USA warnen vor zu viel Optimismus
2. April 2003Schneller als zuletzt erwartet scheint der Kampf um Bagdad in greifbare Nähe gerückt zu sein. Die Spitzen amerikanischer Einheiten standen am Mittwoch (2.4.2003), zwei Wochen nach Kriegsbeginn, nach alliierten Angaben nur noch 30 bis 45 Kilometer vor der irakischen Hauptstadt. Washington und London warnten jedoch vor zu großem Optimismus. Die irakische Führung sprach bezüglich des Vormarsches auf Bagdad von "Lügen".
Schweres Feuer über Bagdad
Bagdad und seine Umgebung lagen am Abend wieder unter schwerem Feuer. US-Kampfflugzeuge waren laut Angaben von Nachrichtenagenturen über der Stadt deutlich zu hören. Zwei der sechs Divisionen der regimetreuen Republikanischen Garde, die Bagdad verteidigt, sollen nach alliierten Angaben weitgehend zerschlagen oder stark geschwächt sein.
Bereits an diesem Donnerstag könnten die US-Soldaten den Stadtrand von Bagdad erreichen, heißt es aus dem US-Hauptquartier in Katar. Die vorrückenden Verbände seien streckenweise "auf fast keinen Widerstand" gestoßen. Die Kämpfe mit den Verteidigern der Hauptstadt dauerten laut US-Verteidigungsministerium an. Die heftigsten Gefechte könnten aber noch bevorstehen. US-General Vincent Brooks vom US-Zentralkommando sagte, die Bagdad-Division der Republikanischen Garde sei "zerstört" worden. Auch die anderen fünf Divisionen würden permanent attackiert. Die Medina-Division ist nach Pentagon-Angaben ebenfalls schwer getroffen. Größere Kapitulationen habe es bislang aber nicht gegeben.
Bodenoffensive bei Kerbela
Nach übereinstimmenden Berichten amerikanischer Medien haben US-Truppen bei Kerbela - rund 80 Kilometer südlich der irakischen Hauptstadt - eine umfangreiche Bodenoffensive eingeleitet. Der irakische Widerstand nördlich von Kerbela sei geringer gewesen als erwartet, berichtete ein Reporter des US-Senders CNN, der die US-Truppen begleitet. Kerbela ist die letzte große Stadt vor Bagdad.
Die britische Regierung warnte angesichts des schnellen Vorrückens der alliierten Truppen vor übereilten Hoffnungen auf ein nahes Ende des Krieges. Ein Sprecher von Premierminister Tony Blair sagte: "Wir sind nicht in der Schlussphase, und es liegen noch große Herausforderungen vor uns."
Offenbar neue zivile Opfer
Nach Angaben des arabischen Fernsehsenders El Arabija tötete die Rakete eines US-Apache-Hubschraubers in der Nähe der Stadt Hilla 15 Angehörige einer Großfamilie. Bei einem US- Luftangriff auf Bagdad wurde nach Angaben des katarische Fernsehsenders El Dschasira eine Entbindungsstation getroffen. Es habe Tote und Verletzte gegeben.
Iraks Machthaber Saddam Hussein hat seine Landsleute unterdessen in einer im Fernsehen verlesenen Botschaft zum Heiligen Krieg – dem Dschihad - gegen die Invasoren aufgerufen. Zudem hat er die Kurden im Nordirak vor einer Kollaboration mit den alliierten Streitkräften gewarnt. Amerikanische Luftlandetruppen haben in den vergangenen Tagen nördlich von Erbil in kurdisch kontrolliertem Gebiet mit dem Aufbau einer zweiten Front begonnen. Die Kurden wollen zusammen mit den US-Truppen gegen das Saddam-Regime kämpfen.
Powell bei der NATO und in Brüssel
In der südirakischen Stadt Nasirija befreiten US-Soldaten eine US-Kriegsgefangene. Die 19 Jahre alte Obergefreite aus dem Bundesstaat West Virginia wurde nach CNN-Angaben bei einem Gefecht in Nasirija am 23. März schwer verletzt und galt seitdem als vermisst. Sie wurde zur Behandlung nach Deutschland geflogen.
US-Außenminister Colin Powell sagte nach Gesprächen mit der türkischen Führung in Ankara, die amerikanischen Einheiten im Nordirak könnten jetzt über die Türkei mit Verpflegung und Treibstoff versorgt werden. Powell wird am Donnerstag (3.4.2003) in Brüssel bei der NATO und der Europäischen Union (EU) erwartet. Im Rahmen eines informellen Mittagessens will Powell mit seinen Ministerkollegen von der EU und dem Militärbündnis NATO über den Irak-Krieg sprechen. Anschließend nimmt er an einer Sondersitzung des NATO-Rats auf Ministerebene teil. (kap)
Hinweis: Angaben zu Truppenbewegungen, Opfern und Schäden basieren zumeist auf Informationen der Kriegsparteien und können in der Regel nicht unabhängig überprüft werden.