Surfen in Paris
1. Oktober 2008Mittag im Parc Monceau im 8. Arrondissement. Deborah Hong aus Kanada sitzt mit ihrem Freund auf einer grünen Parkbank und öffnet ihren Laptop. Während Jogger ihre Runden drehen und Geschäftsmänner ihre Sandwichs auspacken, checkt die junge Frau ihre E-Mails. "Wir kamen zum Park und haben ein Wi-Fi-Zeichen gesehen. Es ist angenehm, an schönen Tagen hier herzukommen, draußen zu sitzen und etwas Arbeit zu erledigen."
Keine Chance für Stubenhocker
Der Zugang ist einfach. Einzige Vorraussetzung: ein eigener Laptop. Über 400 Sendestationen gibt es in Paris, zu erkennen an lilafarbenen Hinweisschildern. Hat der Computer einmal das Netz geortet, muss man nur noch den Nutzungsbedingungen zustimmen. Praktisch findet das Alexis Prevost, ein junger Webseitendesigner: "Das verhindert, dass ich immerzu zu Hause im Internet bin und motiviert mich, mehr rauszugehen."
Allein im Park Monceau loggen sich täglich über hundert Personen in das freie Funknetz ein. Vor allem Studenten und junge Berufstätige, sagt Jean-Louis Missika. Er ist Beigeordneter der Stadt und für "Paris Wi-Fi" verantwortlich. Andere französische Städte hätten bei ihm im Rathaus schon angeklopft. "Diese Bewegung ist einmal losgetreten und wird nicht mehr aufhören. In den nächsten zehn bis 15 Jahren wird das ein ganz banaler Service sein", schätzt Missika.
Angst vor schädlicher Strahlung
Digitale Attraktivität ist für Missika das Stichwort. Und da liege Paris im Moment ganz vorne im europaweiten Städtevergleich. In Deutschland gibt es nur in Heidelberg ein vergleichbares freies Funknetz, in Berlin zumindest Pläne dafür. Oft scheitern solche Projekte am Widerstand der großen Netzbetreiber. Oder aber an der Angst der Bevölkerung vor elektromagnetischer Strahlung der Sendestationen. Auch in Paris gibt es Widerstand: in mehreren Bibliotheken haben die Angestellten das Funknetz wieder ausschalten lassen.
Missika hat dafür wenig Verständnis. "Es gibt die Boxen ja bereits bei den Privatpersonen in Paris. Warum leiden also die Pariser nicht an Kopfschmerzen und Migräne? Warum beschränken diese Probleme sich auf die städtischen Bibliotheken? Die Signalstärke des Wi-Fi in den Bibliotheken ist genau die gleiche wie bei ihnen zu Hause."
Versorgung rund um die Uhr
Bewiesen ist das aber noch nicht. Erst im Oktober gibt es die Ergebnisse einer von der Stadt in Auftrag gegebenen Studie. Dann will sich Jean-Louis Missika wieder auf seine eigentlichen Ziele konzentrieren: "Paris Wi-Fi" weiter ausbauen und das Projekt noch bekannter machen. Sein großes Vorbild ist San Francisco. Dort gibt es drahtlosen Internetzugang in der ganzen Stadt, 24 Stunden am Tag. Bisher wird das Funknetz in Paris am frühen Abend ausgeschaltet, wenn die Parks und Bibliotheken ihre Tore schließen.