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3D-Druck im Flugzeugbau

Fabian Schmidt2. Dezember 2015

Anfang 2016 beginnt Airbus mit einer eigenen Serienfertigung von Bauteilen aus dem Drucker - der erste Schritt hin zur Fabrik der Zukunft. Dafür wurden drei Laser-Pioniere für den Deutschen Zukunftspreis nominiert.

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Eine Flugzeugkabinenaufhängung die vom Laserzentrum Nord im SLM Verfahren hergestellt wurde (Foto: Ansgar Pudenz/ Deutscher Zukunftspreis).
Bild: DZP/Ansgar Pudenz

Der 3D-Druck - also das Ausdrucken von fertigen Bauteilen aus dem Computer - liegt definitiv im Trend: Zahnersatz, Hüftgelenke und Teile für Werkzeugmaschinen kommen schon heute aus dem Drucker.

Nur in der Serienfertigung haben es die gedruckten Bauteile bisher noch schwer, sich gegen traditionell gefertigte Bauteile durchzusetzen. Aber auch hier findet ein Wandel statt - vor allem im Flugzeugbau: Im kommenden Jahr beginnt Airbus mit einer ersten eigenen Serienfertigung von Bauteilen für Verkehrsflugzeuge.

Die Maschinen dazu kommen aus dem fränkischen Lichtenfels. Dort ist die junge Maschinenbau-Firma Concept-Laser ansässig. Vor 14 Jahren hatte sie den ersten 3D-Drucker auf den Markt gebracht, der Bauteile durch selektives Laserschmelzen (SLM) herstellen konnte.

Damit war es überhaupt erst möglich, übliche industrielle Legierungen - wie Stahl oder Titan - beim 3D-Druck zu nutzen. Es kamen Produkte heraus, die so stabil waren als seien sie geschmiedet oder gegossen worden.

Eine Wabenstrukltur entsteht im Laserdrucker (Foto: DW/ Fabian Schmidt).
Beim Selektiven Laserschmelzen (SLM) baut ein Laser die Komponenten im Pulverbett schichtweise aufBild: DW/F. Schmidt

Vom Sintern zum Schmelzen

Zwar gab es auch früher schon 3D-Drucker, die Metalle ausdrucken konnten, aber sie eigneten sich nur für Prototypen. Das Metallpulver wurde nämlich damals noch nicht verschmolzen, sondern nur gesintert - ähnlich wie beim Brennen von Keramik. Das Ergebnis ist dann jedoch nicht haltbar genug.

Um Metallpulver überhaupt richtig verschmelzen zu können, musste der damalige Erfinder und spätere Firmengründer Frank Herzog Mitte der 1990er Jahre also einige Hürden überwinden: Zunächst galt es zu vermeiden, dass sich während des Schmelzvorganges starke Spannungen im Material aufbauen, die später zu Rissen im fertigen Bauteil führen konnten, oder das Schichten wieder auseinandergehen.

"Ich habe dann zufällig einem Werkzeugmacher über die Schulter geschaut und gesehen, dass der eine Schweißnaht nicht von links nach rechts durchzieht, sondern er die Naht immer nur stückchenweise zusammensetzt", erinnert sich Herzog im Gespräch mit der Deutschen Welle. Bei der Frage nach dem Warum, war die prompte Antwort des Werkzeugmachers: "Sonst reißt mir ja die Naht!" Und genau das führte zu der entscheidenden Idee, die Belichtungsstrategie so zu ändern, dass sich die Energie beim Eindringen in das Bauteil verteilt. So konnten die Spannungen reduziert werden.

Herzogs Lösungsweg: Der Laser sollte das Pulver nicht mehr in einer durchgezogenen Linie schmelzen, sondern nach einem rechnerischen Zufallsprinzip. Das heißt: Viele winzige Abschnitte werden jeweils kurz belichtet - willkürlich. Aber das erforderte hohe Datenmengen, die die damaligen Computer schnell an ihre Grenzen brachten.

