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Mehr Schutz für Tiere auf Weltreise

28. Oktober 2020

Zugvögel, Elefanten oder Aale legen enorme Distanzen zurück und überschreiten politische Grenzen. Doch von Menschen gemachte Probleme beeinträchtigen wandernde Arten immer mehr. Länderübergreifender Schutz ist nötig.

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Afrika Kenia Elefanten Amboseli National Park
Bild: Getty Images/AFP C. De Souza

"Sie starten in einer Herbstnacht, gerne bei Vollmond." So poetisch schildert eine Broschüre des WWF (World Wide Fund for Nature) den Beginn der langen Reise der europäischen Aale aus mitteleuropäischen Flüssen bis weit in den atlantischen Ozean. "Mit der Strömung lassen sie sich flussabwärts treiben bis zur Mündung ins Meer." 8000 Kilometer weiter, in der Sargassosee, im Atlantik östlich von Florida, treffen sich europäische und amerikanische Aale, um ihre Eier abzulegen. Danach sterben sie. Der Nachwuchs tritt dann die mehrjährige Reise zurück in die Flüsse an.

Aalbestand um 98 Prozent geschrumpft 

Doch der mühsame Ultramarathon endet immer öfter an von Mensch gemachten Todesfallen: Turbinen von Wasserkraftwerken töten viele. Andere werden Opfer von Überfischung, verenden in verpesteten Flüssen oder siechen nach der Infektion mit dem Parasiten Anguillicola crassus dahin. In Europa ist der Bestand in den letzten 40 Jahren um 98 Prozent geschrumpft.

Maßnahmen zur grenzübergreifenden Aalerhaltung werden alle drei Jahre bei der internationalen  Convention on the Conservation of Migratory Species of Wild Animals (CMS) erörtert. Im indischen Gandhinagar wurde dieses Jahr auch über wandernde Arten beraten, die dieses Jahr neu in die Liste mit dem höchsten Schutzstatus aufgenommen wurdenDarunter sind der Asiatische Elefant, der Weißspitzen-Hochseehai, der Jaguar und mehrere Vogelarten. 

Bangladesch: Schutz der letzten Flussdelfine

Beim Schutz der Arten nicht an Staatsgrenzen denken

"Die Zerstückelung der Landschaften für den Siedlungs- und Straßenbau und damit der Lebensräume", so Arnulf Köhncke vom WWF, sind das größte Problem für wandernde Arten: "Die Verbindung von Lebensräumen zu verbessern ist wichtig, um das Artensterben aufzuhalten, ja sogar umzukehren", fordert der promovierte Ökologe. Angesichts der wachsenden Erdbevölkerung und schrumpfender Räume für Wildtiere sei es schwierig, nachhaltige Entwicklung in Einklang mit der Natur zu bringen. 

"Schon bei der Planung von Infrastruktur muss die Permeabilität, die Durchlässigkeit für Tiere, berücksichtigt werden. Schauen, wo das Gebiet möglichst wenige Wanderrouten und Lebensräume durchschneidet und dann entsprechende, grenzüberschreitende Korridore planen und umsetzen", regt der Artenschutz-Experte des WWF an. Vereinzelte zwischenstaatliche Abkommen zum Schutz Wandernder Arten gibt es.

So haben sich Chile und Argentinien zur Rettung des Andenhirsches (Huemul) verpflichtet, von dem es weniger als 2.000 Exemplare gibt. Übermäßige Jagd, Viehzucht und Krankheiten hatten den Bestand schrumpfen lassen. Jagd, Besitz, Transport und die Vermarktung jeglicher Produkte des Waldtieres sind heute verboten.

Die Natur lässt sich nicht so leicht kopieren 

Die Zucht von Wildtieren, wie in Zoos, ist schwierig. Bei Aalen etwa lassen sich der natürliche Prozess und die unterschiedlichen Bedingungen von Süßgewässern und Meeren in den jeweiligen Entwicklungsstadien der heranwachsenden Fische noch nicht reproduzieren. Dabei winkt Profit, wenn die Aalzucht gelänge: Der Speisefisch gilt von Spanien bis Asien als Delikatesse. Kriminelle schmuggeln junge 'Glasaale' in Koffern, denn sie werden so teuer gehandelt wie Drogen. Schon aus diesem Grund braucht es internationale Schutzbemühungen.

Glasaal-Schmuggel nach Asien

Auf den Verzehr sollte man eher verzichten, rät derFisch-Ratgeber der Umweltschutzorganisation WWF. "Wir sollten übermäßigen Fleisch- und Fischkonsum vermeiden." Diese Meinung vertritt auch Veronika Lenarz, bei den Vereinten Nationen unter anderem zuständig für das Abkommen zur Erhaltung der afrikanisch-eurasischen wandernden Wasservögel. 130 Nationen haben sich unter der UNO-Konvention zum Schutz der wandernden Arten verpflichtet. Die USA, Russland, China gehören nicht dazu. Und Japan will wegen des traditionellen Walfangs nicht mitmachen.

