Kein Geld für medizinische Versorgung
7. Dezember 2009Es ist dem baufälligen Hochhaus nicht anzusehen: Doch das Krankenhaus von Tirgu Mures beherbergt die modernste kardiologische Abteilung ganz Rumäniens. Hier werden selbst Säuglinge am offenen Herzen operiert. Horatiu Suciu und sein Team könnten im Jahr bis zu 500 schwerkranke Kinder behandeln. Theoretisch.
Zwangsurlaub für Krankenschwestern
Praktisch werden es dieses Jahr 350 junge Patienten sein, die Horatiu Suciu operieren kann - Tendenz fallend. Denn in Tirgu Mures fehlt es, wie andernorts in Rumänien auch, am Nötigsten. Teure Implantate können schon lange nicht mehr besorgt werden, aber es fehlt auch an einfachen Dingen wie Spritzen und Kanülen. Darüber hinaus hat die rumänische Regierung ihren Angestellten - egal ob Krankenschwester, Feuerwehrmann oder Polizist - unbezahlten Zwangsurlaub erteilt. Manche arbeiten Teilzeit, andere bleiben tagelang ganz zu Hause.
Der Chirurg Horatiu Suciu ist frustriert. Weil nur noch eine Krankenschwester auf der Intensivstation Dienst tut, kann er erst operieren, wenn eines der Betten wieder frei wird. Dabei stehen vor seinem Sprechzimmer Eltern Schlange, die ihn anflehen, ihr Kind zu behandeln. Doch dem 42-Jährigen sind die Hände gebunden: Kinder, deren Leben nicht akut bedroht ist, werden wieder nach Hause geschickt.
Apotheken vor dem Bankrott
Auch in den Apotheken des Landes herrscht Alarmstufe Rot: Schon im Oktober verfügte die Regierung per Gesetz, dass die staatliche Krankenkasse die Kosten für die verschriebenen Medikamente erst nach einem halben Jahr ersetzen muss. Mittlerweile ist die Kasse völlig leer. Jetzt es gibt überhaupt kein Geld mehr. Das bedeutet: Patienten bekommen ihre Medikamente nur noch gegen Bares. Bei chronisch Kranken frisst das schnell einen Gutteil ihres monatlichen Gehaltes auf.
Viele Apotheker stehen vor dem Bankrott: Die Lieferanten haben längst nicht so viel Geduld wie der Staat von ihnen verlangt. Gerade die Landapotheken sind auf das Geschäft mit den verschreibungspflichtigen Medikamenten angewiesen. Wenn sich die Lage nicht bald bessert, werden sie zumachen müssen.
Der Staat handelt nicht
Bei der staatlichen Krankenkasse quittiert man die Klagen mit Schulterzucken: Durch die Wirtschaftskrise seien viele Menschen arbeitslos geworden und würden nun eben keine Beiträge mehr zahlen. Außerdem sei es ja nichts Ungewöhnliches, dass das Gesundheitssystem unterfinanziert sei. Das sei auch in Frankreich oder Deutschland so.
Mit dem kleinen Unterschied, dass in Rumänien mittlerweile Kinder sterben, weil die lebenserhaltende Operation aus Geldmangel immer wieder aufgeschoben werden.
Autorin: Birgit Augustin
Redaktion: Mareike Röwekamp