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Konsumenten über 50

16. Oktober 2010

Der demografische Trend ist eindeutig: Die Bevölkerung in Deutschland wird älter. Viele Unternehmen beginnen, sich verstärkt auf Konsumenten jenseits der 50 einzustellen - Patentrezepte sind dabei aber nicht in Sicht.

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Rentner Ehepaar auf Bank am Strand (Foto: Fotolia/Joe Gough)
Bild: Fotolia/Joe Gough

Einen Blick in die Zukunft werfen können; jetzt schon wissen, wie sich der Markt in den nächsten Jahrzehnten entwickeln wird – das klingt nach dem Wunschtraum eines jeden Wirtschaftsunternehmens. In gewisser Weise ist die schöne Vision bereits Realität: Im Jahr 2035 wird jeder zweite Deutsche über 50 Jahre alt sein – ein Zuwachs um rund 10 Prozent gegenüber heute. Ältere Menschen haben andere Bedürfnisse, Vorlieben und Gewohnheiten als jüngere – da müsste man sich doch mit neuen Produkten, Dienstleistungen und maßgeschneidertem Marketing ein schönes Stück vom stetig wachsenden Marktanteil der "Generation 50plus" sichern können?

Zielgruppe oder Fata Morgana?

Ein älteres Paar beim Einkauf in einer Boutique (Foto: dpa)
Ältere Kunden sind weder besonders kaufkräftig noch völlig verarmtBild: picture-alliance / ZB

"Wirtschaftsfaktor Alter" heisst eine gemeinsame Initiative von Wirtschaftsministerium und Familienministerium; und tatsächlich bieten die auf der Webseite versammelten Studien, Ratgeber und Experteninterviews so manche interessante Anregung, manch einen Tipp für eine erfolgversprechende Marktstrategie mit Blick auf die "neue attraktive Zielgruppe".

Wäre da nicht ein gewichtiger Wermutstropfen, den auch der Unternehmensleitfaden "Potenziale nutzen – die Kundengruppe 50plus" nicht verschweigt: "Die Gruppe der über 50-Jährigen ist ähnlich heterogen wie die Gruppe der unter 50-Jährigen." Angehörige der Generation 50plus seien "arm oder reich, im Erwerbsleben oder im Ruhestand", lebten in der Stadt oder auf dem Land und seien durch "unterschiedliche Erfahrungen und Wertvorstellungen geprägt". Lukrative Patentrezepte als Reaktion auf einen demografischen Trend; diesen Gedanken können sich Unternehmens-Strategen gleich wieder aus dem Kopf schlagen. Das tatsächliche Lebensalter spiele "für das persönliche Konsumverhalten eine untergeordnete Rolle", so der Leitfaden der Initiative "Wirtschaftsfaktor Alter".

Werberelevante Zielgruppe

Claudia Gaspar von der GfK, der "Gesellschaft für Konsumforschung", sieht das Ganze noch viel kritischer: Käme jemand auf die Idee, die 6-Jährigen bis 30-Jährigen als Zielgruppe in einen Topf zu werfen, so wäre das ganz offensichtlich völlig verrückt. Bei den älteren Konsumenten sei die Sache bestenfalls historisch zu erkären: "Dass es überhaupt eine Zielgruppe 50plus gibt, ist eine Reaktion darauf, dass es in früheren Jahren eher üblich war, Menschen über 49 – wenn man nicht gerade explizit Altersprodukte verkauft hat – schon so ungefähr aus dem Fokus seiner Bemühungen zu lassen. Nach dem Motto: Die kriegt man dann automatisch mit, oder die konsumieren sowieso nicht mehr so viel."

Die 14 bis 49-Jährigen als sogenannte "werberelevante Zielgruppe" – eine Erfindung der Privatfernsehsender: "Das war die generelle Definition, wenn man die Einschaltquoten geschaut hat, welche Sendungen werden geguckt, wo sind die teuren Spots zu schalten, die viel frequentierten", erläutert die Konsumforscherin.

Benennungs-Probleme

Schauspieler George Clooney und Elisabetta Canalis (Foto: AP)
Noch so gerade werberelevante Zielgruppe, bald Senior: George Clooney, 49Bild: AP

Eine künstliche Grenze, für deren Beibehaltung eigentlich so gut wie nichts spricht – den Blick auf die Generation 60plus findet Claudia Gaspar hingegen schon sinnvoller, weil sich hier meist auch die Lebenssituation ändere: "Entscheidende Lebensumstände; Kinder, Hochzeit, und das Ende der Berufstätigkeit bewirken klare Änderungen des Konsumverhaltens."