Eine ganze Reihe japanischer Kinder, allesamt fliederfarbene Mützen tragend, streicheln einen toten Wal, der in einer Halle liegt.
Zurschaustellung eines toten Wales - Was schon junge Japaner als natürlich empfinden mögen, schockiert Menschen anderer Kulturen der Welt, denn der Bestand der Säugetiere ist gefährdet Bild: Getty Images/J. Kimura

"Wir befinden uns in einer Krise, die die biologische Vielfalt weltweit bedroht", so Veronika Lenarz und weist damit auf die Schwerpunkte ihrer Arbeit in den kommenden Monaten hin: Neue globale Richtlinien sollen auf dem UN-Gipfel in New York im September 2020 (fand online statt), als auch auf der UN-Biodiversitätskonferenz in China, die auf 2021 verschoben wurde, verabschiedet werden.  

Forscher schätzen, dass es insgesamt etwa 5000 bis 10.000 wandernde Arten (Migranten) gibt: Zugvögel wie Störche gehören ebenso dazu wie Insekten, Fledermäuse, Delfine, Wasserschildkröten oder auch Wölfe.

Das Global Register of Migratory Species (GROMS) enthält eine Liste von zunächst 4430 wandernden Tierarten. Viele sind noch gar nicht ausreichend erforscht, um zu wissen ob ihr Bestand gefährdet oder bedroht ist. 

Und immer wieder: Auswirkungen des Klimawandels 

Regionen, in denen Ausmaß und Geschwindigkeit des Klimawandels am größten sind, stellen für wandernde Arten eine besondere Gefährdung dar. Denn ihre Gene lehren sie, saisonale Lebensräume aufzusuchen, obwohl diese infolge des Klimawandels künftig immer weniger Nahrung bieten und die Bedingungen dort unvorhersehbar werden können. Schon jetzt fliegen viele Zugvögel weniger weit in die Winterquartiere als vor 20 Jahren. Da die tierischen Nomaden von verschiedenen Lebensräumen abhängig sind, die sie während ihrer Wanderung als Zwischenziel nutzen, sind sie stärker gefährdet als sesshafte Arten. 

Tiere können sich anpassen, meint WWF-Sprecher Köhncke, doch "Berichte des Welklimarates ICCP zeigen, dass es nur wenigen Arten gelingt, Schritt zu halten mit der Geschwindigkeit des Klimawandels. Und alternative Räume sind häufig vom Menschen besetzt."

Klimakrise und Artensterben dürfe man nicht getrennt betrachten, da beides den Planeten schädige, so Köhncke. "Wandernde Arten erhalten sämtliches Leben auf der Erde. Als Bestäuber und Samenverbreiter tragen sie zur Struktur und Funktion der Ökosysteme bei, liefern anderen Tieren Nahrung und regulieren die Anzahl der Arten." Bei den Planungen der Maßnahmen für die Folgen des Klimawandels sei der Erhalt der Bedingungen für diese Arten unbedingt zu berücksichtigen. 

Köhncke beruft sich auf eine Studie des WWF. Diese habe gezeigt, dass in Schlüsselregionen der Erde im schlimmsten Fall die Hälfte der Artenvielfalt verschwinden werde, da die Verbreitungsgebiete der Arten bei anhaltender Erderwärmung dann nicht mehr in diesen Gebieten liegen. Rentiere in der nördlichen Hemisphäre etwa müssen schon heute teilweise gefüttert werden. Üblicherweise schaben sie im Winter mit ihren Hufen den Schnee beiseite, um Flechten und Moose zu finden. Bei starken Temperaturschwankungen schmilzt der Schnee oder Regen fällt. Kühlt sich der Boden ab, bildet sich eine harte Eisschicht, die die Rentiere nicht durchdringen können. 

Ein Jaguar mit typischem Fell, gelb-beige und braun gefleckt, liegt ausgestreckt unter einem Baum und schaut konzentriert mit seinen ausdrucksvollen grünen Augen den Baum hinauf. Lauert doch eine Beute?
Ein Raubtier, dass aus Furcht keine Hundehütte betreten würde - der JaguarBild: Universidad Nacional de Costa Rica

Einfache Lösungen zum Schutz gefährdeter Arten 

Dass der Schutz gefährdeter wandernder Arten manchmal gar nicht so kompliziert sein muss, zeigt das Beispiel der Tierschutzorganisation International Fund for Animal Welfare (IFAW) in Mexiko. In den letzten 100 Jahren ist der Lebensraum des  Jaguar in Mittel- und Südamerika um 50 Prozent geschrumpft, weil Regenwälder zerstört wurden und an gleicher Stelle industrielle Landwirtschaft betrieben wird.

Auf Nahrungssuche kommen die wandernden Großkatzen daher immer öfter in Dörfer und verletzen Hunde. Der IFAW hat einfache Hundehütten verteilt, in die sich Jaguare nicht hinein trauen. Gleichzeitig klärt die Organisation Hundehalter auf, ihre Tiere ausreichend zu füttern, damit die Hunde keine Gelege gefährdeter Schildkröten plündern. 

Wie vomIFAW gefordert, wurde dem Jaguar inzwischen der höchst mögliche Schutzstatus zuerkannt.  

Dies ist eine aktualisierte Version eines früheren Artikels.