der ägyptischen Führung und vor allem Präsident Mohammed Mursi persönlich an einer Überwindung dieser Spaltung sehr gelegen. Es gibt eine ganze Reihe von ägyptischen Überlegungen, die dazu führen, die Spaltung auf beiden Seiten zu überwinden. Manche Palästinenser haben allerdings Befürchtungen, dass Mursi Abbas unter Druck setzen wird, damit er die Bedingungen der Hamas zur Überwindung der Spaltung akzeptiert. Denn der ägyptische Präsident kommt ja von den Muslimbrüdern, und Hamas ist sozusagen die palästinensische Sektion der Muslimbrüder.

Suleiman Abu-Dayyeh von der Friedrich-Naumann-Stiftung in Jerusalem (Foto: FNS)
Bild: S. Abu Dayyeh

Welche Interessen verfolgt denn die ägyptische Seite?

Ägypten hat insbesondere sicherheitspolitische Interessen. Die Lage in Gaza und Umgebung, vor allem auch im Sinai, ist sehr instabil. Es gibt eine ganze Reihe von islamistischen Kräften, die sowohl in Gaza als auch im Sinai tätig sind. Der Handel mit Waffen vom Sinai nach Gaza blüht. All das macht die ägyptische Führung unruhig. Das gefällt sicherlich auch den USA und Israel nicht. Hinzu kommt, dass die ägyptische Führung sehr daran interessiert ist, ihre Führungsrolle in der arabischen Welt wiederzuerlangen. Mursi braucht einen außenpolitischen Erfolg, zumal er nach innen überhaupt keine Erfolge vorweisen kann.

Was sind im Moment die Hauptstreitpunkte zwischen Fatah und Hamas? Die beiden Parteien sind ja schon seit längerem zerstritten.

Es geht in erster Linie darum, dass die Hamas mit Gewalt die Kontrolle des Gazastreifens an sich gerissen hat. Die Hamas hat eigentlich den Gazastreifen mehr oder weniger aus der palästinensischen Autorität und aus der PLO herausgelöst. Der Gazastreifen wird sowohl militärisch als auch politisch ausschließlich von der Hamas kontrolliert. Die Fatah, also die Hausmacht von Abbas, aber auch die anderen politischen Gruppierungen und Parteien in Gaza, werden verfolgt - und das ist natürlich ein Streitpunkt zwischen Hamas und Fatah. Hinzu kommt, dass die Hamas mit Hilfe der Muslimbrüder versucht, eine eigene Außenpolitik zu betreiben, und zwar weltweit. In den Augen von Abbas würde das zu einer Doppelvertretung der Palästinenser führen. Es ist Abbas sicherlich sehr daran gelegen, dass die PLO (deren stärkste Fraktion die Fatah von Abbas ist, d.Red.) weltweit als einzige legitime Vertreterin der Palästinenser akzeptiert wird. Deswegen will er versuchen, diese Spaltung zu überwinden, und die Position der Palästinenser gegenüber Israel, aber auch gegenüber den regionalen Mächten zu stärken.

Wie stehen die Chancen, dass sich Hamas und Fatah wieder versöhnen?

Ich habe starke Zweifel, dass sie sich einigen werden. Die Differenzen sind einfach zu groß. Und die Hamas wird nicht ohne weiteres auf ihre Machtbastion in Gaza verzichten, es sei denn, Abbas akzeptiert alle Vorstellungen und Vorbedingungen von Hamas, was ich nicht für realistisch halte. Insofern halte ich einen Kompromiss in Ägypten für unwahrscheinlich.

Suleiman Abu-Dayyeh arbeitet für die Friedrich-Naumann-Stiftung in Jerusalem.