Ein Ergebnis der von der GfK durchgeführten Befragungen: ältere Menschen fühlen sich überwiegend deutlich jünger, als sie tatsächlich sind. Das führt sofort zu einem weiteren höchst bedeutsamen Dilemma: Wie soll, wie will die vermeintliche Zielgruppe eigentlich angesprochen oder tituliert werden? "In Deutschland ist das Wort 'Senior' – nicht wie im Englischen, wo das Wort 'senior' ja auch noch etwas mit Kompetenz zu tun hat – ein eher ungeliebtes Wort." Für einen 50-Jährigen käme diese Bezeichnung natürlich überhaupt nicht in Frage, sagt die Expertin von der GfK. Ein richtig guter deutscher Begriff sei ihr noch nie begegnet, aber auch der Ausflug in fremde Sprachen löse das Problem nicht unbedingt: "Wir würden nie jemanden empfehlen, die Leute als 'Best Ager' zu bezeichnen. 'Best Ager' hat den Nachteil, dass die Leute heute auch manchmal nicht ganz Englisch-affin sind und das affig finden, wie wir uns da teilweise ausdrücken."

Urlaubs-Träume 50plus

Ein Kreuzfahrtschiff auf dem Meer, im Hintergrund eine Insel (Foto: MSC Kreuzfahrten)
Bei Kreuzfahrten sind ältere Urlauber eindeutig in der MehrzahlBild: MSC Kreuzfahrten GmbH

Beim deutschen Reiseunternehmen TUI hat man genau diesen Begriff gewählt: "Bisher sind wir damit ganz gut gefahren, ohne auf große Ablehnung zu stoßen", berichtet die Pressesprecherin Kathrin Spichala. "Aber es wird immer Leute geben, die sich davon nicht angesprochen fühlen - wir benutzen das Wort auch nicht unbedingt immer in der direkten Ansprache." Das Problem der Zielgruppen-Benennung hat man also auch bei TUI; immerhin haben die Urlaubs-Verkäufer im Vergleich zu anderen Unternehmen einen wichtigen Vorteil bei der Zielgruppen-Identifikation: Das Geburtsdatum jedes Kunden ist bekannt; schon jetzt sind 50 Prozent der TUI-Reisenden älter als 50 Jahre. Dass sich die "Best Ager" nicht über einen Kamm scheren lassen, bestätigt auch Kathrin Spichala: "Das ist bei den älteren Urlaubern auch nicht anders als bei den jüngeren, da gibt's welche, die sind noch sehr aktiv, die wollen Sportangebote, die wollen Fitness, die wollen Geselligkeit, dann gibt's andere, die legen Wert auf Entspannung."

Wohldosierte Spezial-Angebote

"Club Elan" nennt sich das Angebot an "aktive ältere Urlauber": Gewisse Ausstattungsmerkmale von Hotels wie Fahrstühle und leicht begehbare Duschen seien da gewisse Kriterien, aber vor allem die Gemeinschaft am Urlaubsort auch mit Gleichaltrigen, und "nicht nur mit jungen Hüpfern oder Familien." In dem besonderen Katalog seien nicht nur junge, sondern eben auch ältere Urlauber abgebildet, die Gestaltung mit größeren Schriften und entsprechendem Layout sei etwas "seniorenfreundlicher", so die Presssprecherin. "Ansonsten differenzieren wir da gar nicht so sehr. Bei TUI Vital, der Wellnesssparte, machen wir keine Anzeigenmotive, auf den ältere Personen abgebildet sind - weil das gar nicht so sehr gewünscht ist, weil sich die potentiellen Kunden gar nicht so abgegrenzt sehen wollen."

Einfach gutes Produktdesign

Apple-Chef Steve Jobs mit einem iPad (Foto: AP)
Damit kommen auch ältere Nicht-Computerfreaks zurecht: iPad von AppleBild: AP

Auf eine spezielle Ansprache für die schwer fassbare Zielgruppe 50plus zu verzichten, das ist übrigens auch einer der Tipps von der Initiative "Wirtschaftsfaktor Alter". Wer nämlich mit gut lesbaren, verständlichen Beschreibungen und vor allem mit einfach zu bedienenden Produkten punkten kann, der gewinnt ältere und jüngere Kunden. "Intergeneratives Marketing" heisst das dann – und manch ein Experte hält ja etwa auch das iPhone für das beste "Seniorenhandy".

Autor: Michael Gessat
Redaktion: Pia Gram