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60. Jahrestag des Aufstands im Getto von Bialystok

20. August 2003
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Warschau, 18.8.2003, PAP, poln.

Gegen Intoleranz, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und dafür zu kämpfen, dass sich der Holocaust niemals wiederholt - dazu riefen die Teilnehmer der Feierlichkeiten anlässlich des 60. Jahrestages des Aufstandes im Getto von Bialystok auf, die am Montag (18.8.) begangen wurden. Das Institut des Nationalen Gedenkens hatte anlässlich dieser Veranstaltungen eine Ausstellung über polnische Hilfe für die jüdische Bevölkerung während des Zweiten Weltkrieges vorbereitet.

Am Denkmal zu Ehren der Verteidiger des Gettos wurde ein Kaddisch (jüdisches Gebet für die Verstorbenen) gesprochen, es wurden Kränze niedergelegt und Kerzen angezündet. An der Feierlichkeit nahmen über einhundert Menschen teil, darunter eine große Anzahl von Juden aus verschiedenen Ländern. Viele von ihnen waren an den Ereignissen vom August 1943 selbst beteiligt oder es waren ihre Nachkommen. Personen, die jedes Jahr daran teilnehmen, fiel auf, dass diesmal mehr "gewöhnliche" Bürger von Bialystok anwesend waren als in den Jahren zuvor.

Nahezu in allen Ansprachen wurde dazu aufgerufen, gegen Vorurteile, Rassismus, Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit anzukämpfen. Erinnert wurde auch an die Bedeutung der jüdischen Gemeinde für die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung von Bialystok. "Polen und Juden haben in den Jahren des Zweiten Weltkriegs das Schlimmste erlebt, das ein Mensch erleben kann. Ich hoffe, dass dadurch die Bande stärker werden, die es ermöglichen, die Verständigung und die Zusammenarbeit unserer beiden Völker aufzubauen", sagte der Vizepräsident (Stellvertretender Oberbürgermeister - MD) von Bialystok Ryszard Zimnoch und gab der Hoffnung Ausdruck, dass immer mehr jüdische Jugendliche die Stadt besuchen werden.

Nach den Worten von Benjamin Baschan von der israelischen Botschaft in Polen ist der Aufstand von Bialystok eines der Symbole des jüdischen Heldentums. "Lassen Sie uns im gemeinsamen Kampf gegen den Rassismus, Antisemitismus und den Hass zwischen den Völkern vereinigen. Diese schrecklichen Tage dürfen niemals wiederkehren", appellierte er vor dem Denkmal. (...)

Kerzen wurden auch am Denkmal für die Opfer des Brandes der Großen Synagoge angezündet, die 1941 von den Deutschen in Brand gesteckt wurde.

Daraufhin wurde im Kulturzentrum von Bialystok die Ausstellung "Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt..." eröffnet. Sie ist der Hilfe für die jüdische Bevölkerung unter deutscher Besatzung auf dem Gebiet der ehemaligen Woiwodschaft Bialystok gewidmet. Vorbereitet worden ist die Ausstellung vom Institut des Nationalen Gedenkens und der Präsident der Republik Polen Aleksander Kwasniewski übernahm die Schirmherrschaft. Das Archivmaterial, darunter Dokumente und Berichte, die von der Rettung von Juden berichten (auch durch Geistliche), stammt unter anderem aus Sammlungen des Instituts des Nationalen Gedenkens, des Jüdischen Historischen Instituts in Warschau, des Instituts Yad Vashem in Jerusalem und aus privaten Sammlungen.

Zu den Exponaten gehört eine Liste mit achtzig Personen aus dem Bialystok von damals, die für die Rettung von Juden mit der Medaille "Gerechter unter den Völkern der Welt" ausgezeichnet worden sind. Die Autoren der Liste erklärten, sie sei noch nicht ganz vollständig und werde erweitert werden. (...)

Der Aufstand im Getto von Bialystok brach am 16. August 1943 aus. Der unmittelbare Grund für die Vorbereitung der bewaffneten Aktion waren deutsche Vorbereitungen zur Liquidierung des Gettos. Es gab 300, schlecht bewaffnete Aufständische und zehn Mal so viele Deutsche. Die Deutschen setzten Panzer und Flugzeuge ein. Die Hauptkämpfe fanden im Getto am 16. August statt. In den darauf folgenden Tagen wurde nur noch an einzelnen Punkten Widerstand geleistet.

Historiker gehen davon aus, dass es vor dem Krieg in Bialystok etwa 50 000 Juden gab. Die Stadt war ein wichtiges Zentrum jüdischer Kultur und Religion. Geblieben sind nur einige Hundert. Eine größere Gruppe bildeten Juden, die während des Krieges in den Osten deportiert wurden, denen die Rückkehr gelang. Sie leben heute hauptsächlich in Israel und in den USA. Nach Meinung von Historikern war die Woiwodschaft Bialystok in der Zeit zwischen den Kriegen die Woiwodschaft mit dem höchsten Prozentsatz (etwa 12 Prozent) an Juden. Es gab dort Städte, in denen die Hälfte, ja sogar die Mehrheit der Bewohner Juden waren. (TS)