1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Ein Überblick

22. Oktober 2009

Das deutsche Gesundheitssystem ist eines der ältesten der Welt, aber in Europa haben sich die meisten Staaten für andere Formen entschieden. Ein Überblick.

https://p.dw.com/p/KAWB
Ärzte bei einer Operation (Foto: Bilderbox)
Ärzte bei einer OperationBild: Bilderbox

Bei der Gesundheitsversorgung geht es immer auch um Geld: Wer zahlt die Beiträge, wer bekommt die Mittel und wer koordiniert ihre Verwendung? Diese Fragen werden in verschiedenen Staaten ganz unterschiedlich beantwortet – je nachdem, ob dort der staatliche Gesundheitsdienst, die Sozialversicherung oder das private System vorherrscht.

Staatlicher Gesundheitsdienst: Alle für alle

Englische Krankenschwestern 1946 (Foto: dpa)
Das englische Gesundheitssystem wurde 1946 eingeführt.Bild: picture-alliance / imagestate/HIP

Die meisten Länder in Europa haben einen staatlichen Gesundheitsdienst, der durch Steuern finanziert wird. Aber die Patienten erleben die Gesundheitssysteme in den Ländern ganz unterschiedlich. Während in Großbritannien viele Bürger mit dem System unzufrieden sind, weil etwa älteren Menschen die Grundversorgung verwehrt werden kann, ist in Spanien eine geringe, aber funktionierende Versorgung für alle gewährleistet. Wer mehr will, als dieses kostenfreie System bietet, versichert sich zusätzlich. Alle zahlen für Alle, wer mehr will zahlt für sich dazu.

Sozialversicherung: Die Mitte für alle, Reiche für sich

Deutschland ist das Musterland der Sozialversicherungen. Der Staat spielt zwar eine entscheidende Rolle, aber nur als Koordinator. Beispielsweise regeln die Ärzteverbände ihre Honorarsätze für sich selbst. Wie das Gesamtbugdet verteilt wird, regelt ein Gesetz. Die Mittel fließen in solchen Systemen aus Beiträgen der Beschäftigten und der Unternehmer. Wer eine bessere Versorgung haben will, schert ganz aus und versichert sich privat. Er zahlt damit nicht für alle mit. Damit gilt, grob gesagt: die gesellschaftliche Mitte zahlt für alle außer für die Reichen, die Reichen zahlen nur für sich selbst.

Privates Gesundheitssystem: Jeder für sich

Die USA liefern das extremste Beispiel eines privaten Gesundheitssystems. Darin zieht sich der Staat weitgehend aus der Finanzierung, Organisation und Steuerung zurück und überlässt diese Aufgaben privaten Akteuren. Die Finanzierung erfolgt über private Versicherungen, die im Wettbewerb zueinander stehen. Die Regulierung des Systems wird den Mechanismen des Marktes überlassen. In solchen Systemen kann es durch zu wenig gesetzliche Regelung zu Profitgier bei Honoraren und zu einer Nichtversorgung ganzer Gesellschaftsschichten kommen. Es zahlt jeder für sich selbst.

Die geschichtlichen Wurzeln

Meist beinhalten die Gesundheitssysteme auch Elemente der anderen Modelle – so gibt es beispielsweise in Privatsystemen auch Anteile staatlicher Finanzierung. Die drei Grundsysteme haben ihre Wurzeln im 19. Jahrhundert, in dem auch die Parteien entstanden sind. In dieser Zeit spielen sozialen Ideen wie die Soziallehre der Katholischen Kirche eine wichtige Rolle. Das war die soziale Basis für die Zentrumspartei, der Vorgängerpartei der heutigen CDU. Den kommunistischen und sozialistischen Politdoktrinen sind die Linken und die SPD verpflichtet. Diese Sozialdoktrinen drängen den Staat, das Sozialsystem als Solidargemeinschaft zu organisieren. Sie stehen damit dem staatlichen Gesundheitsdienst oder der Sozialversicherung nahe. Die Revolutionen und Bürgerrechtsbewegungen im 19. und 20. Jahrhundert haben immer eine Reform der Sozialsysteme nach sich gezogen. Am wirksamsten wurde der staatliche Einfluss im Gesundheitssystem in den kommunistischen Ländern. In Russland wurde etwa nach der Oktoberrevolution der Staat zum alleinigen Akteur in der Gesundheitspolitik.

Otto von Bismarck (Foto: dpa)
Otto von BismarckBild: dpa

Das deutsche System wurde mit der gesetzlichen Krankenversicherung für Arbeiter 1883 von Reichskanzler Otto von Bismarck eingeführt. Diese weltweit erste Sozialversicherung sollte der Verelendung in den industriellen Gebieten und möglichen sozialen Unruhen entgegenwirken. Ihre politische Funktion lag also auch darin, die Arbeiter der Sozialdemokratie abspenstig zu machen und die Massen für den monarchisch-autoritären Obrigkeitsstaat zu gewinnen. Positiv ausgedrückt hat er damit für den sozialen Frieden gesorgt.

Derzeit machen die Parteien in Deutschland Vorschläge, wie die Gesundheitspolitik aussehen soll. Bei kaum einem anderen politischen Thema spielt die Geschichte und die Herkunft der Partei eine so große Rolle, wie in der Sozialpolitik. Die Positionen reichen von den Linken und der SPD, die zu staatlichen Lösungen neigen, bis zur FDP, die Privatinitiative und Wettbewerb forciert.

Autor: Carol Lupu

Redaktion: Dеnnis Stutе