Beginn der "Weltausstellung Reformation"
20. Mai 2017"Weltausstellung", der Begriff wirkt ein bisschen antiquiert. Schnell assoziiert man London, Paris, das 19. Jahrhundert und den aufregenden Start in das 20. Doch dann besinnt man sich, dass das heute doch EXPO heißt und in Internet-Zeiten längst ein fragwürdiges Konzept geworden ist. Und schon ist man auf der falschen Fährte - und irritiert.
Diese Irritation dürfte beabsichtigt sein. "Weltausstellung Reformation", so heißt ein umfangreiches Ausstellungs- und Veranstaltungsprojekt in Wittenberg. Was sich hinter diesem Titel an konzeptionellen Gedanken verbirgt, können die Besucher seit Samstag (20.05.2017) in der Lutherstadt erleben. Große Bühne für 500 Jahre Reformation!
Reformation kein abgeschlossener Prozess
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte zur Eröffnung der "Tore der Freiheit" in Wittenberg, die Reformation habe die Geschichte, Kultur und Lebensweise über Jahrhunderte direkt oder indirekt beeinflusst und tue es bis heute. Es zähle etwa zu den historischen Lehren der Reformation und ihrer Folgen, "dass nur die Akzeptanz des Andersgläubigen aus dem Krieg der Konfessionen herausführt und dass der Mensch die Intoleranz und die Gewalt, die im Namen der Religion verübt wird, überwinden kann".
Sieben Tore der Freiheit
Bis Mitte September präsentieren sich mehr als 80 Aussteller in den Wallanlagen der Stadt. Sieben "Tore der Freiheit" konnten sie gestalten, jedes mit einem bestimmten gesellschaftlich relevanten Themenbereich. Am Hauptbahnhof entstand der Torraum "Welcome". Dort können die ankommenden Besucher gleich einen 25 Meter hohen Aussichtsturm besteigen. Seine Plattform ist einer Jubiläums-Lutherbibel nachempfunden.
Ganz in der Nähe steht ein Truck, mit dem ein Team in den letzten Monaten quer durch den Kontinent gefahren ist, um den Menschen am Europäischen Stationenweg bei Veranstaltungen Gelegenheit zu geben, das Reformationsjubiläum mitzufeiern. 60 Stationen in 19 Ländern hat der hellblaue Lastkraftwagen gemacht und 25.000 Kilometer hinter sich gebracht.
Künstlerische Thematisierungen
Im Bereich "Spiritualität" in der Nähe des Lutherhauses soll ein Wegenetz aus Stegen den biblischen Bergaufstieg symbolisieren und damit zu einem Ort des Gebetes und der Meditation werden. Auf dem Bunkerberg sollen täglich Morgen- und Mittagsandachten gefeiert werden. Unter dem Schlagwort "Jugend" geht es an einer anderen Stelle um Orientierungssuche, Chancengleichheit, Zukunft und Demokratie. Oder in Form einer Kunstinstallation um "Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung" - wo in originalen und nachgebauten Flüchtlingsbooten auf dem Schwanenteich der Altstadt über Asyl und Migration debattiert werden kann.
Globalisierung, Klimaschutz, das friedliche Miteinander, Gemeinsamkeiten und Begegnungen von Religionen und Kulturen - an den ausgestalteten Torräumen geht es um die großen Themen unserer Zeit. Der Torraum "Kultur" soll Schnittstelle zwischen Kunst und Religion sein. Auf dem Areal dieses Torraumes befinden sich die für die Reformation bedeutsame Schlosskirche mit der Thesentür, das Alte Gefängnis als Schauplatz der Kunstausstellung "Luther und die Avantgarde" sowie Konzertbühnen. Dort werden die deutschen Musiker Joris, Laith Al-Deen, Klaus Hoffmann und Culcha Candela auftreten, ebenso wie Tanzensembles, Theatergruppen und Chöre.
"Das vielfältigste Event zum 500. Reformationsjubiläum"
Gottesdienste und Diskussionen, Meditation und Tanz, Vorträge und Musik - 16 Wochen lang, bis zum 10. September, wird der Ursprungsort der Reformation zum Festivalgelände. "Das vielfältigste Event zum 500. Reformationsjubiläum und eine der größten Veranstaltungen im Jahr 2017", wenn man dem Veranstalter - der Evangelischen Kirche - glauben darf.