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Pop-Momente 2015

Silke Wünsch29. Dezember 2015

Was war in den letzten 12 Monaten Top, was war unterirdisch? Wer war am erfolgreichsten, wer hat am meisten abgeräumt und was waren die emotionalsten Momente? Ein Rückblick in Schlaglichtern.

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Adeles neues Album "Hello" (Foto: picture-alliance/dpa/A. Schippers)
Bild: picture-alliance/dpa/A. Schippers

Das ESC-Debakel Vol. 1

Ann Sophie ist ein Showtalent, begabt, attraktiv und bühnentauglich. Die besten Voraussetzungen für eine Kandidatin, die Deutschland beim Eurovision Song Contest (ESC) vertreten könnte. So trat sie beim Fernsehcasting gegen sieben weitere Bewerber an - und verlor. Gegen Andreas Kümmert, der die Zuschauer mit seiner kraftvollen Bluesröhre verzaubert hat. Doch Kümmert nahm das Zuschauervoting nicht an. Die gastgebende Moderatorin fackelte nicht lange und erklärte die zweitplatzierte Ann Sophie zur Siegerin des Castings. Die wusste nicht wie ihr geschah - alle anderen auch nicht, denn mit Zuschauervoting hatte diese Entscheidung nicht mehr viel zu tun. Ann Sophie reiste nach Wien zum ESC, erfüllte ihre Rolle, lieferte trotz mittelmäßigem Song eine solide Show ab - und verlor wieder. Diesmal so richtig, denn mit Null Punkten war sie Letzte.

Sängerin Ann Sophie beim Eurovision Song Contest 2015 (Foto: Julian Stratenschulte/d)
Eigentlich ein perfekter Auftritt. Aber Ann Sophie bekam keinen PunktBild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Es ist doch nur ein Adele-Album

Wenn man dem Hype um Adeles neues Album "25" Glauben schenkte, handelte es sich um einen der seltenen Meilensteine in der Popmusik. Dabei war es nur ein Album von Adele, einer sehr talentierten britischen Sängerin, die sich mit insgesamt drei Alben in sieben Jahren in die höchste Liga der Popsängerinnen katapultiert hat. Als sie anfing, war sie korpulent und nicht sonderlich attraktiv - aber sie konnte singen. Mit zunehmendem Erfolg hat Adele abgenommen, sie wird immer hübscher und räumt alles ab, was abzuräumen ist. Mehrfaches Platin, zehn Grammys, Brit Awards, Golden Globe Awards und einen Oscar. Die neue Platte ist erwartungsgemäß an alle Chartsspitzen geschnellt, hat sich innerhalb weniger Tage millionenfach verkauft. Es ist voller trauriger Lieder, die Adele mit ihrer kraftvollen Stimme vorträgt, begleitet von perfekt produziertem Popsound: Alles gipfelt in einem Schluss-Song, der auch in jeder Walt Disney-Zeichentrick-Schmonzette einen Platz gehabt hätte. Nichts Neues - aber eben Adele.

Adele Auftritt in Köln
Adele bei einer Fernsehshow im Dezember 2015Bild: Getty Images/S. Steinbach

Matsch! Matsch! Matsch! Matsch!

Seit 26 Jahren gibt es das größte Metal-Festival Europas - das Wacken Open Air Festival. Immer Ende Juli, Anfang August, im Hochsommer. Da sollte man doch meinen, dass das Wetter mitspielen würde. Weit gefehlt. In Schleswig-Holstein ist genau in diesen Tagen Regenzeit. Fast jedes Jahr.

Die Äcker, auf denen sich Jahr für Jahr bis zu 80.000 Menschen tummeln, verwandeln sich meist schon nach einem kurzen starken Regenguss in ein Meer aus Matsch. 2015 regnete es vier Tage am Stück. Schon zu Beginn des Festivals war "Land unter".

Auf den Campingplätzen mussten dünne Zeltwände dem bis zu 30 cm tiefen Schlamm trotzen, Hunderte Autos waren festgefahren, die Gummistiefel waren das wichtigste Accessoire. Der Partystimmung tat das keinen Abbruch.

Denn außer jeder Menge Schlamm gab es jede Menge Bier und jede Menge sehr laute Musik. Wacken ist einfach Kult - egal bei welchem Wetter, das sich erst am letzten Tag von seiner besten Seite zeigte.

Das ESC-Debakel Vol. 2

Schluss mit diesen No Name-Kandidaten, die innerhalb von drei Monaten zu Stars aufgebaut werden müssen und dann doch verlieren, dachte sich der öffentlich-rechtliche Sender NDR, der für den deutschen ESC-Auftritt verantwortlich ist. Für die Teilnahme am ESC 2016 verzichtete man auf das Zuschauervoting und nominierte direkt einen der bekanntesten deutschen Popsänger: Xavier Naidoo. Da hat der Unterhaltungschef des Senders Thomas Schreiber das deutsche Publikum allerdings unterschätzt. Denn offenbar wusste er bei der Nominierung Naidoos nicht, dass der Sänger Ansichten vertritt, die bei den meisten Deutschen nicht gut ankommen: Man sagt ihm Antisemitismus und Homophobie nach. Zweitens teilen viele Schreibers Schwärmerei für die gesanglichen Qualitäten des Soulsängers sowieso nicht. Fazit: Nach zwei Tagen Shitstorm zog der NDR seine Nominierung zurück. Noch ist offen, wer Deutschland im Mai 2016 beim ESC vertreten wird.

