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Abdel-Samad: Ich beuge mich den Fanatikern nicht!

Stefan Dege1. April 2014

"Der islamische Faschismus" heißt seines neues Buch, eine Streitschrift gegen religiösen Fanatismus. Was will der Autor Hamed Abdel-Samad?

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Hamed Abdel-Samad, Schriftsteller
Bild: DW/S. Dege

DW: Herr Abdel-Samed, Warum nennen Sie den politischen Islam faschistisch? Gießen Sie damit unnötig Öl ins Feuer?

Hamed Adel-Samad: Nein, ich stelle fest. Ich benenne einen Sachverhalt. Und im Buch habe ich genug Material, genug Argumente dafür. Ich vergleiche den Faschismus mit dem Islamismus auf drei Ebenen: Die Ebene der Ideologie, die Ebene der Organisationsstrukturen und die Ebene der politischen Ziele. Was die Ideologie angeht – beide verfolgen eine Ideologie, die den Weg zu Gewalt ebnet. Beide teilen die Welt in Gläubige und Ungläubige auf, in Freund und Feind, beide haben keine Hemmungen, den Gegner zu vernichten. Beide sind antisemitisch. Beide gehen von der Auserwähltheit der eigenen Gruppe aus, vom Recht, die Welt zu beherrschen. Beide kommen aus der Niederlage und der Erniedrigung heraus, nach dem ersten Weltkrieg. Die Muslimbruderschaft und die faschistischen Bewegungen sind fast zeitgleich entstanden aus dem gleichen Geist, mit dem Traum, das alte Imperium wieder herzustellen nach dem Fall der Habsburger Monarchie und nach dem Fall des osmanischen Reiches. Die islamistischen Bewegungen begannen auch damit, Hitler und Musollini zu glorifizieren, Terrormilizen nach dem Vorbild von SA und SS aufzubauen. Und sie haben die gleiche Haltung zur Demokratie. Demokratie als trojanisches Pferd: An Wahlen teilnehmen, bis man an die Macht gekommen ist. Und dann erlässt man Ermächtigungsgesetze. Das haben beide Bewegungen gemacht.

Welche Gefahr geht von diesem faschistischen Islam aus?

Es ist eine große Gefahr, denn es ist die letzte übrig gebliebene, faschistische, globale Bewegung. Wir haben viele faschistische Bewegungen in der Welt. Aber der Islamismus ist die letzte übriggebliebene, globale , faschistische Bewegung, die in der Lage ist, viele Anhänger zu rekrutieren, die vom Frustrations- und Wutpotential in der islamischen Welt profitiert – viele jungen Menschen, die keine Arbeit und keine Perspektive haben. Sie werden mit Hass und Ressentiment vergiftet. Und man bietet ihnen ein kurzes Projekt – Dschihad. Man muss nicht zur Schule gehen, nicht eine gute Arbeit haben, um erfolgreich zu sein. Es reicht, wenn man für die Sache Gottes kämpft. Dann gibt es eine Win-Win-Situation. Entweder siegt man über die Ungläubigen und hat politische Macht. Oder man fällt im Kampf als Märtyrer, geht ins Paradies und hat alle Genüsse, die man sich vorstellen kann.

18.03.2011 DW-TV Typisch deutsch Abdel-Samad_Hamed
Bild: Droemer Knaur

Wollen Sie den Islam verändern? Was ist Ihre Botschaft an Ihre Glaubensbrüder- und schwestern? Sie sind ja Muslim…

Ich habe keine Botschaft. Ich stelle fest. Ich schreibe, was ich denke. Ich habe keine Mission. Karl Kraus hat gesagt: Ich kann keine Eier legen, ich kann nur erkennen, wenn ein Ei faul ist. Ich sehe so viele Eier und sage: Iss diese Eier nicht, sind sind faul!

Ihr Buch widmen Sie Ihrer Mutter, die Sie gebeten hat, es nicht zu veröffentlichen. Hat sie zu Recht Angst um Sie?

Natürlich. Sie hat gesehen, was geschah, nachdem ich einen Vortrag mit dem gleichen Titel vor einem Jahr gehalten habe. Viele Morddrohungen, Beschimpfungen, aggressive Reaktionen. Und sie hat Angst, dass mit dem Buch noch mehr Reaktionen kommen. Deshalb hat sie mich gebeten, das nicht zu tun. Aber ich will mich dieser Logik der Fanatiker nicht beugen. Sie wollen mich einschüchtern, damit ich schweige. Und wenn ich das tue, dann ermächtige ich sie, nicht nur mich zum Schweigen zu bringen, sondern auch alle anderen kritischen Autoren. Sie werden ja nicht mit mir fertig sein und dann aufhören. Sondern dann gehen sie weiter zu den moderateren und den noch moderateren Kritikern, bis am Ende nur noch eine einzige Stimme zu hören ist, nämlich die Stimme des radikalen Islams. Und diesen Gefallen tue ich ihnen nicht.