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Politik

Völkermord in Namibia: Protest gegen Abkommen

26. Januar 2022

"Wir werden dieses Abkommen niemals akzeptieren." Mit diesem Satz haben Vertreter von namibischen Volksgruppen von Deutschland Neuverhandlungen verlangt. Kommt die neue Bundesregierung ihnen entgegen?

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Deutschland | Namibia | Aussöhnungsabkommen | Proteste in Berlin
Schon seit Monaten gibt es Widerstand gegen die Einigung der beiden RegierungenBild: Paul Zinken/dpa//picture alliance

Nachfahren der Opfer deutscher Kolonialverbrechen in Namibia haben die Bundesregierung dazu aufgefordert, das deutsch-namibische Abkommen zum Völkermord an Herero und Nama neu zu verhandeln. Die legitimen Vertreter der Opfergruppen müssten - anders als bisher - daran beteiligt werden, heißt es in einer bei einer Online-Pressekonferenz vorgestellten Petition, die an Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) gerichtet ist. "Deutschland brüstet sich mit seiner selbstkritischen Erinnerungskultur, insbesondere was das Gedenken an den Holocaust angeht", heißt es in dem Papier. Der deutsche Kolonialismus werde aber "zu oft unter den Tisch gekehrt".

Reichen 1,1 Milliarden Euro?

Deutsche Kolonialtruppen schlugen zwischen 1904 und 1908 im damaligen Deutsch-Südwestafrika Aufstände der Herero und Nama brutal nieder. Mehr als 80.000 Menschen wurden getötet oder verdursteten in der Wüste. 2015 begannen Verhandlungen zwischen Namibia und Deutschland über Zahlungen und eine Entschuldigung für die Verbrechen. Deutscher Verhandlungsführer war Ruprecht Polenz (CDU). Neben der Anerkennung als Völkermord wurde vereinbart, dass Deutschland die Nachfahren der Herero und Nama mit einem Programm in Höhe von 1,1 Milliarden Euro unterstützt. Rechtliche Ansprüche auf Entschädigung sollten sich daraus aber nicht ableiten lassen.

Fehler von Polenz?

Baerbock wird nun aufgefordert, die "Fehler des konservativen Verhandlungsführers" wieder gutzumachen. Das Abkommen wurde formell noch nicht unterzeichnet. Die Nachfahren der Herero und Nama üben heftige Kritik daran, da ihre Forderungen nicht berücksichtigt wurden. Der Völkermord betreffe die Existenz der Gemeinschaften bis heute, betonen sie. So sei 70 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche Namibias in den Händen weißer Siedler, von denen ein großer Teil deutscher Abstammung seien. Viele Herero und Nama seien hingegen bis heute mittellos und lebten in Reservaten.

Herero-Aktivist Israel Kaunatjike
Israel Kaunatjike setzt sich für die Rechte der Nachfahren einBild: Soeren Stache/dpa/picture alliance

Ein Sprecher der Bundesregierung in Berlin erklärte in einer ersten Reaktion, dass der Dialog mit der Regierung in Namibia fortgesetzt werden solle. Man dürfe aber hinter das Erreichte nicht zurückfallen. Die Bundesregierung nehme mit Respekt zur Kenntnis, dass es in Namibia noch Diskussionsbedarf gebe. Die "Gemeinsame Erklärung" genannte Vereinbarung solle zudem nicht das Ende, sondern der Beginn eines intensiven Austausches sein. Er betonte zudem, dass an den bisherigen Gesprächen auch immer Vertreter der Nama und Herero vertreten gewesen seien.

"Reinfall"

 

Herero-Aktivist Israel Kaunatjike sagte, es gehe um die "Anerkennung des Genozids" durch deutsche Kolonialtruppen im damaligen Deutsch-Südwestafrika und zugleich um die enge Einbeziehung der betroffenen Gemeinschaften in die Verhandlungen. Mutjinde Katjiua von der namibischen Herero-Vereinigung "Ovaherero Traditional Authority" bezeichnete die im vergangenen Jahr ausgehandelte deutsch-namibische Vereinbarung als "Reinfall". Wichtig bei dem bisherigen Abkommen ist, dass die deutschen Kolonialverbrechen an den Herero und Nama im historischen, nicht aber im völkerrechtlichen Sinne als "Völkermord" anerkannt werden. Der Rechtsbegriff "Reparationen" wird deshalb nicht verwendet. Das namibische Parlament hat das Versöhnungsabkommen bislang nicht ratifiziert.

ml/kle (epf, afp, dpa)