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Neuer Sarkophag-Fund: Lernen vom Totenkult des Alten Ägypten

Sven Töniges
21. Oktober 2019

Ob die bei Luxor gefundenen Sarkophage tatsächlich "sensationell" sind, bleibe abzuwarten, sagt der Bonner Ägyptologe Ludwig Morenz. Fest stehe aber, dass uns der Totenkult der Ägypter bis heute viel zu sagen hat.

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Ägypten Tal der Könige in Luxor | Präsentation Sarkophag-Fund, 30 Särge
Einer der in Luxor gefundenen Sarkophage bei der PräsentationBild: Reuters/A. Abd El Ghany

Erstmals seit Ende des 19. Jahrhunderts wurden im ägyptischen Luxor eine Vielzahl gut erhaltener Holzsärge entdeckt. In den reich verzierten Sarkophagen fanden Menschen vor etwa 3000 Jahren ihre letzte Ruhestätte. Die Deutsche Welle hat mit Professor Ludwig Morenz gesprochen. Der Lehrstuhlinhaber des ägyptologischen Seminars der Universität Bonn forscht unter anderem zur "Archäologie des ägyptischen Humors". 

Deutsche Welle: Herr Professor Morenz, das ägyptische Antiken-Ministerium hat 30 Holzsärge präsentiert, die im Tal der Könige nahe Luxor gefunden wurden. In vielen Nachrichten war und ist von einem "spektakulären" oder "sensationellen" Fund die Rede. Inwieweit würden Sie da zustimmen - oder wird da etwas aufgebauscht?

Ludwig Morenz: Interessante Frage. Spektakulär scheint mir tatsächlich zu sein, dass diese Särge offenbar - nach dem, was ich an Bildern gesehen habe - auch bezüglich Bemalung und Inschriften sehr gut erhalten sind. Und dass sie tatsächlich auch Mumien beinhalten. Das ist für sich genommen erstmal wirklich sehr interessant. Auch, dass die Särge eben genau dort herkommen, wo wir sie nicht erwarten - nämlich nicht aus Gräbern, sondern dass sie, so wie ich den Berichten bisher entnommen habe, tatsächlich mehr oder weniger in Not und Eile verscharrt worden sind.

Der ägyptische Antiken-Minister sagt, die Entdeckung sei "von unschätzbarer Bedeutung für den Ruf Ägyptens". Wahrscheinlich geht es bei diesem Fund um mehr als nur um Marketing. Welche Bedeutung ist für die Wissenschaft, für die Ägyptologie, zu erwarten?

Das dürften erst zukünftige Forschungen zeigen. Das erste wäre eine genaue Aufnahme und Auswertung der Texte und Schriften. Wirklich spannende Ergebnisse sind dann - zweitens - bei der naturwissenschaftlichen Untersuchung der Mumien zu erwarten. Und das dritte ist das, worüber bisher noch wenig gesprochen wurde - nämlich der Fundort. Da besteht die Möglichkeit, dass diese Objekte wirklich nur eben einfach so im Boden verscharrt wurden - und praktisch keine zusätzlichen archäologischen Spuren davon bekannt sind.

Ich würde mir erhoffen, dass darüber vielleicht noch Einiges bekannt wird und wir auch ein historisches Szenario bekommen. Es bleibt ja zum Beispiel auch die Frage, ob diese Werke alle aus einer Zeit stammen - oder ob sie von einer Familie kommen oder aus bestimmten sozialen Schichten. Ob wir das genauer feststellen können, das sind alles Fragen, die erst künftige Forschung wird beantworten können. Und eigentlich können wir erst danach sagen, ob es nun wirklich ein spektakulärer Fund auch für die Ägyptologie war. Oder eben eben einfach ein schöner Zugewinn an interessanten Objekten.

Bei Graböffnungen oder archäologischen Arbeiten wie etwa in dieser Nekropole im Tal der Könige stellt sich immer wieder die Frage nach der Störung der Totenruhe und inwieweit das legitim ist. Wie ist da Ihre Position?

Die Perspektive, die wir da in der Archäologie haben, ist die, dass wir uns ja grundsätzlich mit einer vergangenen Welt beschäftigen und deshalb sowieso mit Zeugnissen des Todes konfrontiert sind. Natürlich ist die Frage: Wie geht man konkret mit den historischen Überresten der Toten um? Und da ist aus meiner Sicht die relativ klare Antwort, dass wir die Würde des Menschen wahren sollten - und dass das sehr gut in Forschung integriert werden kann.

Wird dieser Punkt in Ihrem Fach denn noch diskutiert?

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Mumien, die im "Grab 28" nahe Luxor gefunden wurden (24.11.2018)Bild: AFP/Getty Images/K. Desouki

Für die Archäologie, die sich mit Vergangenheit beschäftigt und die - sofern sie ausgräbt - auch auf Überreste echter, gestorbener Menschen trifft, ist das immer eine Grundfrage. Wie wir damit umgehen wollen, was wir dürfen und was wir leisten können. Meine Vorstellung, die im Fachbereich geteilt wird, ist, dass wir die Erforschung von Vergangenem und auch von konkreten toten Menschen damit verbinden können (und müssen), dass ihnen die Würde bleibt - beziehungsweise ihnen sogar neu gegeben werden kann.

Stellt sich bei Ausstellung und Musealisierung von Mumien nicht auch die Frage, ob das - drastisch ausgedrückt - eine Art der Nekrophilie bedienen kann?

Klar, tatsächlich. Die Präsentation im Museum, der Umgang mit Öffentlichkeit, setzt eine große Sensibilität voraus, was gezeigt werden kann und wie es gezeigt wird. Sowohl hinsichtlich der Würde der Toten als auch hinsichtlich des Effekts auf die Museumsbesucher. Das muss ja beides miteinander in Einklang gebracht werden. Und tatsächlich ist das ein Punkt, den ich für sehr interessant halte: Dass in unserer Gesellschaft der konkrete Umgang mit dem wirklichen Tod ausgeblendet wird.

Auf der einen Seite haben wir diese ganzen Krimis, wo Menschen am Fließband sterben. Auf der anderen Seite haben wir Berichterstattungen von Kriegen, von Eisenbahnunfällen, von Flugzeugabstürzen und so weiter. Und doch ist es so, dass wir eigentlich im Alltag selbst ausgesprochen wenig mit dem Tod als Tod konfrontiert werden. Und das ist ein Punkt, der zum Beispiel in den altägyptischen Gesellschaften ganz, ganz anders war. Da war der Tod massiv ins Leben integriert. Das ist tatsächlich eine der Fragen, bei denen die Ägyptologie der modernen Zeit sehr konkrete Anregungen bieten kann.