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Ballack: "Alles ist so schnelllebig geworden"

Constantin Stueve8. Juli 2013

Michael Ballack, der beste deutsche Fußballer der 00er-Jahre, spricht im DW-Interview über das Tempo des neuen Jahrtausends, die Zukunft des Fußballs und das Verschwinden von echten Typen.

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Fußball Bundesliga 32. Spieltag: TSG 1899 Hoffenheim - Bayer 04 Leverkusen am Samstag (21.04.2012) in der Rhein-Neckar-Arena in Sinsheim. Leverkusens Michael Ballack kommt zum Aufwärmen. Foto: Uwe Anspach dpa/lsw (Achtung Sperrfrist! Die DFL erlaubt die Weiterverwertung der Bilder im IPTV, Mobilfunk und durch sonstige neue Technologien erst zwei Stunden nach Spielende. Die Publikation und Weiterverwertung im Internet ist während des Spiels auf insgesamt fünfzehn Bilder pro Spiel begrenzt.) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Bild: picture-alliance/dpa

In den "dunkelsten Zeiten" des deutschen Fußballs um die Jahrtausendwende war Michael Ballack oft der einzige Lichtblick. Gerade erst hat er sein Abschiedsspiel gegeben, der Ex-Capitano, dreifacher Fußballer des Jahres und Vater von drei Söhnen. Ballack ist nicht mehr fußballerisch aktiv und kann entspannt auf das vergangene Jahrzehnt zurückblicken.

DW: Der deutsche Fußball der frühen 00er-Jahre wird oft als Rumpelfußball gescholten…

Michael Ballack: Naja, so drastisch würde ich es nicht formulieren. Ich denke, Deutschland stand immer für eine gewisse Härte, eine gewisse Robustheit. Wir hatten auch immer wieder Topspieler mit Raffinesse, aber von Grund aus war Deutschland immer eine Fußballnation, die für Organisation, für Disziplin, für Zuverlässigkeit stand und so haben uns eigentlich im Ausland alle gesehen. Und das muss man sich beibehalten. Bei allem fußballerischen Talent, was jetzt hinzukommt, darf man seine Wurzeln nicht verlassen.

Der Bundesliga-Fußball ist im neuen Jahrtausend wesentlich temporeicher und dadurch laufintensiver geworden. Haben sie bei ihrer Rückkehr 2010 gemerkt, dass auf einmal alles viel schneller abläuft?

Nicht unbedingt. Dass ich älter geworden bin, das hab ich vielleicht gemerkt [lacht]. Dass es im Alter schwieriger ist, mitzuhalten, hat nichts mit dem Spiel zu tun. Man muss einfach noch professioneller, noch intelligenter laufen, um denselben Effekt zu erzeugen, den man vielleicht mit 20 hat. Ich glaube, wir haben mit Leverkusen 2002 schon einen Top-Fußball gespielt, Kurzpassfußball, sehr offensiv. Bei Bayern München dann etwas ruhigeren, sachlicheren Fußball, bei Chelsea wiederum eine ganz andere Art von Fußball, immer hin und her, immer rauf und runter, wenig Schiedsrichterpfiffe, wenig Fouls. Also es ist weniger die Tempoveränderung als die Art zu spielen, die Vorgabe des Trainers, die das Spiel anders aussehen lässt.

Wie sieht denn der Fußball der Zukunft aus?

Das ist ja völlig egal, welche Art Fußball man spielt. Natürlich will man immer schönen, attraktiven Fußball sehen, aber erfolgreicher Fußball, wenn ich mir die Italiener angucke, ist gewinnen. Das hat ja nicht zuletzt Otto Rehhagel gesagt. Zum Beispiel 2002 bei der WM in Japan und Südkorea, da hatten wir eine unheimliche Harmonie in der Mannschaft. Wir haben auf unsere Art und Weise Fußball gespielt und sind bis ins Finale gekommen. Und das ist bis heute nicht wieder passiert, trotz der vielen großen Talente. Aber dem deutschen Fußball steht natürlich eine große Zukunft bevor.

