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Saudi-Arabien rüstet sich für die Zukunft

Kersten Knipp22. Dezember 2015

Der saudische König Salman wird der Schura-Versammlung die strategische Neuausrichtung des Königreichs erläutern. Einige Probleme sind hausgemacht. Vor allem der niedrige Ölpreis könnte dem Land zu schaffen machen.

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Saudi-Arabiens König Salman ibn Abd al-Aziz, 27.1.2015 (Foto: AFP / Getty Images)
Bild: Getty Images/AFP/S. Loeb

Gemessen an den Problemen des Landes, könnte es eine lange Rede werden, die der saudische König Salman Mitte dieser Woche vor der Schura-Versammlung, dem Nationalrat, halten wird. Innen- wie außenpolitisch steht Saudi-Arabien vor erheblichen Herausforderungen - politischer, wirtschaftlicher und kultureller Art.

Da ist zum einen der Krieg im Jemen. Seit einem Dreivierteljahr führt Saudi-Arabien eine Koalition sunnitischer Staaten, die gegen die aufständischen Huthies kämpft - eine überwiegend schiitische Gruppe, die nach saudischer Lesart vom Iran unterstützt wird. Der Krieg in dem Nachbarland, einem der ärmsten Staaten der arabischen Welt, gilt als indirektes Kräftemessen mit dem Erzrivalen in Teheran.

In dieser Auseinandersetzung hat Saudi-Arabien bislang keine militärisch sonderlich überzeugende Leistung gezeigt, sagt der Politologe Thomas Richter vom Hamburger GIGA-Institut für Nahoststudien. Der Einsatz saudischer Kräfte beschränke sich auf die Luftwaffe. Die Bodentruppen würden von anderen Staaten gestellt. "Dort kämpfen überwiegend Soldaten aus anderen Golfstaaten. Außerdem sind dort ja Söldner engagiert, aus Lateinamerika, aus dem Sudan und anderen afrikanischen Staaten." Zwar verfüge die saudische Armee über hochmoderne Waffen, setze diese aber nur begrenzt ein. Auch die Einsatzbereitschaft der Soldaten sei nicht sonderlich hoch. "Sie sind offenbar nicht bereit, ihr Leben für ihr Land aufs Spiel zu setzen." Besondere Fortschritte hat die Anti-Huthi-Koalition bislang nicht verzeichnen können, im Gegenteil: Die Terrorgruppen Al-Kaida und "Islamischer Staat" (IS) haben das Chaos genutzt, sich im Land festzusetzen und ihre Präsenz auszubauen.

Ein Huthi-Rebell in Sanaa, 10.12. 2015 (Foto: Reuters)
Zäher Gegner: Ein Huthi-Rebell in SanaaBild: Reuters/M. al-Sayaghi

Ideologische Nähe zum Islamischen Staat

Dennoch will das Königreich sich an der Spitze einer islamischen Koalition von über 30 Staaten nun auch in Syrien engagieren. Dort will sie vor allem den IS vernichten. Allerdings sei Syrien zugleich der Brennspiegel einer umfassenderen politischen Entwicklung, schreibt der politische Kolumnist Fahad Nazer in dem Internet-Magazin Al-Monitor. "Saudi-Arabiens neue Politik ist Ausdruck der im Königreich verbreiteten Auffassung, dass die Vereinigten Staaten sich aus dem Nahen Osten zurückziehen. Und wenn sie doch handeln, so der Eindruck, scheint ihnen eine klare Strategie zu fehlen."

Zwar sind die Golfstaaten offiziell bereits seit längerem in Syrien und im Irak engagiert. Doch die letzten Einsätze gegen den IS und andere extremistische Gruppen liegen bereits Monate zurück. Zudem befindet sich das Königreich insbesondere seit den Terroranschlägen von Paris verstärkt in der Kritik: Die in seiner Gesetzgebung aufscheinende ideologische Nähe zum IS hat Zweifel an der Verlässlichkeit des Königreichs aufkommen lassen. Darum sei die Anti-IS-Koalition auch ein Versuch, diesen Zweifeln entgegenzutreten, sagt Thomas Richter. "Sie soll regional wie international zu verstehen geben, dass Saudi-Arabien darauf reagiert. Und dass es in der Lage ist, mit dieser Koalition auf eine Herausforderung wie den Islamischen Staat angemessen zu reagieren."

IS-Anschlag auf schiitische Moschee in Dammam, 29.05.2015 (Foto: Reuters)
IS-Anschlag auf schiitische Moschee in Dammam im Mai 2015Bild: Reuters/A. Alhaji

Dschihadisten im eigenen Land

Auch innenpolitisch sieht sich das Land herausgefordert. Zwar hat es die dschihadistische Szene innerhalb des Landes dank eines effizienten Sicherheitsapparats im Griff. Doch die Übergänge zwischen (gewaltlosem) Fundamentalismus und (gewaltbereitem) Extremismus sind fließend. Denn längst gibt der "Rat der Großen Religionsgelehrten" nicht mehr allen Gläubigen die Richtung vor. Seit vor einem Vierteljahrhundert, in Reaktion auf den Einmarsch Saddam Husseins in Kuwait, amerikanische Streitkräfte auch in Saudi-Arabien Basen bezogen, hat sich eine islamistische Opposition gebildet, aus der später auch Al-Kaida hervorging.

Inzwischen hat der IS auch für erste Anschläge gegen schiitische Bürger und Einrichtungen des Königreichs die Verantwortung übernommen. Diese haben auch der Regierung seitens der Schiiten harte Kritik eingetragen. Der schiitische Aktivist Hamza al-Hassan bezeichnete den IS als "made in Saudi Arabia", also als saudisches Produkt. Der wahhabitische Islam und die Terrororganisation hätten die gleichen ideologischen Wurzeln.

Erdöl-Förderanlage in Dahran, 17.11.2014 (Foto: EPA)
Unter Preisstress: die saudische ErdölindustrieBild: picture-alliance/dpa

Wachsendes Staatsdefizit

Als reichten diese Herausforderungen noch nicht, sieht sich Saudi-Arabien auch einem großen Staatsdefizit gegenüber. Wegen des stark gefallenen Ölpreises - dem tiefsten seit elf Jahren - rechnet der Internationale Währungsfonds für das laufende Jahr mit einem Defizit von knapp 22 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Regierung plant darum den Verkauf von Staatseigentum. So könnten Häfen, Eisenbahnen und Flughäfen verkauft werden. Auch Krankenhäuser könnten veräußert werden. Saudi-Arabien "könnte in den kommenden 15 Jahren einem rapiden ökonomischen Verfall entgegensehen", zitiert das Wirtschaftsportal Boomberg.com eine Studie des Beratungsunternehmens McKinsey.

Die ökonomische Krise dürfte das Königreich umso härter treffen, als es die arabische Protestbewegung des Jahres 2011 mit erhöhten Sozialleistungen hat abwenden können. Der Anfang dieses Jahres gekrönte neue König Salman spendierte seinen Untertanen aus Anlass der Thronbesteigung Zuwendungen im Wert von 32 Milliarden Dollar. Für solche Gaben könnte künftig das Geld fehlen. Dann müssen die Ansprüche der Bürger auf andere Weise befriedigt werden, nämlich politisch. Saudi-Arabien steht vor einer Zeitenwende. Nicht ausgeschlossen, dass der König die Bürger in seiner Rede eben darauf vorbereitet.