Abschiedsszenen an der deutschen Küste
8. August 2005Amerika, Australien, Kanada - von Bremerhaven aus sind sieben Millionen Menschen ausgewandert. Die rund 2000 Quadratmeter große Daueraustellung des Deutschen Auswandererhauses versetzt die Besucher in einer Art Filmkulisse zurück in die Zeit der großen Auswanderung. Dort, wo noch im 19. Jahrhundert die Auswandererschiffe festmachten, am Neuen Hafen in Sichtweite des alten Bremerhavener Leuchtturms, steht jetzt das Deutsche Auswandererhaus. Im Museum soll der Besucher den Aufbruch in die Fremde, die Reise ins Ungewisse erleben - genauso wie damals die Auswanderer.
Die Gangway schwankt
Sabine Süss, die Direktorin des Deutschen Auswandererhauses, beschreibt die Atmosphäre des Museums: "Sie sehen überall Kisten, sie sehen Gepäckstücke und sie können sich das Gefühl vermitteln lassen, tatsächlich auswandern zu wollen." Die Wissenschaftlerin ist begeistert von der Arbeit der Requisiteure und Innenarchitekten zweier Filmstudios, die im Inneren des 20 Millionen Euro teuren Bauwerks, die Kulissen eines Auswanderhafens täuschend echt nachgebaut haben. Die Gangway schwankt sogar, wenn die Besucher sie beim Rundgang durch die Ausstellung betreten und dabei ein bisschen mitfühlen sollen, was die Menschen vor dem entscheidenden Schritt auf ihrer Reise in die Neue Welt bewegt hat.
Zwischen Bangen und Hoffnung
Wie sich Emigranten auf dem Weg in den neuen Lebensabschnitt fühlen, das beschreibt Helga von Schweinitz, die ihrer Heimat als junges Mädchen den Rücken kehrte und 1957 auf dem Auswandererschiff "Italia" Deutschland verließ: "Das war so eine Mischung aus Freude auf das Unbekannte und Angst. Mein Vater stand noch auf dem Festland und winkte immer und ich sah, dass er weinte. Die Gefühle waren doch sehr gemischt in dem Moment - aber die Freude auf das Unbekannte hat mich gelockt." Helga von Schweinitz ließ auf der Suche nach einem Job Deutschland im Kielwasser des damals modernsten Ozeanriesen "Italia" zurück. 100 Jahre zuvor überquerten die Menschen noch auf Segelschiffen den Atlantik. Eine beschwerliche Reise, wie Sabine Süß erklärt: "Das waren wahnsinnig beengte Verhältnisse. Die Menschen kannten sich überhaupt nicht, sie sprachen noch nicht mal die selbe Sprache."
Nach der eigenen Familiengeschichte forschen
35 Millionen Europäer packten allein im 19. Jahrhundert ihre Koffer und suchten ihr Glück in der Fremde. Im Bremerhavener Museum werden beispielhaft 15 Lebensgeschichten erzählt. Diese Auswanderer stehen den Besuchern sozusagen als Paten beim Museumsrundgang zur Seite. So werden die Motive für den Aufbruch deutlich. Denn die Menschen verließen längst nicht immer aus freien Stücken ihre Heimat, wie die Geschichte der jüdischen Ärztin zeigt, die vor dem Naziregime geflohen ist, in den USA aber niemals wieder in ihrem Beruf arbeiten konnte.
Jeder Besucher des Deutschen Auswandererhauses kann im Forum Migration auch selbst recherchieren - beispielsweise mit seinem Namen der eigenen Familiengeschichte nachspüren.
In diesen Passagierlisten steht auch der Name Volker Schmeissner. Als er in Bremerhaven an Bord des Kreuzliners "United States" ging, war Schmeissner ein 26-jähriger Student aus Tübingen, der in den Vereinigten Staaten seine Zukunft sah: "Das war 1961. Bremerhaven war der letzte Punkt, den man von Deutschland sah, das war eine bleibende Erinnerung und immer wieder werde ich gefragt, wo kann ich hin gehen, wo sind meine Wurzeln und wo ist das dokumentiert."
Die Antwort auf solche Fragen gibt es jetzt im Deutschen Auswandererhaus. Das Haus versucht einen Spagat zwischen Erlebnismuseum und Forschungseinrichtung, zwischen Gedenkstätte und Touristenattraktion, denn die kommerziellen Betreiber müssen sich mit dem Eintrittsgeld von acht Euro fünfzig pro Person über Wasser halten. Jährlich rechnet die private Betreibergesellschaft aber mit 170.000 Besuchern von beiden Seiten des Atlantiks, die mehr zum Thema Auswanderung wissen wollen.