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PolitikAfrika

Abidjans gallisches Dorf sehnt sich nach Frieden

Katrin Gänsler
3. November 2020

Nicht überall verliefen die Wahlen in der Elfenbeinküste friedlich: In Blockhauss, einem Stadtteil der Metropole Abidjan, ging die Polizei mit Tränengas gegen Oppositionsanhänger vor. Und die Angst ist noch immer groß.

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Elfenbeinküste Abidjan | Blockhauss | Kreisverkehr
Bild: Katrin Gänsler/DW

Hamed Konaté steht vor seinem kleinen Laden, den er orange-weiß gestrichen hat. Normalerweise verkauft der schlaksige Mann im dunkelblauen Hemd und schwarzer Hose hier Kugelschreiber, Süßigkeiten, Mobilfunkguthaben und andere Kleinigkeiten.

Sein Geschäft liegt in Blockhauss, einem kleinen Viertel der ivorischen Wirtschaftsmetropole Abidjan. Doch seit den Präsidentschaftswahlen vergangenen Samstag ist es geschlossen. Konaté zeigt auf einen kleinen schwarzen Kreis auf der Tür. "Zum Glück haben sie nur die Tür getroffen und keinen Menschen. Er hätte er tot sein können." Am Samstag hatte die Polizei direkt vor seinem Laden mit Tränengas auf Demonstranten gezielt. "Wir hatten große Angst", sagt Konaté.

Reste einer Straßensperre vor der lokalen Grundschule erinnern noch immer an die Ausschreitungen. Hier war das Wahllokal. Doch wütende Jugendliche verbarrikadierten den Eingang. Zuvor hatte die Opposition um Pascal Affi N'Guessan von der Ivorischen Volksfront (FPI) und Ex-Präsident Henri Konan Bédié von der Demokratischen Partei der Elfenbeinküste (PDCI) zum Boykott der Wahl aufgerufen. So wollten beide eine dritte Amtszeit von Präsident Alassane Ouattara verhindern.

Die Tür zum Geschäft von Hamed Konat
Hamed Konatés Laden ist geschlossen, seit die Polizei schoss und die Tür traf Bild: Katrin Gänsler/DW

Eigentlich darf der jeweiligen Staatschef nur einmal wiedergewählt werden. Durch die Annahme einer neuen Verfassung zählt diese Regelung für Ouattara aber nicht. Laut Wahlkommission wurde er mit 94,27 Prozent im Amt bestätigt. Die Wahlbeteiligung lag bei 53,9 Prozent.

Blockhauss, auch Blockoso genannt, galt schon vorher als rebellisches Viertel. Für die Einwohner ist es ein eigenes Dorf, mitten in der Wirtschaftsmetropole Abidjan. Kommt man am Kreisverkehr an, werden die Straßen eng und sandig. Unter großen, ausgeblichenen Sonnenschirmen verkaufen Frauen gebratenen Fisch, Gemüse oder Obst.

Ein Stadtteil lehnt sich auf

An jeder Ecke stehen junge Männer, die Telefonguthaben anbieten. Abends bieten zahlreiche Bars Bier und Softdrinks an. Die Gegensätze zu Ambassades, dem Villenviertel mit großen, grünen Gärten, Botschaften und dem bekannten Hôtel d‘Ivoire, das im Norden an Blockhauss grenzt, könnten nicht größer sein.

"5000 bis 6000 Menschen leben hier", sagt Romain Koutouan von der Chefferie, der traditionellen Verwaltung von Blockhauss. Das Image, regierungskritisch zu sein, nervt ihn. "Wir unterstützen jeden", sagt er diplomatisch, wird dann aber deutlich: "Wenn es allerdings etwas gibt, was uns nicht passt, dann haben wir auch das Recht, das zum Ausdruck zu bringen."

Eine Frau in Blockhauss verkauft gebratenen Fisch
Viele Menschen in Blockhauss sind Händler und MarktfrauenBild: Katrin Gänsler/DW

Nach Einschätzung der Bewohner hätte es bei der Wahl Unklarheiten gegeben, die man nicht hinnehmen wollte. Der Einsatz von Tränengas sei unverhältnismäßig gewesen. "Hier gibt es doch alte Menschen, schwangere Frauen." Ohnehin seien die Bewohner vor allem eins: friedliebende Menschen.

Von der Politik hat Hamed Konaté deshalb genug. "Das erinnert mich an 2010. So eine Situation möchten wir nie wieder erleben", sagt er. Auch damals gab es Wahlen, anschließend hatten sich sowohl der heutige Präsident Ouattara als auch der damalige Staatschef Laurent Gbagbo zum Sieger erklärt. Eine Gewaltwelle erschütterte daraufhin das Land, über 3000 Menschen starben. Gbagbo musste sich dafür vor dem Internationalen Strafgerichtshof verantworten, wurde jedoch freigesprochen. 

Nun wirkt es wieder so, als ob die Elfenbeinküste den Atem anhält. Normalerweise gehören in Abidjan lange Staus zum Alltag. Doch jetzt sind die Straßen selbst zu Stoßzeiten fast leer. Tankstellen und kleine Bars schließen schon vor Einbruch der Dunkelheit. Viele kleine Geschäfte haben in den vergangenen Tagen gar nicht erst aufgemacht.

Aminata Ouédraogo, Einwohnerin von Blockhauss
Aminata Ouédraogo hofft, dass ihr Viertel bald zur Normalität zurückkehrtBild: Katrin Gänsler/DW

Denn Opposition wie Anhänger von Präsident Ouattaras sorgen für Spannungen. Der Anti-Regierungsblock kündigte schon vor Bekanntgabe der offiziellen Ergebnisse die Gründung eines Übergangsrats mit dem unterlegenen Kandidaten Bédié als Präsident an. Sprecher Affi N'Guessan forderte die Menschen erneut zu Demonstrationen und zivilem Ungehorsam auf. Die Regierung reagierte prompt und verbot Versammlungen und Demonstrationen bis zum 15. November. Zuvor hatte es auf Seiten der Regierungspartei RDHP aber auch spontane Freudenbekundungen zu Ouattaras Sieg gegeben.

Hoffnung auf Frieden

Hamed Konaté kann beiden Seiten nichts abgewinnen. Er schüttelt den Kopf und schaut auf die beschädigte Tür seines kleinen Ladens. Dass die Fronten so verhärtet sind, liegt seiner Meinung daran, dass in der Elfenbeinküste seit Jahrzehnten dieselben Männer an der Macht sind. "Es wäre wirklich ein starkes Zeichen für Afrika, wenn sie sich zugunsten der jungen Generation zurückziehen würden", meint er.

Nur ein paar Schritte entfernt steht Aminata Ouédraogo und spricht mit einem jungen Mann, der ein Hühnchen zerlegt. Die Einwanderin aus Burkina Faso lebt seit 26 Jahren in Blockhauss und möchte einfach nur zum Alltag zurückkehren. "Hier gibt es keine Schwierigkeiten und kein Palaver. Wir leben in Harmonie zusammen und brauchen den Frieden."