Bayern/ Fussball, 1. Bundesliga, Saison 2011/2012, 34. Spieltag, 1. FC Nuernberg - Bayer 04 Leverkusen, Samstag (05.05.12), easyCredit-Stadion, Nuernberg: Leverkusens Michael Ballack winkt zu den Fans. Das Spiel endete 1:4 (Foto: Timm Schamberger/dapd)
Im Mai 2012 beendete Michael Ballack bei Bayer Leverkusen seine LaufbahnBild: dapd

Inwiefern verändert der Medien-Hype des neuen Jahrtausends die Spieler?

Das Barometer schlägt immer höher aus und fällt immer tiefer runter. Früher wurde alles vielleicht nicht so auf die Goldwaage gelegt. Heutzutage ist es schwarz und weiß und deswegen glaube ich, dass sich das alles so ein bisschen einpegelt und anpasst und dass die Typen dadurch ein bisschen verloren gehen, leider. Dagegenwirken ist schwierig im Fußball-Business. Ich hoffe natürlich, dass es neben den Top-Spielern, die wir haben, auch weiterhin Top-Persönlichkeiten geben wird.

Also, sind die jungen Spieler heute braver und angepasster als früher?

Ich weiß nicht, ob sie braver und angepasster sind. Die Spieler heutzutage hören das sicherlich nicht so gern. Natürlich wird ihnen viel mehr abgenommen. Es ist inzwischen eine Rundum-Betreuung von früh bis abends. Ein Topspieler braucht sich um relativ wenig zu kümmern, außer um das eigentliche Fußballspielen. Alles, was drumherum passiert, wird ihm abgenommen. Das ist ja auf der einen Seite gut, auf der anderen Seite geht natürlich ein bisschen Selbstständigkeit und Persönlichkeit verloren. Sich mit bestimmten Dingen auseinanderzusetzen, auch vielleicht mal eine Streitkultur entwickeln. Nicht immer nur Lösungen auf dem Silbertablett präsentiert zu bekommen. Aber grundsätzlich kann man das nicht aufhalten, denn die Verbesserung liegt ja auf dem Platz, das ist das, was zählt, die 90 Minuten und da wollen natürlich Trainer, Spieler, Verein, alle das Optimale erzielen und da versuchen sie alles, was notwendig ist drumherum. Alles wird perfektioniert, bis hin zur Familienbetreuung.

Wo führt uns das neue Jahrtausend noch hin? Und was passiert mit dem Fußball?

Man sieht ja, wie schnell und rasant sich die Technologie entwickelt. Kommunikation, Internet. Wir haben früher eine Zeitung gehabt, heute gibt‘s viele und bald gibts vielleicht gar keine mehr, weil es nur noch Internet gibt, man weiß es nicht, wo die Reise hingeht. Aber es ist alles so schnelllebig geworden. Eine Nachricht ist heute am anderen Ende der Welt in Sekundenbruchteilen, das ist schon, wenn man in der Öffentlichkeit steht, nicht so einfach zu handlen. Im Fußball diskutiert man ja auch schon über Torkamera, Chip im Ball und so weiter, das wär früher nie vorstellbar gewesen. Also die Technologie hat sich immens verbessert und geht rasant, rasend schnell, aber es ist auch gut so. Es ist natürlich interessant, Forschung ist wichtig, neue Möglichkeiten und ich bin gespannt, wo die Reise noch überall hingeht.

Wie kann man in der Tempogesellschaft mithalten?

Man muss versuchen, sich den Tag so einzuteilen, dass man relativ wenig verplempert, man muss eine gute Organisation besitzen, um möglichst viel zu schaffen, sonst fliegen alle anderen an dir vorbei.

Michael Ballack, Jahrgang 1976, war lange Zeit Kapitän der deutschen Nationalmannschaft. Der torgefährliche Mittelfeldspieler war mit dem 1. FC Kaiserslautern (1998) und dem FC Bayern München deutscher Meister (2003, 2005, 2006). Für den FCK, Bayer Leverkusen und die Bayern absolvierte er 267 Bundeslia-Partien und erzielte dabei 77 Tore.

Das Gespräch führte Constantin Stueve