Ein gedrucktes Flugzeug-Bauteil (Foto: Ansgar Pudenz/ Deutscher Zukunftspreis).
Die Herausforderung: Die gedruckten Schichten müssen fest ineinander verschmolzen sein, damit das Bauteil hältBild: DZP/Ansgar Pudenz

Simple Lösung

"Es hat ungefähr zwei bis drei Wochen und unzählige Systemabstürzen gebraucht, bis ich die Daten in die Maschine bekommen habe, um den Test zu machen", berichtet Herzog. "Das Bauteil war so groß, das hätte damals eigentlich nicht funktioniert. Zwei Tage später habe ich das Teil dann ausgebaut. Es war frei von Rissen und die Schichten waren gut verschmolzen - ein großes Aha-Erlebnis! Daraufhin habe ich das erste Patent angemeldet."

Herzogs nächste Hürde war es, die Homogenität des geschmolzenen Metalls zu verbessern, denn die gedruckten Teile waren noch recht porös. "Vielleicht könnte das an der Wellenlänge der (damals üblichen) CO2-Laser liegen", dachte sich der Erfinder. Da traf es sich gut, dass seine damalige Freundin und heutige Frau für den Familienbetrieb einen neuartigen Festkörperlaser angeschafft hatte. Denn der nutzte kürzere Lichtwellen.

"Dann haben wir eher halbwissenschaftlich überlegt, dass kürzere Wellenlängen doch viel besser in das Material eindringen müssten". Mit dieser Idee hat Herzog dann eine kleine Vorrichtung konstruiert - quasi eine kleine SLM-Maschine. "Die haben wir unter den Laser gestellt, mit Pulver befüllt und Probebelichtungen gemacht - und festgestellt: Mit diesem Laser kann man komplett durchschmelzen!"

Uni-Professor Emmelmann, Airbus-Visionär Sander und Maschinen-Erfinder Herzog vor einem Laserdrucker (Foto: Ansgar Pudenz/ Deutscher Zukuntspreis).
Uni-Professor Emmelmann, Airbus-Visionär Sander und Maschinen-Erfinder Herzog vor einem LaserdruckerBild: DZP/Ansgar Pudenz

Nicht mehr nur Modellbau - sondern richtig belastbare Komponenten

Herzogs Erfindung revolutionierte den 3D-Druck von Grund auf. Ab sofort ging es nicht mehr nur um die Fertigung von Prototypen für die Industrie, sondern um richtige belastbare Bauteile. Auf der Messe Euromold 2001 hat er seine neue Firma und seinen Drucker zum ersten Mal öffentlich präsentiert.

Danach konnte sich Herzog vor Anfragen kaum noch retten. Heute hat Concept Laser einen Marktanteil von gut 25 Prozent aller 3D-Drucker, die mit selektivem Laserschmelzen arbeiten - weltweit. Und die Firma ist führend bei der Entwicklung noch besserer und leistungsfähigerer Maschinen.

SLM-Technologie an der Uni, SLM-Technologie in der Industrie

500 Kilometer weiter nördlich vom Firmensitz, in Hamburg, hat Claus Emmelmann an der dortigen Technischen Universität seinen Lehrstuhl. Er hat die SLM-Technologie zu einem Kernbereich gemacht und 2009 das Laserzentrum Nord (LZN) gegründet - eine GmbH, die als Brücke zwischen universitärer Lehre, angewandter Forschung und Industrie dient.

Emmelmann öffnet die Tür zu einer großen, hellen Maschinenhalle: "Hier befinden wir uns jetzt in dem Bereich, wo wir für Luftfahrt, Medizin, Werkzeug- und Maschinenbau mit dem Pulverbett-Verfahren 3D-drucken." Er geht zu einer Maschine: "Das ist eine Anlage von Concept-Laser."

Prof. Claus Emmelmann vom Laserzentrum Nord und der TU-Hamburg hält einen topologieoptimierten Hydraulikblock der durch selektives Laserschmelzen gefertigt wurde, in den Händen (Foto: DW/ Fabian Schmidt).
Die Rohrdurchmesser und Wandstärken des Ventilkopfes entsprechen den tatsächlichen DruckverhältnissenBild: DW/F. Schmidt

Bionische Gestaltungsprinzipien verbessern die Produkte

Emmelmanns Laserzentrum produziert aber nicht nur die Bauteile. Die wahre Stärke des Instituts liegt im besseren Design. Der Professor nimmt ein komplexes, aber elegant wirkendes, Rohrgeflecht in die Hand. "Das ist ein Hydraulikventilblock, der topologieoptimiert ist und dadurch 80 Prozent Gewicht verloren hat - also nur noch 20 Prozent wiegt."

