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Politik

Russlands Revolution und Afrikas Schicksal

Antonio Cascais
6. November 2017

Die Oktoberrevolution beeinflusste - mit einiger Verzögerung - auch die Geschicke der meisten Länder Afrikas. Die Befreiung vom Kolonialismus wäre ohne den Sieg der Bolschewiken wohl anders verlaufen.

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Parade zum Jahrestag der Oktoberrevolution in Moskau
Parade zum Jahrestag der Oktoberrevolution in Moskau (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa

7. November 1917, Auftakt der russischen Oktoberrevolution: Die Bolschewiken stürmen den Regierungssitz und übernehmen die Macht. Sie proklamieren die Sozialistische Sowjetrepublik, angeführt von Wladimir Iljitsch Lenin.

Die Kunde vom "Sieg des Proletariats" verbreitet sich wie ein Lauffeuer, auch in Afrika: 1919 kommt es in Ägypten, ermutigt durch den Umbruch in Russland, zu einem landesweiten Aufstand gegen die britische Kolonialherrschaft. Auch in Südafrika diente die Oktoberrevolution vielen Unabhängigkeitsaktivisten als Inspirationsquelle, sagt Aboubacar Maiga, Professor an der Universität von Malis Hauptstadt Bamako. "Die unterdrückte schwarze Bevölkerung Südafrikas hatte schon damals den Wunsch nach Freiheit und Unabhängigkeit."

Afrika als Spielball im Kalten Krieg

Die meisten anderen Länder des Kontinents ergriff der Geist der Oktoberrevolution jedoch erst mit einiger Verspätung, obwohl die Sowjets von Anfang an diverse Unabhängigkeitsbewegungen in Afrika diplomatisch und später auch finanziell und militärisch unterstützten. "In 'Schwarzafrika', vor allem in den frankophonen und lusophonen Ländern, kamen die Informationen über die Oktoberrevolution anfangs nur sehr spärlich an", so Aboubacar Maiga. Damals seien es vor allem einige wenige afrikanische Söldner aus Ländern wie Senegal gewesen, die während ihrer Kriegseinsätze auf Seiten Frankreichs davon erfuhren: "Die Soldaten fühlten sich von der russischen Revolution inspiriert. Sie schöpften Hoffnung für den Freiheitskampf in ihren eigenen Ländern."

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Stalin auf dem Höhepunkt seiner Macht. Der von der Sowjetunion angeführte Warschauer Pakt lieferte sich einen Kalten Krieg gegen die von den USA dominierten Nato-Staaten. Der afrikanische Kontinent geriet in den Fokus der Weltmächte: Es ging um die Vormachtstellung auch auf der südlichen Welthalbkugel.

Agostinho Neto
Befreiungskrieg in Angola: Poster mit Agostinho Neto, MPLA-FührerBild: casacomum.org/Documentos Dalila Mateus

Den meisten Afrikanern sei es damals nicht in erster Linie um die Ideologie gegangen, sondern vielmehr um finanzielle und vor allem militärische Hilfe bei ihren Unabhängigkeitsbestrebungen, sagt Maiga. Und so seien die meisten französischen und portugiesischen Kolonien mit maßgelblicher diplomatischer, finanzieller und militärischer Hilfe des Ostblocks unabhängig geworden.

Ideologische Grabenkämpfe in Angola

"In den portugiesischen Kolonien übernahmen nach der Unabhängigkeit 1975 marxistisch-leninistische Parteien die Macht", erinnert der ehemalige Unabhängigkeitskämpfer José Fragoso im Gespräch mit der DW.

In seiner Heimat Angola kam die marxistischen "Volksbewegung für die Befreiung Angolas", kurz MPLA, an die Macht. Sie wurde vor allem militärisch von der Sowjetunion, Kuba und anderen sozialistischen Brüderländern, wie zum Beispiel der DDR, unterstützt.

José Fragoso, der in jungen Jahren selbst überzeugter Kommunist war, studierte in der DDR an einer Kaderschule für marxistisch-leninistische Ideologie. Für die angolanischen Kommunisten galten andere, nicht kommunistische Befreiungsbewegungen, als ideologische Feinde, die bekämpft werden mussten: "Wir waren damals von der Sache überzeugt und nahmen dafür sogar einen blutigen Brüderkrieg gegen die anderen angolanische Rebellenbewegungen in Kauf",  erinnert sich Fragoso.

Afrikanische Massaker im Namen des Bolschewismus

Kriegsoperationen der portugiesischen Armee in Mosambik
Kolonialkrieg in Mosambik: Frelimo errang 1975 die UnabhängigkeitBild: casacomum.org/Arquivo Mário Soares

Auch innerhalb der MPLA gab es immer wieder ideologische Grabenkämpfe. Eine dieser Auseinandersetzungen führte 1977 zu einem Massaker, mit dem die Partei missliebige Mitglieder loswerden wollte. 80.000 Menschen wurden Schätzungen zufolge getötet.

"Es ging um den ideologisch korrekten Weg zur Diktatur des Proletariats, also um die Umsetzung einer Ideologie, die mit unserem reellen Leben in Afrika nichts zu tun hatte", erinnert sich José Fragoso, der das Massaker nur knapp überlebte. "Die nationalen Kulturen und Religionen wurden unterdrückt. Man wollte einen 'Neuen Menschen' kreieren, der der kommunistischen Ideologie entsprach."

Kein "heiliges Datum" mehr

Angola ist nur einer von vielen afrikanischen Staaten, in denen kommunistische Einparteiensysteme installiert wurden. Erst in den 1990er Jahren - nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion - wurden vielerorts Mehrparteiensysteme möglich.

Der 7. November sei für ihn lange ein "heiliges Datum" gewesen, sagt José Fragoso. Heute ist er anderer Meinung: Das kommunistische System habe mit der Oktoberrevolution seinen Lauf genommen und sei dann Afrika übergestülpt worden. Fragosos Fazit: "Für Angola war die Oktoberrevolution keine gute Sache."

Mitarbeit: Sandrine Blanchard