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13 Euro Eintritt für die EU?

Bernd Riegert21. September 2016

Die EU will ihre Außengrenzen verstärkt kontrollieren. Wer einreisen will, muss sich registrieren lassen oder ein Visum beantragen. EU-Bürger werden aber nicht erfasst. Bernd Riegert berichtet aus Brüssel.

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Flughafen Frankfurt am Main Finger auf Scanner
Automatische Kontrolle an der EU-Grenze im Frankfurter FlughafenBild: picture-alliance/dpa/C. Schmidt

Australien hat es schon lange, die USA haben es seit 2007: ein elektronisches Einreisesystem für Reisende, die kein Visum brauchen. Dieses System will sich jetzt auch die Europäische Union gönnen, um besser zu kontrollieren, wer eigentlich ein- und ausreist. In den USA heißt die elektronische Anmeldung per Internet "ESTA". In Europa soll sie "Etias" (European Travel Information and Authorisation System) heißen. Die EU-Kommission prüft zurzeit in einer Machbarkeits-Studie, wie "Etias" an den Hunderten von Flughäfen und Grenzübergängen der EU aufgebaut werden kann. Ende des Jahres soll dann die Gesetzgebung beginnen.

Die EU-Innenminister hatten die Forderung nach einem elektronischen Anmeldesystem im vergangenen Jahr nach den Terroranschlägen von Paris erneuert. Geplant war das System, das erkannte Sicherheitslücken schließen soll, schon länger. Jetzt soll es tatsächlich kommen. Ähnlich wie im US-amerikanischen System sollen sich Reisende, die kein Visum für die EU brauchen, im Internet anmelden. Dafür wird wie in den USA eine Gebühr fällig, die nach Angaben von EU-Beamten zwischen 13 und 50 Euro liegen könnte. Bei heute 30 Millionen Reisenden aus Nicht-EU-Staaten, die kein Visum brauchen, sind das immerhin Einnahmen von 390 Millionen bis 1,5 Milliarden Euro pro Jahr.

Eintritt auch für Briten?

Die Zahl der Menschen, die kein Visum brauchen und trotzdem "Eintritt" zahlen müssten, könnte sich in den nächsten Jahren noch erheblich steigern. Millionen von Briten, die nach dem Brexit zum Urlaub oder auf Geschäftsreise in die EU kommen, müssten sich ebenfalls bei "Etias" registrieren und zahlen. Ebenso Reisende aus der Türkei oder der Ukraine, falls die EU ihnen demnächst die Einreise ohne Visum gestattet. Camino Mortera-Martinez von der Brüsseler Denkfabrik "Zentrum für Europäische Reform" hält von dieser Regelung wenig. "Das wäre schädlich für das britische Geschäftsleben", sagte sie der Zeitung "The Guardian".

Infografik Die Staaten des Schengener Abkommens Deutsch Stand September 2015

Komplexes Kontrollsystem

"Etias" ist nur ein Baustein einer weitergefassten Initiative der EU-Kommission, um die Außengrenzen nach Terroranschlägen und unkontrollierter Migration im vergangenen Jahr sicherer zu machen. Herzstück der neuen Grenzsicherung soll das System zur Erfassung von Ein- und Ausreise für alle Reisenden aus Nicht-EU-Staaten werden. Dieses "EES" genannte Netzwerk soll bis Ende des Jahres beschlossen werden. Zurzeit werden die technischen Einzelheiten ausgearbeitet.

Vom Jahr 2020 an soll dann jede Einreise und Ausreise in einer Datenbank gespeichert werden. Gleichzeitig soll die Gültigkeit von Ausweisen und Visa geprüft werden. Außerdem soll es auch noch eine Regelabfrage beim sogenannten "Schengen-Informations-System" (SIS) geben, in dem Fahndungen und mögliche terroristische Gefährder erfasst sind. Das bisherige Nebeneinander der zahlreichen europäischen Datenbanken soll beendet werden, versprach der zuständige EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos vergangene Woche im Europäischen Parlament in Straßburg. "Die Systeme werden helfen, Europas Grenzen sicherer zu machen. Die Stärkung der europäischen Polizeibehörde Europol ist gleichzeitig ein konkreter Schritt, um den effizienten Austausch von Informationen zu verstärken und gefälschte Reisedokumente zu erkennen", sagte Avramopoulos. Die Daten zur Ein- und Ausreise sollen fünf Jahre gespeichert werden. Datenschutz-Aktivisten kritisieren das geplante System bereits als "Datenkrake."

Brüssel EU Kommission Aufhebung Visumspflicht für türkische Staatsbürger Dimitris Avramopoulos
Avramopoulos: Alle Einreisen erfassenBild: Reuters/F. Lenoir

Sicherheitsexperten in der EU-Kommission weisen darauf hin, dass es nach den bisherigen Schengen-Regeln überhaupt keine systematische Erfassung von Ein- und Ausreisen für Drittstaaten-Angehörige gibt. "An der Grenze wird nur die Plausibiltät von Pass und Visum durch die Grenzbeamten durch Sichtkontrolle geprüft. Einen regelmäßigen Abgleich mit dem Visa-Informations-System oder dem Schengen-Informations-System gab es nicht, nur Stichproben", so ein EU-Diplomat.

Ausnahme: EU-Bürger werden nicht erfasst

Nach den Terroranschlägen in Frankreich im vergangenen Jahr hatten sich der französische und der deutsche Innenminister im Dezember 2015 dafür eingesetzt, die systematischen Kontrollen auch für EU-Bürger einzuführen. Wer einen EU-Ausweis besitzt, kann bislang die Außengrenzen nach einfacher Kontrolle seines Reisedokuments ohne Registrierung überschreiten. So ist es zum Bespiel nicht zu erkennen, ob und wie oft ein radikalisierter Dschihadist mit europäischem Pass in Richtung Syrien ein- und ausreist. Diese Lücke sollte geschlossen werden. Doch das scheint politisch nicht durchzusetzen zu sein. Die EU-Kommission schwächte ihre Vorlagen entsprechend ab, denn die geltenden Schengen-Regeln verbieten "systematische" Erfassung und Überprüfung von EU-Bürger an den Außengrenzen ausdrücklich. Allerdings sollen demnächst auch EU-Bürger an ausgewählten Grenzübergängen automatisierte Eingangskontrollen durchlaufen, in denen die biometrischen Daten ihrer Pässe ausgelesen und mit ihren Gesichtern abgeglichen werden. Diese Daten sollen aber, anders als bei Drittstaaten-Angehörigen, nicht gespeichert werden.

Grenzposten Ukraine-Rumänien
Außengrenze der EU zwischen Rumänien und der UkraineBild: DW/H. Stadnyk

Es werden also noch mindestens vier Jahre vergehen, bis die neuen Systeme laufen, die Scanner aufgestellt und alle Datenbanken verknüpft sind. "Wir brauchen eine engere Koordination zwischen den Mitgliedsstaaten und der EU", ist sich der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, sicher. "Wir müssen sehen, dass wir in einer mobilen Welt keine andere Chance haben, um mehr Sicherheit zu erreichen." In den Papieren der EU-Kommission findet sich dann auch noch der Hinweis, dass die neuen Grenzkontrollen, Scanner und Anmeldeverfahren "abschreckende Wirkung" auf mögliche illegal Einreisende haben werden.