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Preis in der Kritik

Michael Gessat19. November 2008

Am Samstag soll in München der renommierte Eugen-Biser-Preis verliehen werden. Einer der Preisträger soll laut einem Zeitungsbericht ein fundamentalistischer Islamist sein.

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Quelle: AP
Mustafa Ceric, Großmufti von Bosnien und HerzegowinaBild: AP

Er sei ein "Verfechter der Islamisierung" und fordere die "Einführung der Scharia" in Europa, titelt der "Kölner Stadt-Anzeiger" am Mittwoch (19.11.2008). Gemeint ist ein Mann, der eigentlich als ein Mittler zwischen Christentum und Islam gilt. Mustafa Ceric, Großmufti von Bosnien-Herzegowina, erhielt 2007 zusammen mit Rita Süssmuth den "Theodor-Heuss-Preis" für seine "Verdienste um Religion und Integration in Europa". Und am Samstag (22.11.2008) in München soll er wieder ausgezeichnet werden, mit dem "Eugen-Biser-Preis". Ein Wolf im Schafspelz also als Träger eines Toleranzpreises, eine feierliche Ehrung für einen Verfassungsfeind; und das im Beisein von Innenminister Wolfgang Schäuble?

Neue, alte Vorwürfe

Dabei sind die Vorwürfe gegen den Geistlichen gar nicht neu: Schon im Mai dieses Jahres wurde in der deutschen Presse eingehend diskutiert, ob Mustafa Ceric die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Frage stelle. Stein des Anstoßes war und ist ein Aufsatz des Großmuftis, der Anfang 2008 ausgerechnet in einer konservativen, von der CDU mitfinanzierten Zeitschrift erschien, der "European View".

Was heisst "Scharia"?

Tatsächlich spricht Ceric in seinen Ausführungen in der "European View" von einer "immerwährenden, nicht verhandelbaren und unbefristeten" Verpflichtung gläubiger Muslime auf die "Scharia". Und unter "Scharia" verstehen Cerics Kritiker ein drakonisches islamisches Recht mit Strafen wie "Auspeitschen, Verstümmelung und Steinigung"; der Großmufti wolle also letztlich die westliche Rechtsordnung, Gewaltenteilung, Religionsfreiheit und Gleichberechtigung abschaffen.

Ceric hingegen erläutert "Scharia" in seinem Aufsatz ausführlich als eine übergeordnete Weltanschauung, als ein moralisches Leitbild und als Verpflichtung gegenüber Gott. Er grenzt "Scharia" in diesem Sinne ausdrücklich ab gegen angewandtes Recht, zum Beispiel das "angewandte islamische Recht", das mit "Fiqh" bezeichnet wird. Dieses sei, so schreibt er, ganz im Gegenteil eben "nicht immerwährend, sondern verhandelbar und befristet".

Stiftung stellt sich hinter den Preisträger

Als Reaktion auf die im "Kölner Stadt-Anzeiger" erhobenen Vorwürfe erklärte der Kuratoriumsvorsitzende der Eugen-Biser-Stiftung, Heiner Köster, am Mittwoch (19.11.2008), man stehe "voll und ganz hinter Ceric und seinem bedeutenden Beitrag zum christlich-islamischen Dialog". Bei der Preisverleihung am Samstag in München werde Ceric seine Haltung zum Thema präzisieren. Auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, der bei der Verleihung als Festredner zum Thema "Religiöse Vielfalt und gesellschaftlicher Zusammenhalt in Deutschland" sprechen soll, hält an seiner Teilnahme fest.

Dialog zwischen Christentum und Islam

Der Eugen-Biser-Preis wird für "herausragende theologische Veröffentlichungen", für den "öffentlichen Einsatz für die christlichen Werte" oder für den "Dialog und die Begegnung mit anderen Religionen, Weltanschauungen und Kulturen im Bemühen um Freiheit, Toleranz und Frieden" verliehen. Neben Ceric werden in diesem Jahr zwei weitere muslimische Würdenträger ausgezeichnet: Ghazi bin Muhammad bin Talal aus Jordanien und Habib Ali Zain al-Abideen al-Jifri aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Alle drei hatten im Jahr 2007 einen "Offenen Brief" an Papst Benedikt XVI initiiert. Der Brief mit dem Titel "Ein gemeinsames Wort zwischen Uns und Euch" war von insgesamt 139 muslimischen Gelehrten unterzeichnet worden und forderte zu einem Dialog über die Gemeinsamkeiten zwischen Christentum und Islam auf. Ein Gesprächsangebot, das der Papst ausdrücklich annahm; im Jahr zuvor hatte seine "Regensburger Rede" zu großer Aufregung in der islamischen Welt geführt.