Sänger Xavier Naidoo (Foto: Foto: Uwe Anspach/dpa)
Xavier Naidoo hat immer noch viele Freunde, die ihm nach der peinlichen NDR-Aktion den Rücken stärkenBild: picture-alliance/dpa/U. Anspach

Aktion Arschloch

1993 brachten die Ärzte "Schrei nach Liebe" raus. Es ist ein Song gegen Rechstradikalismus, in dem es um einen Typen geht, der zu wenig Liebe erfahren hat und glaubt, diese bei den Neonazis zu finden. 2015 marschieren Pegida & Co. durch deutsche Städte und skandieren rechtsradikale Parolen. Hunderttausende Flüchtlinge kommen nach Deutschland und sind in der rechten Szene so unbeliebt, dass Flüchtlingsheime in ganz Deutschland angegriffen werden. In den sozialen Netzwerken startet die "Aktion Arschloch - Schrei nach Liebe in die Charts!" Es funktioniert: Der Song erreicht am 11. September 2015 die Spitze der deutschen Charts. Alle Erlöse aus dieser Aktion gehen an die Flüchtlingshilfeorganisation "ProAsyl".

Die deutsche Band "Die Ärzte" (Foto: http://www.bademeister.com/v9/kontakt/presse.php?b=14&c=22)
'Schrei nach Liebe' zum ersten Mal seit Erscheinen auf Platz 1Bild: Nela König

AnnenMayKantereit – die besten Newcomer

Die Kölner Band mit dem schwierigen Namen hat sich in den vergangenen Jahren ganz von alleine hochgearbeitet. Sie spielten in Fußgängerzonen, umsonst in kleinen Clubs, tingelten rum - kurz: Sie fraßen Dreck wie jede andere "ehrliche" Band in ihren Anfängen. Die Ausdauer hat sich bezahlt gemacht. Mittlerweile füllen sie locker Hallen, in die 10.000 Leute passen. Ihre Songs: nachdenklich, reif, voller Seele und Erfahrung. Und das mit einem Durchschnittsalter um die 24. Sänger Henning singt wie ein Mann, der schon alles gesehen, alle Whiskeys dieser Welt probiert hat und drei Packungen Zigaretten am Tag raucht. Von seinem Vater, der ihn groß gezogen hat, von verlorenen Freunden und vergangener Liebe. Die vier Jungs fangen die Gefühlswelt aller auf, die gerade Anfang 20 sind und sich ans Erwachsensein gewöhnen müssen. Und verzaubern auch deren Eltern.

Die deutsche Band "AnnenMayKantereit" in Berlin (Foto: picture alliance/Eventpress Hoensch)
Komischer Name? Die Gründungsbesetzung bestand aus Christopher Annen, Henning May und Severin KantereitBild: picture alliance/Eventpress Hoensch

Das traurigste Konzert

Die Eagles of Death Metal hätten auf diesen Karriereschub verzichten können. Keine Band möchte erleben, was diese vier Jungs aus den USA im Pariser Musikclub Bataclan erlebt haben. Sie spielten gerade vor 1500 Leuten, als Terroristen den Club stürmten und 90 Menschen töteten. Den Musikern ist nichts passiert. Aber die ganze Welt kennt diese Band nun, die vorher nur in Indie-Kreisen bekannt war und verehrt wurde. Verehrt deswegen, weil es enge Verbindungen zur Post-Grunge-Band Queens of the Stone Age gibt, weil sie mit Gästen wie Dave Grohl (Foo Fighters, Ex-Nirvana) oder Jack Black (Tenacious D.) arbeiten, weil ihr Indie-Garage-Stoner-Rock mit den ironischen Texten einfach coole Musik ist.

Jesse Hughes in Paris vor dem "Bataclan" (Foto: EPA/YOAN VALAT)
Jesse Hughes kehrt an den Ort des Grauens zurückBild: picture-alliance/dpa

Die Eagles sind im Dezember nach Paris zurück gereist, haben am Bataclan Blumen niedergelegt und versprochen, dass sie bei der Wiedereröffnung des Clubs spielen werden.

R.I.P.

20. Januar: Edgar Froese (70), Pionier der elektronischen Musik und Gründer von Tangerine Dream
15. März: Mike Porcaro (59), Bassist bei Toto (der zweite Verstorbene der drei legendären Porcaro-Brüder)
14. April: Percy Sledge (74), Soul-Sänger (u.a. "When A Man Loves A Woman")
30. April: Ben E. King (76), Soul-Sänger bei den Drifters und solo weltberühmt für "Stand By Me"
14. Mai: B. B. King (89), Blues-Gitarrengott
9. Juni: James Last (86), schnippender Bandleader und Erfinder das "Happy Sound"
11. Juni: Ornette Coleman (85), Saxophonist und Wegbereiter des Free Jazz
20. Juli: Dieter Moebius (71), Elektroniker und Avantgarde-Musiker (u.a. bei Kluster, Guru Guru)
15. August: Max Greger (89) Saxophonist und Bandleader
9. November: Andy White (85), Drummer und "fünfter Beatle"