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Happy Birthday Videokunst!

Soraia Vilela2. Mai 2006

Museen in fünf verschiedenen Städten rekonstruieren die Chronologie der Videokunst in Deutschland: Von den ersten Schritten Nam June Paiks bis zu den hybriden Kunstformen des digitalen Zeitalters.

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Robert Wilson: "Video 50" (1978)Bild: Robert Wilson Archive

Der Anfang der Videokunst liegt im Jahr 1963, als der in Korea geborene Künstler Nam June Paik die ersten künstlerischen Experimente mit Fernsehapparaten in der Wuppertaler Galerie Parnass ausstellte. Paik setzte visuell um, was er im Studio für Elektronische Musik des Westdeutschen Rundfunks von Karlheinz Stockhausen zu hören bekam: das Rauschen. Die Entdeckung des Standby und die Zelebrierung des Flimmerns sorgten für die Aura der Kunst im Zeitalter der noch analogen Reproduzierbarkeit. Erst im Jahr 1968 setzte sich die Chronologie institutioneller Videokunstpräsentationen fort.

Der koreanische-amerikanische Videokünstler Name June Paik ist gestorben
Nam June Paik: "Fin de Siecle II" (1989)Bild: AP

Rache gegen das Fernsehen

Die Ausstellung "40jahrevideokunst.de - Digitales Erbe" ist in fünf Abschnitte gegliedert, die sich auf verschiedene Städte verteilen: Die Kunsthalle Bremen beschäftigt sich mit der Pionierzeit in den 1960er-Jahren. Das Zentrum für Medien und Technologie in Karlsruhe (ZKM) konzentriert sich auf die Restaurierung der Bänder der 1960er und 1970er-Jahre. Im Düsseldorfer K21 erlebt der Besucher ein Revival der 80er. Das Museum der Bildenden Künste in Leipzig versucht einen Überblick über die eigene Bildsprache der DDR zu geben. Last but not least sind im Münchener Lenbachhaus aktuelle Arbeiten von Gegenwartskünstlern zu sehen.

Das Ausstellungskonzept richtet sich nicht nach einer Liste der in Deutschland geborenen Videokünstler, sondern nach dem Standort Deutschland. Vor allem geht es darum, die ästhetischen Wege der Videokunst und die von ihr hervorgerufenen Reflektionen von damals bis heute zu beleuchten.

Neue Wege

Wenn die allerersten Werke eine spielerische Auseinandersetzung mit dem eigenen Medium suchten und sich als "Rache" gegen das Fernsehen darstellten - Paik behauptete 1982: "Seit Jahren terrorisiert uns das Fernsehen, jetzt schlagen wir zurück" -, nähert sich die heutige Videokunstproduktion problemlos dem Theater oder dem Dokumentarfilm.

In vielen der 59 ausgestellten Arbeiten verschwimmen die Grenzen zwischen Installation, Performance, Dokumentation oder Videoskulptur beinahe. Die Vielfalt der Werke fängt mit Samuel Becketts "He Joe" (1965/66) an, das als Theaterstück für das ZDF geschrieben und inszeniert wurde. Dabei ist auch Joseph Beuys' legendäre Aktion "Filz TV" (1970) und das von Robert Wilson angefertigte "Video 50", in dem der amerikanische Theaterregisseur mit Ironie Bilder aus der Kunst- und Kinogeschichte kombiniert.

Digitales Erbe

Die Ausstellungskuratoren erinnern den Besucher daran, dass Videokunst heute nicht nur eine auf dem Kunstmarkt völlig etablierte Sparte ist, sondern auch wichtiges digitales Erbe ist. Ein wertvolles Erbe, mit dem sorgfältig umgegangen werden sollte.

An Schwierigkeiten mit dem Aufbewahren und Konservieren mangelt es nicht. Viele Wiedergabegeräte sind kaum noch zu finden und einige der kunsthistorisch relevanten Videobänder zerfallen buchstäblich in den Händen der Archivare.

Umgang mit der Zeit

Zu den praktischen Hindernissen kommen die Paradoxien der Videokunst im Umgang mit der Zeit. "Wir verfügen in unserer Kultur über zwei unterschiedliche Modelle, die uns erlauben, Kontrolle über die Zeit zu erlangen: die Immobilisierung des Bildes im Museum und die Immobilisierung des Zuschauers im Kinosaal. Beide Modelle versagen allerdings, wenn die bewegten Bilder in den musealen Raum versetzt werden", schreibt der Theoretiker Boris Groys im Katalog, der alle fünf Ausstellungen begleitet.

Der Besucher verliert seine Referenzen: Soll er die Bilder wie im Kino brav und lang angucken oder macht es eher Sinn, sich fort zu bewegen, als ob er sich in einer ganz normalen Ausstellung befände? "Beide Lösungen sind offensichtlich unbefriedigend", sagt Groys. Aber nichtsdestotrotz sind es gerade diese "grundsätzliche Unsicherheit" und der Mangel an Kontrolle über die Zeit, die das Wesen der Videokunst ausmachen.

Gibt es noch Original und Kopie?

Im videokünstlerischen Kontext werden Begriffe wie Original und Kopie komplett vermischt. Für Walter Benjamin war das Kunstwerk einem fast sakralen Ort zuzuordnen, während die Kopie profan und verortet sei. Wo bleiben Originale und Kopien bei einem VJ, der seine Kunstvideos live mixt? Kann man überhaupt authentische Kunstwerke aus dem nicht lokalisierbaren Ausstellungsraum namens Internet herunterladen? Fragen, die bestimmt noch lange offen bleiben.