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Schlechte Vorzeichen

Peter Philipp27. Januar 2003

Ariel Scharon ist der Favorit bei der Parlamentswahl (28.1.2003) in Israel. Ein Sieg des Hardliners und die neue Gewaltwelle in den besetzten Gebieten lassen keine positive Wende im Palästinenser-Konflikt erwarten.

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An einem erneuten Wahlsieg des rechtskonservativen "Likud" wird in Israel kaum noch gezweifelt. Zu deutlich fallen die Umfragen aus, die Demoskopen bis zur letzten Minute vor dem Urnengang am Dienstag (28.1.) durchgeführt haben. Und selbst wenn bei diesen Umfragen noch Ungewissheit über neun der 120 Knesset-Mandate besteht: Es müssten schon sehr dramatische Dinge geschehen, wenn diese Mandate zur oppositionellen Arbeiterpartei gingen und dieser in letzter Sekunde doch noch zur Rückkehr an die vor zwei Jahren verlorene Macht verhülfen. Ganz abgesehen davon, dass "dramatische Ereignisse" in Nahost meistens mit Mord und Totschlag zu tun haben und in der Regel nur die stärken, die - natürlich unter dem Motto von Rache und Vergeltung - nach neuer Gewalt rufen oder sie praktizieren.

So auch jetzt wieder, am letzten Wochenende vor dem Wahltag: Nach dem Mord an israelischen Siedlern bei Hebron griff die israelische Armee in ihrer bislang massivsten Aktion im Gazastreifen ein und tötete dabei mindestens dreizehn Palästinenser. Die Rufe nach Rache folgten auf der Stelle. Und es muss befürchtet werden, dass die Spirale der Gewalt wieder neuen Schwung bekommt, nachdem sie in den letzten Wochen gelegentlich zu erlahmen schien.

Gewalt und Gegengewalt aber nützen den Radikalen - auf beiden Seiten. Und sie werden - die Umfragen belegen es - Amtsinhaber Ariel Scharon stärken, obwohl die Bilanz seiner bisherigen Regierungszeit eher ernüchternd und enttäuschend auch für die eigenen Anhänger gewesen ist: Scharon hat nicht - wie versprochen - Ruhe und Ordnung hergestellt, sondern die Gewalt ist weiter eskaliert. Scharon hat keine Fortschritte in Richtung auf eine Friedensregelung gemacht, sondern sich darauf konzentriert, seinen Widersacher Jassir Arafat in die Enge zu treiben, zu isolieren und als Hauptverantwortlichen für die ganze Misere abzustempeln. Und selbst wenn Scharon gelegentlich schon mal von Frieden und Verständigung sprach - ja selbst von einem palästinensischen Staat - dann machte er sehr rasch klar, dass er darunter etwas ganz anderes versteht als die Palästinenser oder die Außenwelt insgesamt.

Scharon will keine Konzessionen, die hat er nie gewollt. Ohne Zugeständnisse aber wird es auch nie zu einer Regelung mit den Palästinensern kommen. Das wusste man 1993 beim Friedensabkommen in Oslo und daran hat sich seitdem nichts geändert. Die Eskalation des palästinensischen Aufstands, der 'Intifada', hat Scharon nicht zur Besinnung gebracht - und seine Wähler auch nicht. Sie wollen zwar mehrheitlich Frieden und Sicherheit, sehen aber nicht, wie man dahin gelangen kann, solange Terroranschläge auf Israelis verübt werden. Nur so mag das merkwürdige Phänomen zu erklären sein, dass die Israelis "links fühlen, aber rechts wählen".

Erschwerend wird diesmal, dass noch völlig unklar ist, was für eine Art von Regierung der Wahlsieger bilden kann und wird: Scharon - und mit ihm weite Kreise der Öffentlichkeit - möchten eine Neuauflage der Großen Koalition, weil nur diese eine klerikal-nationalistische Rechts-Koalition verhindern kann. Zwar hat man in den fast zwei Jahren der ersten Großen Koalition gesehen, dass diese nicht imstande war, die wirklichen Probleme des Landes zu lösen. Aber noch mehr haben viele Israelis Angst vor einer Beteiligung der religiösen und Rechtsaußen-Parteien. Denn mit diesen wird es weder Frieden mit den Nachbarn geben noch gesellschaftlicher Frieden im Inneren.

Von den Wahlen in Israel darf also nicht allzu viel erwartet werden: Zumindest nicht grundsätzliche Veränderungen zum Positiven hin. Man kann schon froh sein, wenn es nicht schlimmer kommt als bisher.