Was den Ventilblock von herkömmlichen Ventilblöcken unterscheidet: Es gibt keine Bohrungen mehr. Die Rohrdurchmesser passen sich fließend an die tatsächlichen hydraulischen Druckverhältnisse an. "Das reduziert Druckverluste um über 50 Prozent. Wir haben also hier ein Bauteil, das nicht nur leichter ist, sondern das auch enorme Funktionseffizienz bringt", sagt der Professor.

Leichter, besser, weniger Störungsanfällig

Im 3D-Druck lassen sich also Lösungen finden, an die Ingenieure bei traditionellen Herstellungsverfahren gar nicht zu denken wagen - ideal für den Flugzeugbau.

In der Entwicklungsabteilung von Airbus stieß Professor Emmelmann auf Peter Sander. Der Ingenieur hatte schon Gefallen am 3D-Druck gefunden und auch schon Bekanntschaft mit Concept Laser gemacht, aber in der Praxis war der 3D-Druck bei Airbus noch nicht angekommen.

Erst der direkte Kontakt der beiden Visionäre setzte eine neue Dynamik frei, erinnert sich der Ingenieur: "Man braucht Leute, die davon mehr Ahnung haben als man selber, und da habe ich zum Glück Herrn Emmelmann getroffen. Er hat mir gesagt 'Wir können so tolle leichte Teile machen - das wär für Euch als Flugzeugbauer ideal!'"

Prof. Claus Emmelmann vom Laserzentrum Nord und der TU-Hamburg hält Tragbauteile für den Flugzeugbau in den Händen, die durch selektives Laserschmelzen gefertigt wurden (Foto: DW/ Fabian Schmidt).
Das Laserzentrum Nord stellt bereits jetzt besonders leichte und haltbare Flugzeugbauteile für Airbus her.Bild: DW/F. Schmidt

Sander zögerte danach nicht lange und setzte einen offenen Ideenprozess bei Airbus in Gang. Er wollte herausfinden, für welche Bereiche der 3D-Druck in Frage kommt. Also startete Sander eine Kampagne und rief die Mitarbeiter dazu auf, Ideen zu entwickeln. "Wir haben gefragt: 'Wir suchen Komplexitätsreduzierung, Gewichtsreduzierung, Durchlaufzeitreduzierung' - also irgendwelche Ansätze, die wir durch Drucken erreichen können."

Offener Ideenwettbewerb bei Airbus

Innerhalb von nur fünf Wochen waren 192 Ideen bei Sander eingegangen. Daraus hat er zunächst dreizehn Finalisten ausgewählt, Bauteile entwickelt und gedruckt. "Und diese Teams haben dann dem Management gezeigt, was sie herausgefunden haben. Da kamen Teile heraus - das hätte keiner von uns erwartet." Für Sander war das auch ein Zeichen für das riesige Ideen-Potenzial, das in den kreativen Köpfen der Ingenieure und Techniker bei Airbus steckt.

Ab 2016 steigt Airbus in die SLM-Serienfertigung ein. Viele Teile wird die 100-prozentige Tochter "Premium Aerotec" dann schon auf eigenen Maschinen ausdrucken. Aber auch das Laserzentrum Nord wird weiterhin einiges für Airbus produzieren.

Für Frank Herzog in Lichtenfels beginnt damit wieder eine neue Ära in der rasanten Entwicklung seiner Firma.

Denn mit der beginnenden Serienfertigung werden bald auch größere, schnellere und leistungsfähigere Drucker gebraucht. Und dem will sich Herzog stellen: "Wir sind eigentlich immer gefordert worden", sagt er rückblickend. "An diesen Anforderungen sind wir als Unternehmen immer weiter gewachsen - weil wir uns diesen Anforderungen auch immer gestellt haben."

Da die SLM-Fertigung bei Airbus auf jeden Fall weiter wachsen wird, ist die nächste große Herausforderung für Concept Laser schon jetzt klar. Sie heißt Automation: Während bisher die gedruckten Teile noch per Hand aus der Maschine genommen, gesäubert und auf ihre Qualität geprüft werden, sollen das in Zukunft sicher Roboter übernehmen. Dann heißt es: Willkommen in der Fabrik der Zukunft.

Dafür wurden die drei Laser-Druck-Pioniere Herzog, Emmelmann und Sander auch für den Deutschen Zukunftspreis nominiert, den Bundespräsident Gauck am 2. Dezember 2015 in Berlin verleihen wird.